machen. Die leiseste, edle Herzensbewegung hat mehr Werth als die glänzendste und nützlichste Handlung, die nicht rein aus reinem Quelle fließt. Alles was nicht aus reiner Gottes- und Menschenliebe quillt, es sey noch so nützlich, als es immer will, hat seinen Lohn da- hin. Das allergeringste, vergessenste, in den Augen der Welt ganz unbedeutende, nicht der Rede werthe, Werk- gen der Liebe bleibt dem einzig wahren Herzenskenner nicht unbemerkt; Wird von dem einzig bevollmächtig- ten Menschenrichter hervorgezogen und belohnn werden. In dem Schärfgen -- welche Erhabenheit! Welcher Glaube an Gott! Welche Ehrfurcht für den Tempel! Welche Zufriedenheit mit Nichts! -- Welche Uebung im Hingeben! Welche Erfahrung im Wiederbekom- men! -- Wie war sie über so manche Einwendungen hinaus, die sich tausend andere gemacht hätten! Sie glaubte einfältig, liebte herzlich, und gab alles, was sie hatte.
22. Unerforschlichkeit der Zeit des Gerichtes.
Aber von demselben Tag und der StundeMark. XII. 32. weiß Niemand, auch die Engel im Himmel nicht, noch der Sohn; Sondern allein der Vater. Laßt uns nicht klug seyn über das, was sich gebühret! Wel- che Bescheidenheit und Unvorgreiflichkeit will uns ge- ziemen, wenn der über alle Engel erhabene Sohn, frey- lich in den Tagen seiner Wallfahrt auf Erden, seiner Einschränkung, also spricht! Der Sohn wußte nicht,
was
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Unerforſchlichkeit der Zeit des Gerichtes.
machen. Die leiſeſte, edle Herzensbewegung hat mehr Werth als die glänzendſte und nützlichſte Handlung, die nicht rein aus reinem Quelle fließt. Alles was nicht aus reiner Gottes- und Menſchenliebe quillt, es ſey noch ſo nützlich, als es immer will, hat ſeinen Lohn da- hin. Das allergeringſte, vergeſſenſte, in den Augen der Welt ganz unbedeutende, nicht der Rede werthe, Werk- gen der Liebe bleibt dem einzig wahren Herzenskenner nicht unbemerkt; Wird von dem einzig bevollmächtig- ten Menſchenrichter hervorgezogen und belohnn werden. In dem Schärfgen — welche Erhabenheit! Welcher Glaube an Gott! Welche Ehrfurcht für den Tempel! Welche Zufriedenheit mit Nichts! — Welche Uebung im Hingeben! Welche Erfahrung im Wiederbekom- men! — Wie war ſie über ſo manche Einwendungen hinaus, die ſich tauſend andere gemacht hätten! Sie glaubte einfältig, liebte herzlich, und gab alles, was ſie hatte.
22. Unerforſchlichkeit der Zeit des Gerichtes.
Aber von demſelben Tag und der StundeMark. XII. 32. weiß Niemand, auch die Engel im Himmel nicht, noch der Sohn; Sondern allein der Vater. Laßt uns nicht klug ſeyn über das, was ſich gebühret! Wel- che Beſcheidenheit und Unvorgreiflichkeit will uns ge- ziemen, wenn der über alle Engel erhabene Sohn, frey- lich in den Tagen ſeiner Wallfahrt auf Erden, ſeiner Einſchränkung, alſo ſpricht! Der Sohn wußte nicht,
was
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[581[601]/0609]
Unerforſchlichkeit der Zeit des Gerichtes.
machen. Die leiſeſte, edle Herzensbewegung hat mehr
Werth als die glänzendſte und nützlichſte Handlung,
die nicht rein aus reinem Quelle fließt. Alles was nicht
aus reiner Gottes- und Menſchenliebe quillt, es ſey
noch ſo nützlich, als es immer will, hat ſeinen Lohn da-
hin. Das allergeringſte, vergeſſenſte, in den Augen der
Welt ganz unbedeutende, nicht der Rede werthe, Werk-
gen der Liebe bleibt dem einzig wahren Herzenskenner
nicht unbemerkt; Wird von dem einzig bevollmächtig-
ten Menſchenrichter hervorgezogen und belohnn werden.
In dem Schärfgen — welche Erhabenheit! Welcher
Glaube an Gott! Welche Ehrfurcht für den Tempel!
Welche Zufriedenheit mit Nichts! — Welche Uebung
im Hingeben! Welche Erfahrung im Wiederbekom-
men! — Wie war ſie über ſo manche Einwendungen
hinaus, die ſich tauſend andere gemacht hätten! Sie
glaubte einfältig, liebte herzlich, und gab alles, was
ſie hatte.
22.
Unerforſchlichkeit der Zeit des Gerichtes.
Aber von demſelben Tag und der Stunde
weiß Niemand, auch die Engel im Himmel nicht,
noch der Sohn; Sondern allein der Vater. Laßt
uns nicht klug ſeyn über das, was ſich gebühret! Wel-
che Beſcheidenheit und Unvorgreiflichkeit will uns ge-
ziemen, wenn der über alle Engel erhabene Sohn, frey-
lich in den Tagen ſeiner Wallfahrt auf Erden, ſeiner
Einſchränkung, alſo ſpricht! Der Sohn wußte nicht,
was
Mark. XII.
32.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 581[601]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/609>, abgerufen am 23.11.2024.
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