Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.Matthäus XXVIII. enthalts auf der Erde seinen Aposteln das Wort in dieSeele legte: Lehret sie, alle Völker, Alles hal- ten, was ich euch befohlen habe. Warum bethet ihr das Unser Vater, das Christus doch nur die Apo- stel lehrte? Warum feyren wir das Abendmahl? Das Christus doch nicht öffentlich vor dem Volke, sondern nur in einem verschloßnen Zimmer unmittelbar für seine Apostel eingesetzt hatte? Warum verheissen wir, und warum erwarten wir für uns selbst Verzeyhung der Sünde und ewiges Leben? Wann wir diesem neuerfun- denen widerchristlichen Grundsatze gemäß handeln wollen, so ist es Tohrheit und Heucheley, daß wir unsere Kinder auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des hei- ligen Geistes taufen lassen; Daß wir den Tod des Herrn in dem Abendmahl öffentlich feyren. Es ist Heucheley und Abgötterey zugleich, daß wir einen Gekreuzigten, der uns nicht, wie die Gottheit helfen kann, und das nicht für uns ist, was Er für die Apostel war, als eine Gottheit öffentlich verehren, oder zu verehren das Ansehn haben wollen. Ich will und kann Niemand zwingen, ein Christ zu seyn. Ich werde auch Niemand hart beurtheilen oder lieblos verdammen, der wider die Gött- lichkeit des Christenthums, oder welches eins ist, wider die Anbethenswürdigkeit unsers Herrn unüberwindli- che Zweifel heget. Der Herr, der sein Herz und seine Umstände kennt, mag ihn richten; Aber den erkläre ich ganz zuversichtlich für einen unweisen, unfasten, schwa- chen, ohne Grundsätze handelnden, sich selbst offenbar widersprechenden Menschen, um nicht zu sagen, für einen
Matthäus XXVIII. enthalts auf der Erde ſeinen Apoſteln das Wort in dieSeele legte: Lehret ſie, alle Völker, Alles hal- ten, was ich euch befohlen habe. Warum bethet ihr das Unſer Vater, das Chriſtus doch nur die Apo- ſtel lehrte? Warum feyren wir das Abendmahl? Das Chriſtus doch nicht öffentlich vor dem Volke, ſondern nur in einem verſchloßnen Zimmer unmittelbar für ſeine Apoſtel eingeſetzt hatte? Warum verheiſſen wir, und warum erwarten wir für uns ſelbſt Verzeyhung der Sünde und ewiges Leben? Wann wir dieſem neuerfun- denen widerchriſtlichen Grundſatze gemäß handeln wollen, ſo iſt es Tohrheit und Heucheley, daß wir unſere Kinder auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des hei- ligen Geiſtes taufen laſſen; Daß wir den Tod des Herrn in dem Abendmahl öffentlich feyren. Es iſt Heucheley und Abgötterey zugleich, daß wir einen Gekreuzigten, der uns nicht, wie die Gottheit helfen kann, und das nicht für uns iſt, was Er für die Apoſtel war, als eine Gottheit öffentlich verehren, oder zu verehren das Anſehn haben wollen. Ich will und kann Niemand zwingen, ein Chriſt zu ſeyn. Ich werde auch Niemand hart beurtheilen oder lieblos verdammen, der wider die Gött- lichkeit des Chriſtenthums, oder welches eins iſt, wider die Anbethenswürdigkeit unſers Herrn unüberwindli- che Zweifel heget. Der Herr, der ſein Herz und ſeine Umſtände kennt, mag ihn richten; Aber den erkläre ich ganz zuverſichtlich für einen unweiſen, unfaſten, ſchwa- chen, ohne Grundſätze handelnden, ſich ſelbſt offenbar widerſprechenden Menſchen, um nicht zu ſagen, für einen
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Matthäus XXVIII.
enthalts auf der Erde ſeinen Apoſteln das Wort in die
Seele legte: Lehret ſie, alle Völker, Alles hal-
ten, was ich euch befohlen habe. Warum bethet
ihr das Unſer Vater, das Chriſtus doch nur die Apo-
ſtel lehrte? Warum feyren wir das Abendmahl? Das
Chriſtus doch nicht öffentlich vor dem Volke, ſondern
nur in einem verſchloßnen Zimmer unmittelbar für ſeine
Apoſtel eingeſetzt hatte? Warum verheiſſen wir, und
warum erwarten wir für uns ſelbſt Verzeyhung der
Sünde und ewiges Leben? Wann wir dieſem neuerfun-
denen widerchriſtlichen Grundſatze gemäß handeln wollen,
ſo iſt es Tohrheit und Heucheley, daß wir unſere Kinder
auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des hei-
ligen Geiſtes taufen laſſen; Daß wir den Tod des Herrn
in dem Abendmahl öffentlich feyren. Es iſt Heucheley
und Abgötterey zugleich, daß wir einen Gekreuzigten,
der uns nicht, wie die Gottheit helfen kann, und das
nicht für uns iſt, was Er für die Apoſtel war, als eine
Gottheit öffentlich verehren, oder zu verehren das Anſehn
haben wollen. Ich will und kann Niemand zwingen,
ein Chriſt zu ſeyn. Ich werde auch Niemand hart
beurtheilen oder lieblos verdammen, der wider die Gött-
lichkeit des Chriſtenthums, oder welches eins iſt, wider
die Anbethenswürdigkeit unſers Herrn unüberwindli-
che Zweifel heget. Der Herr, der ſein Herz und ſeine
Umſtände kennt, mag ihn richten; Aber den erkläre ich
ganz zuverſichtlich für einen unweiſen, unfaſten, ſchwa-
chen, ohne Grundſätze handelnden, ſich ſelbſt offenbar
widerſprechenden Menſchen, um nicht zu ſagen, für
einen
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