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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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zur Prüfung des physiognomischen Genies.

Alle seine und anderer Jdeen in Gestalt französischer Reime erblickt, oder in solche sie
umgestaltet; dem jeder Fußtritt, jede Umwendung des Auges, jedes Wort, das er spricht, oder
hört, neue Bilder, aber nie [nack]te Bilder, Bilder immer in Reimen gekleidet, herführt.

Die nachstehende Vignette ist eines vielwissenden, bisweilen tiefblickenden, von wenigen
zu hoch erhabnen, von vielen zu tief verachteten, dunklen Schriftstellers, der sich's vermuthlich zum
Verdienst anrechnet, -- ohn allen Schatten von heiterm Witz zu schreiben, obgleich seine Einbil-
dungskraft bey aller Trockenheit seines Geistes und seiner Schreibart die originellste von der Welt
ist; ein Mann, in dessen Schriften allen nicht die mindeste Spur einer heitern Laune anzutreffen
ist, ungeachtet er hier ein bischen lächelt, und wenig Unbehaglichkeit mit sich selbst verräth; un-
geachtet man glauben sollte, daß es in einer ernsthaften Laune nicht möglich sey, den Philoso-
phen von Sanssoucy
neben den Propheten zu citiren.

[Abbildung]

BB. Kleinjogg.
Phys. Fragm. I. Versuch. H h
zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies.

Alle ſeine und anderer Jdeen in Geſtalt franzoͤſiſcher Reime erblickt, oder in ſolche ſie
umgeſtaltet; dem jeder Fußtritt, jede Umwendung des Auges, jedes Wort, das er ſpricht, oder
hoͤrt, neue Bilder, aber nie [nack]te Bilder, Bilder immer in Reimen gekleidet, herfuͤhrt.

Die nachſtehende Vignette iſt eines vielwiſſenden, bisweilen tiefblickenden, von wenigen
zu hoch erhabnen, von vielen zu tief verachteten, dunklen Schriftſtellers, der ſich's vermuthlich zum
Verdienſt anrechnet, — ohn allen Schatten von heiterm Witz zu ſchreiben, obgleich ſeine Einbil-
dungskraft bey aller Trockenheit ſeines Geiſtes und ſeiner Schreibart die originellſte von der Welt
iſt; ein Mann, in deſſen Schriften allen nicht die mindeſte Spur einer heitern Laune anzutreffen
iſt, ungeachtet er hier ein bischen laͤchelt, und wenig Unbehaglichkeit mit ſich ſelbſt verraͤth; un-
geachtet man glauben ſollte, daß es in einer ernſthaften Laune nicht moͤglich ſey, den Philoſo-
phen von Sansſoucy
neben den Propheten zu citiren.

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[233/0353] zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies. Alle ſeine und anderer Jdeen in Geſtalt franzoͤſiſcher Reime erblickt, oder in ſolche ſie umgeſtaltet; dem jeder Fußtritt, jede Umwendung des Auges, jedes Wort, das er ſpricht, oder hoͤrt, neue Bilder, aber nie nackte Bilder, Bilder immer in Reimen gekleidet, herfuͤhrt. Die nachſtehende Vignette iſt eines vielwiſſenden, bisweilen tiefblickenden, von wenigen zu hoch erhabnen, von vielen zu tief verachteten, dunklen Schriftſtellers, der ſich's vermuthlich zum Verdienſt anrechnet, — ohn allen Schatten von heiterm Witz zu ſchreiben, obgleich ſeine Einbil- dungskraft bey aller Trockenheit ſeines Geiſtes und ſeiner Schreibart die originellſte von der Welt iſt; ein Mann, in deſſen Schriften allen nicht die mindeſte Spur einer heitern Laune anzutreffen iſt, ungeachtet er hier ein bischen laͤchelt, und wenig Unbehaglichkeit mit ſich ſelbſt verraͤth; un- geachtet man glauben ſollte, daß es in einer ernſthaften Laune nicht moͤglich ſey, den Philoſo- phen von Sansſoucy neben den Propheten zu citiren. [Abbildung] BB. Kleinjogg. Phyſ. Fragm. I. Verſuch. H h

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/353>, abgerufen am 22.11.2024.