zusahen, bey seiner heiligen Leiche verweilen! Reinge- waschen vom Blute, betröpfelt mit den reinsten Thränen, die jemals Wehmuth und Liebe ausgepreßt hat; Ge- küßt mit den zärtlichsten Lippen; Sanft berührt mit den wohlthätigsten Händen wird sie in reine Leinwand eingewunden, und mit unbeschreiblichen Empfindungen, angestaunt ohne Zweifel von den erhabensten Engeln, so sanft und still, wie sie selbst war, in die Höhle des Felsen hingetragen, sachte niedergelegt, und endlich ver- lassen. Ich thue nichts hinzu, als einen Seufzer mei- nes Herzens: Daß mein Sinn dem deinen gleiche, Und mein Leichnam deiner Leiche!
243. Bewachung des Grabes.
Des andern Tages, der da folget nach demMatth. XXVII. 62-66. Rüsttage, kamen die Hohenpriester und Phari- säer sämmtlich zu Pilato. Und sprachen: Herr, wir haben gedacht, daß dieser Verführer sprach, da Er noch lebte: Ich will nach dreyen Tagen auferstehen: Darum befiehl, daß man das Grab verwahre bis an den dritten Tag, auf daß nicht seine Jünger kommen und stehlen ihn, und sa- gen zum Volk: Er ist auferstanden von den Todten: Und werde der letzte Betrug ärger als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Da habt ihr die Hüter; Gehet hin und verwahrets, so sicher-
lich
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Bewachung des Grabes.
zuſahen, bey ſeiner heiligen Leiche verweilen! Reinge- waſchen vom Blute, betröpfelt mit den reinſten Thränen, die jemals Wehmuth und Liebe ausgepreßt hat; Ge- küßt mit den zärtlichſten Lippen; Sanft berührt mit den wohlthätigſten Händen wird ſie in reine Leinwand eingewunden, und mit unbeſchreiblichen Empfindungen, angeſtaunt ohne Zweifel von den erhabenſten Engeln, ſo ſanft und ſtill, wie ſie ſelbſt war, in die Höhle des Felſen hingetragen, ſachte niedergelegt, und endlich ver- laſſen. Ich thue nichts hinzu, als einen Seufzer mei- nes Herzens: Daß mein Sinn dem deinen gleiche, Und mein Leichnam deiner Leiche!
243. Bewachung des Grabes.
Des andern Tages, der da folget nach demMatth. XXVII. 62-66. Rüſttage, kamen die Hohenprieſter und Phari- ſäer ſämmtlich zu Pilato. Und ſprachen: Herr, wir haben gedacht, daß dieſer Verführer ſprach, da Er noch lebte: Ich will nach dreyen Tagen auferſtehen: Darum befiehl, daß man das Grab verwahre bis an den dritten Tag, auf daß nicht ſeine Jünger kommen und ſtehlen ihn, und ſa- gen zum Volk: Er iſt auferſtanden von den Todten: Und werde der letzte Betrug ärger als der erſte. Pilatus ſprach zu ihnen: Da habt ihr die Hüter; Gehet hin und verwahrets, ſo ſicher-
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[535[555]/0563]
Bewachung des Grabes.
zuſahen, bey ſeiner heiligen Leiche verweilen! Reinge-
waſchen vom Blute, betröpfelt mit den reinſten Thränen,
die jemals Wehmuth und Liebe ausgepreßt hat; Ge-
küßt mit den zärtlichſten Lippen; Sanft berührt mit
den wohlthätigſten Händen wird ſie in reine Leinwand
eingewunden, und mit unbeſchreiblichen Empfindungen,
angeſtaunt ohne Zweifel von den erhabenſten Engeln,
ſo ſanft und ſtill, wie ſie ſelbſt war, in die Höhle des
Felſen hingetragen, ſachte niedergelegt, und endlich ver-
laſſen. Ich thue nichts hinzu, als einen Seufzer mei-
nes Herzens:
Daß mein Sinn dem deinen gleiche,
Und mein Leichnam deiner Leiche!
243.
Bewachung des Grabes.
Des andern Tages, der da folget nach dem
Rüſttage, kamen die Hohenprieſter und Phari-
ſäer ſämmtlich zu Pilato. Und ſprachen: Herr,
wir haben gedacht, daß dieſer Verführer ſprach,
da Er noch lebte: Ich will nach dreyen Tagen
auferſtehen: Darum befiehl, daß man das Grab
verwahre bis an den dritten Tag, auf daß nicht
ſeine Jünger kommen und ſtehlen ihn, und ſa-
gen zum Volk: Er iſt auferſtanden von den
Todten: Und werde der letzte Betrug ärger als
der erſte. Pilatus ſprach zu ihnen: Da habt ihr
die Hüter; Gehet hin und verwahrets, ſo ſicher-
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Matth.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 535[555]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/563>, abgerufen am 23.11.2024.
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