vom Felde kommender, vermuthlich Mitleid äussernder Mann, Simon, ein Vater von zween nachherigen Christen, Alexanders und Rufus, mußte Ihm das Kreuz nachtragen helfen, und war bestimmt, für alle künftige Christen ein lehrendes Sinnbild zu seyn, daß alle Schmach in Ehre, und jeder Schmerz in Freude für ihn verwandelt werde. So ungern er sich anfangs dieser schimpflichen Theilnahm an dem Kreuze des Herrn unterzogen haben mag -- Man denke sich, wenn man kann, seine Freude und Ehre, nachdem der Herr auf- erstanden und als der König des Himmels angebethet ward. Keiner weiß, was ihm für Ehre wiederfährt, wenn er gewürdigt wird, um des Namens und des Evangeliums Christi willen Schmach zu leiden. Darum hinderte es auch Christus nicht, daß Simon neben Ihm und um Seinetwillen durch den Muthwill der Soldaten so beschimpft wurde. Er sahe die Freude voraus, die in wenigen Tagen aus dieser peinlichen Gemüthsverfas- sung für ihn erwachsen würde -- Sahe voraus die Ewigkeiten, die es ihn freuen würde, ein so naher Zeuge des leidenden Meßias, und ein Erleichterer seiner Lei- denslast gewesen zu seyn. Was wir jetzo noch um Chri- stuswillen und nach seinem Willen leiden, das sieht Chri- stus so an, als ob wir Ihm etwas von seiner Leidens- last abgenommen und Ihm tragen geholfen hätten. -- Wohl dem, der die Gnade hat, Christi Kreuz täg- lich auf sich zu nehmen.
233. Sie
Matthäus XXVII.
vom Felde kommender, vermuthlich Mitleid äuſſernder Mann, Simon, ein Vater von zween nachherigen Chriſten, Alexanders und Rufus, mußte Ihm das Kreuz nachtragen helfen, und war beſtimmt, für alle künftige Chriſten ein lehrendes Sinnbild zu ſeyn, daß alle Schmach in Ehre, und jeder Schmerz in Freude für ihn verwandelt werde. So ungern er ſich anfangs dieſer ſchimpflichen Theilnahm an dem Kreuze des Herrn unterzogen haben mag — Man denke ſich, wenn man kann, ſeine Freude und Ehre, nachdem der Herr auf- erſtanden und als der König des Himmels angebethet ward. Keiner weiß, was ihm für Ehre wiederfährt, wenn er gewürdigt wird, um des Namens und des Evangeliums Chriſti willen Schmach zu leiden. Darum hinderte es auch Chriſtus nicht, daß Simon neben Ihm und um Seinetwillen durch den Muthwill der Soldaten ſo beſchimpft wurde. Er ſahe die Freude voraus, die in wenigen Tagen aus dieſer peinlichen Gemüthsverfaſ- ſung für ihn erwachſen würde — Sahe voraus die Ewigkeiten, die es ihn freuen würde, ein ſo naher Zeuge des leidenden Meßias, und ein Erleichterer ſeiner Lei- denslaſt geweſen zu ſeyn. Was wir jetzo noch um Chri- ſtuswillen und nach ſeinem Willen leiden, das ſieht Chri- ſtus ſo an, als ob wir Ihm etwas von ſeiner Leidens- laſt abgenommen und Ihm tragen geholfen hätten. — Wohl dem, der die Gnade hat, Chriſti Kreuz täg- lich auf ſich zu nehmen.
233. Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0544"n="516[536]"/><fwplace="top"type="header">Matthäus <hirendition="#aq">XXVII.</hi></fw><lb/>
vom Felde kommender, vermuthlich Mitleid äuſſernder<lb/>
Mann, <hirendition="#fr">Simon,</hi> ein Vater von zween nachherigen<lb/>
Chriſten, <hirendition="#fr">Alexanders</hi> und <hirendition="#fr">Rufus,</hi> mußte Ihm das<lb/>
Kreuz nachtragen helfen, und war beſtimmt, für alle<lb/>
künftige Chriſten ein lehrendes Sinnbild zu ſeyn, daß<lb/>
alle Schmach in Ehre, und jeder Schmerz in Freude<lb/>
für ihn verwandelt werde. So ungern er ſich anfangs<lb/>
dieſer ſchimpflichen Theilnahm an dem Kreuze des Herrn<lb/>
unterzogen haben mag — Man denke ſich, wenn man<lb/>
kann, ſeine Freude und Ehre, nachdem der Herr auf-<lb/>
erſtanden und als der König des Himmels angebethet<lb/>
ward. Keiner weiß, was ihm für Ehre wiederfährt,<lb/>
wenn er gewürdigt wird, um des Namens und des<lb/>
Evangeliums Chriſti willen Schmach zu leiden. Darum<lb/>
hinderte es auch Chriſtus nicht, daß Simon neben Ihm<lb/>
und um Seinetwillen durch den Muthwill der Soldaten<lb/>ſo beſchimpft wurde. Er ſahe die Freude voraus, die<lb/>
in wenigen Tagen aus dieſer peinlichen Gemüthsverfaſ-<lb/>ſung für ihn erwachſen würde — Sahe voraus die<lb/>
Ewigkeiten, die es ihn freuen würde, ein ſo naher Zeuge<lb/>
des leidenden Meßias, und ein Erleichterer ſeiner Lei-<lb/>
denslaſt geweſen zu ſeyn. Was wir jetzo noch um Chri-<lb/>ſtuswillen und nach ſeinem Willen leiden, das ſieht Chri-<lb/>ſtus ſo an, als ob wir Ihm etwas von ſeiner Leidens-<lb/>
laſt abgenommen und Ihm tragen geholfen hätten. —<lb/>
Wohl dem, der die Gnade hat, <hirendition="#fr">Chriſti Kreuz täg-<lb/>
lich auf ſich zu nehmen.</hi></p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">233. Sie</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[516[536]/0544]
Matthäus XXVII.
vom Felde kommender, vermuthlich Mitleid äuſſernder
Mann, Simon, ein Vater von zween nachherigen
Chriſten, Alexanders und Rufus, mußte Ihm das
Kreuz nachtragen helfen, und war beſtimmt, für alle
künftige Chriſten ein lehrendes Sinnbild zu ſeyn, daß
alle Schmach in Ehre, und jeder Schmerz in Freude
für ihn verwandelt werde. So ungern er ſich anfangs
dieſer ſchimpflichen Theilnahm an dem Kreuze des Herrn
unterzogen haben mag — Man denke ſich, wenn man
kann, ſeine Freude und Ehre, nachdem der Herr auf-
erſtanden und als der König des Himmels angebethet
ward. Keiner weiß, was ihm für Ehre wiederfährt,
wenn er gewürdigt wird, um des Namens und des
Evangeliums Chriſti willen Schmach zu leiden. Darum
hinderte es auch Chriſtus nicht, daß Simon neben Ihm
und um Seinetwillen durch den Muthwill der Soldaten
ſo beſchimpft wurde. Er ſahe die Freude voraus, die
in wenigen Tagen aus dieſer peinlichen Gemüthsverfaſ-
ſung für ihn erwachſen würde — Sahe voraus die
Ewigkeiten, die es ihn freuen würde, ein ſo naher Zeuge
des leidenden Meßias, und ein Erleichterer ſeiner Lei-
denslaſt geweſen zu ſeyn. Was wir jetzo noch um Chri-
ſtuswillen und nach ſeinem Willen leiden, das ſieht Chri-
ſtus ſo an, als ob wir Ihm etwas von ſeiner Leidens-
laſt abgenommen und Ihm tragen geholfen hätten. —
Wohl dem, der die Gnade hat, Chriſti Kreuz täg-
lich auf ſich zu nehmen.
233. Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 516[536]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/544>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.