"Bist du der?" Fragte Ihn Pilatus -- vermuthlich ohne klare Einsicht in den Sinn der Anklage und der Frage. Jesus sagte sogleich -- "Wie du sagst. &q;Ein König bin ich, aber von Mir hat der römische &q;Stuhl, wie du leicht sehen wirst, nicht das mindeste &q;zu besorgen. Ich herrsche durch Geist und Wahr- &q;heit über die Herzen. Seelen und Geister sind meine &q;Unterthanen." -- Das war der Hauptsinn des Wor- tes -- Ich bin ein König, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener streiten, daß ich den Juden nicht überantwortet würde. Nun aber ist mein Reich nicht von dannen. Das heißt Paulus ein gutes Bekenntniß, das Jesus vor Pontius Pilatus ablegte. Jesus ist König in einem viel eigentlicheren Sinn, als immer ein Kö- nig dieser Erde diesen Namen verdient. Er herrscht Göttlich, das ist, wie Gott, über die Geister- und Cörperwelt. Sein ganzes Leben ist ein Beweis seiner königlichen Würde, selner überweltlichen Macht; Ein stilles Herrschen des göttlichen Geistes über die Natur und Menschen. Nicht nur Pilatus nicht, kein Apostel vor und nach dem Pfingstfest, kein Christ und kein En- gel kann das Wort des Herren ganz verstehen: Ich bin der König der Juden, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt. Sowohl die Austheilung als die Dauer, sowohl die Kräfte als die Seeligkeiten des Reiches Christi sind unermeßlich und unergründlich.
Auf
Matthäus XXVII.
„Biſt du der?“ Fragte Ihn Pilatus — vermuthlich ohne klare Einſicht in den Sinn der Anklage und der Frage. Jeſus ſagte ſogleich — „Wie du ſagſt. &q;Ein König bin ich, aber von Mir hat der römiſche &q;Stuhl, wie du leicht ſehen wirſt, nicht das mindeſte &q;zu beſorgen. Ich herrſche durch Geiſt und Wahr- &q;heit über die Herzen. Seelen und Geiſter ſind meine &q;Unterthanen.“ — Das war der Hauptſinn des Wor- tes — Ich bin ein König, aber mein Reich iſt nicht von dieſer Welt. Wäre mein Reich von dieſer Welt, ſo würden meine Diener ſtreiten, daß ich den Juden nicht überantwortet würde. Nun aber iſt mein Reich nicht von dannen. Das heißt Paulus ein gutes Bekenntniß, das Jeſus vor Pontius Pilatus ablegte. Jeſus iſt König in einem viel eigentlicheren Sinn, als immer ein Kö- nig dieſer Erde dieſen Namen verdient. Er herrſcht Göttlich, das iſt, wie Gott, über die Geiſter- und Cörperwelt. Sein ganzes Leben iſt ein Beweis ſeiner königlichen Würde, ſelner überweltlichen Macht; Ein ſtilles Herrſchen des göttlichen Geiſtes über die Natur und Menſchen. Nicht nur Pilatus nicht, kein Apoſtel vor und nach dem Pfingſtfeſt, kein Chriſt und kein En- gel kann das Wort des Herren ganz verſtehen: Ich bin der König der Juden, aber mein Reich iſt nicht von dieſer Welt. Sowohl die Austheilung als die Dauer, ſowohl die Kräfte als die Seeligkeiten des Reiches Chriſti ſind unermeßlich und unergründlich.
Auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0534"n="506[526]"/><fwplace="top"type="header">Matthäus <hirendition="#aq">XXVII.</hi></fw><lb/>„Biſt du der?“ Fragte Ihn Pilatus — vermuthlich<lb/>
ohne klare Einſicht in den Sinn der Anklage und der<lb/>
Frage. <hirendition="#fr">Jeſus</hi>ſagte ſogleich —„<hirendition="#fr">Wie du ſagſt.</hi><lb/>&q;Ein König bin ich, aber von Mir hat der römiſche<lb/>&q;Stuhl, wie du leicht ſehen wirſt, nicht das mindeſte<lb/>&q;zu beſorgen. Ich herrſche durch Geiſt und Wahr-<lb/>&q;heit über die Herzen. Seelen und Geiſter ſind meine<lb/>&q;Unterthanen.“— Das war der Hauptſinn des Wor-<lb/>
tes —<hirendition="#fr">Ich bin ein König, aber mein Reich iſt<lb/>
nicht von dieſer Welt. Wäre mein Reich von<lb/>
dieſer Welt, ſo würden meine Diener ſtreiten,<lb/>
daß ich den Juden nicht überantwortet würde.<lb/>
Nun aber iſt mein Reich nicht von dannen.</hi><lb/>
Das heißt Paulus ein <hirendition="#fr">gutes Bekenntniß,</hi> das Jeſus<lb/>
vor Pontius Pilatus ablegte. Jeſus iſt König in<lb/>
einem viel eigentlicheren Sinn, als immer ein Kö-<lb/>
nig dieſer Erde dieſen Namen verdient. Er herrſcht<lb/>
Göttlich, das iſt, wie Gott, über die Geiſter- und<lb/>
Cörperwelt. Sein ganzes Leben iſt ein Beweis ſeiner<lb/>
königlichen Würde, ſelner überweltlichen Macht; Ein<lb/>ſtilles Herrſchen des göttlichen Geiſtes über die Natur<lb/>
und Menſchen. Nicht nur Pilatus nicht, kein Apoſtel<lb/>
vor und nach dem Pfingſtfeſt, kein Chriſt und kein En-<lb/>
gel kann das Wort des Herren ganz verſtehen: <hirendition="#fr">Ich<lb/>
bin der König der Juden, aber mein Reich iſt<lb/>
nicht von dieſer Welt.</hi> Sowohl die Austheilung<lb/>
als die Dauer, ſowohl die Kräfte als die Seeligkeiten<lb/>
des Reiches Chriſti ſind unermeßlich und unergründlich.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Auf</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[506[526]/0534]
Matthäus XXVII.
„Biſt du der?“ Fragte Ihn Pilatus — vermuthlich
ohne klare Einſicht in den Sinn der Anklage und der
Frage. Jeſus ſagte ſogleich — „Wie du ſagſt.
&q;Ein König bin ich, aber von Mir hat der römiſche
&q;Stuhl, wie du leicht ſehen wirſt, nicht das mindeſte
&q;zu beſorgen. Ich herrſche durch Geiſt und Wahr-
&q;heit über die Herzen. Seelen und Geiſter ſind meine
&q;Unterthanen.“ — Das war der Hauptſinn des Wor-
tes — Ich bin ein König, aber mein Reich iſt
nicht von dieſer Welt. Wäre mein Reich von
dieſer Welt, ſo würden meine Diener ſtreiten,
daß ich den Juden nicht überantwortet würde.
Nun aber iſt mein Reich nicht von dannen.
Das heißt Paulus ein gutes Bekenntniß, das Jeſus
vor Pontius Pilatus ablegte. Jeſus iſt König in
einem viel eigentlicheren Sinn, als immer ein Kö-
nig dieſer Erde dieſen Namen verdient. Er herrſcht
Göttlich, das iſt, wie Gott, über die Geiſter- und
Cörperwelt. Sein ganzes Leben iſt ein Beweis ſeiner
königlichen Würde, ſelner überweltlichen Macht; Ein
ſtilles Herrſchen des göttlichen Geiſtes über die Natur
und Menſchen. Nicht nur Pilatus nicht, kein Apoſtel
vor und nach dem Pfingſtfeſt, kein Chriſt und kein En-
gel kann das Wort des Herren ganz verſtehen: Ich
bin der König der Juden, aber mein Reich iſt
nicht von dieſer Welt. Sowohl die Austheilung
als die Dauer, ſowohl die Kräfte als die Seeligkeiten
des Reiches Chriſti ſind unermeßlich und unergründlich.
Auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 506[526]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/534>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.