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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Anbethung und Zweifel.
246.
Anbethung und Zweifel.

Aber die eilf Jünger giengen in Galiläa aufMatth.
XXVIII.
16. 17.

einen Berg, dahin Jesus sie beschieden hatte.
Und da sie Ihn sahen, fielen sie vor Ihm nieder.
Etliche aber zweifelten.
Redlicher kann nichts er-
zählt werden. Schwachheiten, die uns unverzeihlich
vorkommen müssen, werden nicht verschwiegen --
Nichts wird verhehlt, selbsten was Zweiflern Gelegen-
heit zu zweifeln geben kann und alles das allerwichtig-
ste, erstaunenswürdigste wird so ruhig, so ohne Hitze
und Schwärmerey erzählt. Der Abschied Jesu von sei-
nen Geliebten -- Das Hinbescheiden auf einen Berg,
das stille Anbethen des Auferstandenen von den Gläubi-
gen, das Zweifeln an seinen wirklichen Dastehn von
den Schwachen -- wird so einfältig, so unbefangen
und sorglos erzählt, wie eine Sache, die alltäglich ge-
schieht -- wie würdig eines Apostels, der täglich Chri-
stum wunderthätig und göttlich handeln sahe, so wie
er Ihn täglich essen und trinken sahe. Uebrigens ist
auffallend, daß Matthäus hier nur überhaupt und
nicht umständlich erzählt. Er faßt zusammen; Er eilt
zum Ende. Lukas und Johannes erzählen, wie wir
zu seiner Zeit hören werden, die Geschichte der Zweifler
und der letzten Stunden etwas umständlicher -- Doch
hat uns Matthäus die allerwichtigsten letzten Abschieds-
worte unsers Herrn aufbehalten -- Laßt uns auf diese
nun unsere ganze Aufmerksamkeit richten!

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Anbethung und Zweifel.
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Anbethung und Zweifel.

Aber die eilf Jünger giengen in Galiläa aufMatth.
XXVIII.
16. 17.

einen Berg, dahin Jeſus ſie beſchieden hatte.
Und da ſie Ihn ſahen, fielen ſie vor Ihm nieder.
Etliche aber zweifelten.
Redlicher kann nichts er-
zählt werden. Schwachheiten, die uns unverzeihlich
vorkommen müſſen, werden nicht verſchwiegen —
Nichts wird verhehlt, ſelbſten was Zweiflern Gelegen-
heit zu zweifeln geben kann und alles das allerwichtig-
ſte, erſtaunenswürdigſte wird ſo ruhig, ſo ohne Hitze
und Schwärmerey erzählt. Der Abſchied Jeſu von ſei-
nen Geliebten — Das Hinbeſcheiden auf einen Berg,
das ſtille Anbethen des Auferſtandenen von den Gläubi-
gen, das Zweifeln an ſeinen wirklichen Daſtehn von
den Schwachen — wird ſo einfältig, ſo unbefangen
und ſorglos erzählt, wie eine Sache, die alltäglich ge-
ſchieht — wie würdig eines Apoſtels, der täglich Chri-
ſtum wunderthätig und göttlich handeln ſahe, ſo wie
er Ihn täglich eſſen und trinken ſahe. Uebrigens iſt
auffallend, daß Matthäus hier nur überhaupt und
nicht umſtändlich erzählt. Er faßt zuſammen; Er eilt
zum Ende. Lukas und Johannes erzählen, wie wir
zu ſeiner Zeit hören werden, die Geſchichte der Zweifler
und der letzten Stunden etwas umſtändlicher — Doch
hat uns Matthäus die allerwichtigſten letzten Abſchieds-
worte unſers Herrn aufbehalten — Laßt uns auf dieſe
nun unſere ganze Aufmerkſamkeit richten!

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[547[567]/0575] Anbethung und Zweifel. 246. Anbethung und Zweifel. Aber die eilf Jünger giengen in Galiläa auf einen Berg, dahin Jeſus ſie beſchieden hatte. Und da ſie Ihn ſahen, fielen ſie vor Ihm nieder. Etliche aber zweifelten. Redlicher kann nichts er- zählt werden. Schwachheiten, die uns unverzeihlich vorkommen müſſen, werden nicht verſchwiegen — Nichts wird verhehlt, ſelbſten was Zweiflern Gelegen- heit zu zweifeln geben kann und alles das allerwichtig- ſte, erſtaunenswürdigſte wird ſo ruhig, ſo ohne Hitze und Schwärmerey erzählt. Der Abſchied Jeſu von ſei- nen Geliebten — Das Hinbeſcheiden auf einen Berg, das ſtille Anbethen des Auferſtandenen von den Gläubi- gen, das Zweifeln an ſeinen wirklichen Daſtehn von den Schwachen — wird ſo einfältig, ſo unbefangen und ſorglos erzählt, wie eine Sache, die alltäglich ge- ſchieht — wie würdig eines Apoſtels, der täglich Chri- ſtum wunderthätig und göttlich handeln ſahe, ſo wie er Ihn täglich eſſen und trinken ſahe. Uebrigens iſt auffallend, daß Matthäus hier nur überhaupt und nicht umſtändlich erzählt. Er faßt zuſammen; Er eilt zum Ende. Lukas und Johannes erzählen, wie wir zu ſeiner Zeit hören werden, die Geſchichte der Zweifler und der letzten Stunden etwas umſtändlicher — Doch hat uns Matthäus die allerwichtigſten letzten Abſchieds- worte unſers Herrn aufbehalten — Laßt uns auf dieſe nun unſere ganze Aufmerkſamkeit richten! Matth. XXVIII. 16. 17. 247. M m 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 547[567]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/575>, abgerufen am 23.11.2024.