Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Blinder hergestellt.

Auch diese Geschichte bestätigt die oben gemachte
Anmerkung über die ungleiche Verfahrensart Jesu bey
seinen Wunderthaten. Wo der Unglaube der Kraft des
Herrn entgegen arbeitete, oder wo auf Seiten des zu
heilenden nur schwacher Glaube war, da kostete es dem
Herrn Seufzer und Arbeit. Er mußte stufenweise den
Glauben erwecken -- eh' Er mit seiner göttlichen Kraft
ungehindert wirken konnte. Daher Er denn auch zu
solchen Thaten, um das Gemüth des Kranken in die stillste
Verfassung zu bringen, Absonderung und Einsamkeit
nöthig fand. Ein Beweiß zugleich, daß Gott jede mensch-
liche Seele, auf eine besondere, ihrem Charakter ange-
messene Weise führen muß, und daß es thöricht ist --
Eine Methode, Eine Führungsweise Gottes für alle
Menschen erzwingen zu wollen.

Markus IX.
17.
Wer für Jesum sey?

Johannes sprach: Meister, wir sahen ei-Mark. IX.
38-40.

nen, der trieb Teufel in deinem Namen aus, wel-
cher uns nicht nachfolgete, und wir verboten's
ihm, darum, daß er uns nicht nachfolgete. Je-
sus aber sprach: Ihr sollt's ihm nicht verbieten.
Denn es ist Niemand, der eine That thue in mei-
nem Namen, und möge bald übel von mir reden.
Wer nicht wider uns ist, der ist für uns.

Wie weise und wie duldend! Und zugleich, wie klar
ist's aus dieser Stelle, daß Jesus Jünger sammlen, und

das
Blinder hergeſtellt.

Auch dieſe Geſchichte beſtätigt die oben gemachte
Anmerkung über die ungleiche Verfahrensart Jeſu bey
ſeinen Wunderthaten. Wo der Unglaube der Kraft des
Herrn entgegen arbeitete, oder wo auf Seiten des zu
heilenden nur ſchwacher Glaube war, da koſtete es dem
Herrn Seufzer und Arbeit. Er mußte ſtufenweiſe den
Glauben erwecken — eh’ Er mit ſeiner göttlichen Kraft
ungehindert wirken konnte. Daher Er denn auch zu
ſolchen Thaten, um das Gemüth des Kranken in die ſtillſte
Verfaſſung zu bringen, Abſonderung und Einſamkeit
nöthig fand. Ein Beweiß zugleich, daß Gott jede menſch-
liche Seele, auf eine beſondere, ihrem Charakter ange-
meſſene Weiſe führen muß, und daß es thöricht iſt —
Eine Methode, Eine Führungsweiſe Gottes für alle
Menſchen erzwingen zu wollen.

Markus IX.
17.
Wer für Jeſum ſey?

Johannes ſprach: Meiſter, wir ſahen ei-Mark. IX.
38-40.

nen, der trieb Teufel in deinem Namen aus, wel-
cher uns nicht nachfolgete, und wir verboten’s
ihm, darum, daß er uns nicht nachfolgete. Je-
ſus aber ſprach: Ihr ſollt’s ihm nicht verbieten.
Denn es iſt Niemand, der eine That thue in mei-
nem Namen, und möge bald übel von mir reden.
Wer nicht wider uns iſt, der iſt für uns.

Wie weiſe und wie duldend! Und zugleich, wie klar
iſt’s aus dieſer Stelle, daß Jeſus Jünger ſammlen, und

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0603" n="575[595]"/>
            <fw place="top" type="header">Blinder herge&#x017F;tellt.</fw><lb/>
            <p>Auch die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte be&#x017F;tätigt die oben gemachte<lb/>
Anmerkung über die ungleiche Verfahrensart Je&#x017F;u bey<lb/>
&#x017F;einen Wunderthaten. Wo der Unglaube der Kraft des<lb/>
Herrn entgegen arbeitete, oder wo auf Seiten des zu<lb/>
heilenden nur &#x017F;chwacher Glaube war, da ko&#x017F;tete es dem<lb/>
Herrn Seufzer und Arbeit. Er mußte &#x017F;tufenwei&#x017F;e den<lb/>
Glauben erwecken &#x2014; eh&#x2019; Er mit &#x017F;einer göttlichen Kraft<lb/>
ungehindert wirken konnte. Daher Er denn auch zu<lb/>
&#x017F;olchen Thaten, um das Gemüth des Kranken in die &#x017F;till&#x017F;te<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung zu bringen, Ab&#x017F;onderung und Ein&#x017F;amkeit<lb/>
nöthig fand. Ein Beweiß zugleich, daß Gott jede men&#x017F;ch-<lb/>
liche Seele, auf eine be&#x017F;ondere, ihrem Charakter ange-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ene Wei&#x017F;e führen muß, und daß es thöricht i&#x017F;t &#x2014;<lb/><hi rendition="#fr">Eine</hi> Methode, <hi rendition="#fr">Eine</hi> Führungswei&#x017F;e Gottes für alle<lb/>
Men&#x017F;chen erzwingen zu wollen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Markus</hi> <hi rendition="#aq">IX.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>17.<lb/>
Wer für Je&#x017F;um &#x017F;ey?</head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Johannes &#x017F;prach: Mei&#x017F;ter, wir &#x017F;ahen ei-</hi> <note place="right">Mark. <hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/>
38-40.</note><lb/> <hi rendition="#fr">nen, der trieb Teufel in deinem Namen aus, wel-<lb/>
cher uns nicht nachfolgete, und wir verboten&#x2019;s<lb/>
ihm, darum, daß er uns nicht nachfolgete. Je-<lb/>
&#x017F;us aber &#x017F;prach: Ihr &#x017F;ollt&#x2019;s ihm nicht verbieten.<lb/>
Denn es i&#x017F;t Niemand, der eine That thue in mei-<lb/>
nem Namen, und möge bald übel von mir reden.<lb/>
Wer nicht wider uns i&#x017F;t, der i&#x017F;t für uns.</hi> </p><lb/>
            <p>Wie wei&#x017F;e und wie duldend! Und zugleich, wie klar<lb/>
i&#x017F;t&#x2019;s aus die&#x017F;er Stelle, daß Je&#x017F;us Jünger &#x017F;ammlen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[575[595]/0603] Blinder hergeſtellt. Auch dieſe Geſchichte beſtätigt die oben gemachte Anmerkung über die ungleiche Verfahrensart Jeſu bey ſeinen Wunderthaten. Wo der Unglaube der Kraft des Herrn entgegen arbeitete, oder wo auf Seiten des zu heilenden nur ſchwacher Glaube war, da koſtete es dem Herrn Seufzer und Arbeit. Er mußte ſtufenweiſe den Glauben erwecken — eh’ Er mit ſeiner göttlichen Kraft ungehindert wirken konnte. Daher Er denn auch zu ſolchen Thaten, um das Gemüth des Kranken in die ſtillſte Verfaſſung zu bringen, Abſonderung und Einſamkeit nöthig fand. Ein Beweiß zugleich, daß Gott jede menſch- liche Seele, auf eine beſondere, ihrem Charakter ange- meſſene Weiſe führen muß, und daß es thöricht iſt — Eine Methode, Eine Führungsweiſe Gottes für alle Menſchen erzwingen zu wollen. Markus IX. 17. Wer für Jeſum ſey? Johannes ſprach: Meiſter, wir ſahen ei- nen, der trieb Teufel in deinem Namen aus, wel- cher uns nicht nachfolgete, und wir verboten’s ihm, darum, daß er uns nicht nachfolgete. Je- ſus aber ſprach: Ihr ſollt’s ihm nicht verbieten. Denn es iſt Niemand, der eine That thue in mei- nem Namen, und möge bald übel von mir reden. Wer nicht wider uns iſt, der iſt für uns. Mark. IX. 38-40. Wie weiſe und wie duldend! Und zugleich, wie klar iſt’s aus dieſer Stelle, daß Jeſus Jünger ſammlen, und das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/603
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 575[595]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/603>, abgerufen am 23.11.2024.