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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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Von der Wahrheit der Physiognomik.
Jnnere, wenigstens nach seiner Art, Schlüsse macht, nicht von dem, was in die Sinne fällt,
das beurtheilt, was an sich nicht in die Sinne fallen kann.

Diese Allgemeintheit des, wenigstens stillschweigenden, Eingeständnisses, daß das Aeußere,
das Sichtbare, die Oberfläche der Sache, das Jnnere, die Eigenschaft desselben anzeige; daß
alles Aeußere Ausdruck von der Beschaffenheit des Jnwendigen sey, ist, deucht mich, in Absicht
auf die menschliche Physiognomie von der äußersten Wichtigkeit und einer entscheidenden
Klarheit.

Wenn jede Birne, muß ich wieder sagen, wenn jeder Apfel eine eigenthümliche Phy-
siognomie hat, sollte der Herr der Erde keine haben? Das Allereinfachste und Lebloseste hat
sein characteristisches Aeußerliches, wodurch es sich von allem, selbst von allem Seines gleichen,
unterscheidet -- und das schönste, edelste, zusammengesetzteste, belebteste soll keine haben? --

Was man also auch immer und immer, von berühmten Akademien an bis zum blödsich-
tigsten Pöbel herunter, wider die innere Zuverläßigkeit und Wahrheit der Menschenphysiogno-
mie sagen mag, und sagen wird, so sehr man auch immer auf jeden, der sich merken läßt,
daß er an die Allbedeutsamkeit des menschlichen Körpers glaube, mit dem beleidigenden Blicke
des philosophischen Stolzes oder Mitleidens herablächeln mag; so ist und bleibt dennoch auch
in dieser Absicht keine interessantere, nähere, beobachtungswürdigere Sache, als der Mensch,
und es kann überhaupt kein interessanteres Werk geben, als eines, das dem Menschen die
Schönheiten und Vollkommenheiten der menschlichen Natur aufdeckt.

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Achtes
H 2

Von der Wahrheit der Phyſiognomik.
Jnnere, wenigſtens nach ſeiner Art, Schluͤſſe macht, nicht von dem, was in die Sinne faͤllt,
das beurtheilt, was an ſich nicht in die Sinne fallen kann.

Dieſe Allgemeintheit des, wenigſtens ſtillſchweigenden, Eingeſtaͤndniſſes, daß das Aeußere,
das Sichtbare, die Oberflaͤche der Sache, das Jnnere, die Eigenſchaft deſſelben anzeige; daß
alles Aeußere Ausdruck von der Beſchaffenheit des Jnwendigen ſey, iſt, deucht mich, in Abſicht
auf die menſchliche Phyſiognomie von der aͤußerſten Wichtigkeit und einer entſcheidenden
Klarheit.

Wenn jede Birne, muß ich wieder ſagen, wenn jeder Apfel eine eigenthuͤmliche Phy-
ſiognomie hat, ſollte der Herr der Erde keine haben? Das Allereinfachſte und Lebloſeſte hat
ſein characteriſtiſches Aeußerliches, wodurch es ſich von allem, ſelbſt von allem Seines gleichen,
unterſcheidet — und das ſchoͤnſte, edelſte, zuſammengeſetzteſte, belebteſte ſoll keine haben? —

Was man alſo auch immer und immer, von beruͤhmten Akademien an bis zum bloͤdſich-
tigſten Poͤbel herunter, wider die innere Zuverlaͤßigkeit und Wahrheit der Menſchenphyſiogno-
mie ſagen mag, und ſagen wird, ſo ſehr man auch immer auf jeden, der ſich merken laͤßt,
daß er an die Allbedeutſamkeit des menſchlichen Koͤrpers glaube, mit dem beleidigenden Blicke
des philoſophiſchen Stolzes oder Mitleidens herablaͤcheln mag; ſo iſt und bleibt dennoch auch
in dieſer Abſicht keine intereſſantere, naͤhere, beobachtungswuͤrdigere Sache, als der Menſch,
und es kann uͤberhaupt kein intereſſanteres Werk geben, als eines, das dem Menſchen die
Schoͤnheiten und Vollkommenheiten der menſchlichen Natur aufdeckt.

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Achtes
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[51/0075] Von der Wahrheit der Phyſiognomik. Jnnere, wenigſtens nach ſeiner Art, Schluͤſſe macht, nicht von dem, was in die Sinne faͤllt, das beurtheilt, was an ſich nicht in die Sinne fallen kann. Dieſe Allgemeintheit des, wenigſtens ſtillſchweigenden, Eingeſtaͤndniſſes, daß das Aeußere, das Sichtbare, die Oberflaͤche der Sache, das Jnnere, die Eigenſchaft deſſelben anzeige; daß alles Aeußere Ausdruck von der Beſchaffenheit des Jnwendigen ſey, iſt, deucht mich, in Abſicht auf die menſchliche Phyſiognomie von der aͤußerſten Wichtigkeit und einer entſcheidenden Klarheit. Wenn jede Birne, muß ich wieder ſagen, wenn jeder Apfel eine eigenthuͤmliche Phy- ſiognomie hat, ſollte der Herr der Erde keine haben? Das Allereinfachſte und Lebloſeſte hat ſein characteriſtiſches Aeußerliches, wodurch es ſich von allem, ſelbſt von allem Seines gleichen, unterſcheidet — und das ſchoͤnſte, edelſte, zuſammengeſetzteſte, belebteſte ſoll keine haben? — Was man alſo auch immer und immer, von beruͤhmten Akademien an bis zum bloͤdſich- tigſten Poͤbel herunter, wider die innere Zuverlaͤßigkeit und Wahrheit der Menſchenphyſiogno- mie ſagen mag, und ſagen wird, ſo ſehr man auch immer auf jeden, der ſich merken laͤßt, daß er an die Allbedeutſamkeit des menſchlichen Koͤrpers glaube, mit dem beleidigenden Blicke des philoſophiſchen Stolzes oder Mitleidens herablaͤcheln mag; ſo iſt und bleibt dennoch auch in dieſer Abſicht keine intereſſantere, naͤhere, beobachtungswuͤrdigere Sache, als der Menſch, und es kann uͤberhaupt kein intereſſanteres Werk geben, als eines, das dem Menſchen die Schoͤnheiten und Vollkommenheiten der menſchlichen Natur aufdeckt. [Abbildung] Achtes H 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/75>, abgerufen am 22.11.2024.