der Wahrheit abweicht, weicht von Gott ab. Wer kei- ne Freude an der Wahrheit hat, kann an Gott, dem Vater der Wahrheit keine Freude haben. Der ist un- endlich fern von der Jüngerschaft Christi -- der lügen und verläumden kann. Keine Laster sind gemeiner, und keine schrecklicher, als Lüge und Verläumdung der Un- schuld -- und besonders die Wortverdrehungen. Wer auf Witz und Erzählungsgabe Anspruch macht, ist in großer Versuchung, ein Verläumder, ein falscher Zeuge wider Jesum -- noch einmahl erlaubt mir das unhöf- liche, unserm feinen unbiblischen Zeitalter unerträgliche Wort -- ein Werkzeug des Teufels, ein Sprach- rohr der Hölle zu seyn.
Besonders sollten alle Verläumder Christi, des Christenthums, und der Christen sich in dem Bilde der falschen Zeugen erkennen; Alle falschen Anführer der Schriftstellen; Alle, die die Worte Christi und der Apo- stel aus ihrem Zusammenhang herausreissen, und die unwissenden, unbefestneten und leidenschaftlichen See- len dadurch irre führen.
Und nun noch ein Wort von dem Betragen Jesu gegen die falschen Zeugen -- Da der Hohepriester aufstand und zu Ihm sagte: Antwortest du nichts? Was zeugen diese wider dich -- schwieg Jesus. Keinem Menschen ist's schwehrer zu antworten, als ei- nem gedungenen, leidenschaftlichen Wortverdreher. Wer sich nicht überzeugen lassen will, an dem ist jedes Wort der Belehrung und Zurechtweisung verlohren.
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Falſche Zeugen.
der Wahrheit abweicht, weicht von Gott ab. Wer kei- ne Freude an der Wahrheit hat, kann an Gott, dem Vater der Wahrheit keine Freude haben. Der iſt un- endlich fern von der Jüngerſchaft Chriſti — der lügen und verläumden kann. Keine Laſter ſind gemeiner, und keine ſchrecklicher, als Lüge und Verläumdung der Un- ſchuld — und beſonders die Wortverdrehungen. Wer auf Witz und Erzählungsgabe Anſpruch macht, iſt in großer Verſuchung, ein Verläumder, ein falſcher Zeuge wider Jeſum — noch einmahl erlaubt mir das unhöf- liche, unſerm feinen unbibliſchen Zeitalter unerträgliche Wort — ein Werkzeug des Teufels, ein Sprach- rohr der Hölle zu ſeyn.
Beſonders ſollten alle Verläumder Chriſti, des Chriſtenthums, und der Chriſten ſich in dem Bilde der falſchen Zeugen erkennen; Alle falſchen Anführer der Schriftſtellen; Alle, die die Worte Chriſti und der Apo- ſtel aus ihrem Zuſammenhang herausreiſſen, und die unwiſſenden, unbefeſtneten und leidenſchaftlichen See- len dadurch irre führen.
Und nun noch ein Wort von dem Betragen Jeſu gegen die falſchen Zeugen — Da der Hoheprieſter aufſtand und zu Ihm ſagte: Antworteſt du nichts? Was zeugen dieſe wider dich — ſchwieg Jeſus. Keinem Menſchen iſt’s ſchwehrer zu antworten, als ei- nem gedungenen, leidenſchaftlichen Wortverdreher. Wer ſich nicht überzeugen laſſen will, an dem iſt jedes Wort der Belehrung und Zurechtweiſung verlohren.
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[483[503]/0511]
Falſche Zeugen.
der Wahrheit abweicht, weicht von Gott ab. Wer kei-
ne Freude an der Wahrheit hat, kann an Gott, dem
Vater der Wahrheit keine Freude haben. Der iſt un-
endlich fern von der Jüngerſchaft Chriſti — der lügen
und verläumden kann. Keine Laſter ſind gemeiner, und
keine ſchrecklicher, als Lüge und Verläumdung der Un-
ſchuld — und beſonders die Wortverdrehungen. Wer
auf Witz und Erzählungsgabe Anſpruch macht, iſt in
großer Verſuchung, ein Verläumder, ein falſcher Zeuge
wider Jeſum — noch einmahl erlaubt mir das unhöf-
liche, unſerm feinen unbibliſchen Zeitalter unerträgliche
Wort — ein Werkzeug des Teufels, ein Sprach-
rohr der Hölle zu ſeyn.
Beſonders ſollten alle Verläumder Chriſti, des
Chriſtenthums, und der Chriſten ſich in dem Bilde der
falſchen Zeugen erkennen; Alle falſchen Anführer der
Schriftſtellen; Alle, die die Worte Chriſti und der Apo-
ſtel aus ihrem Zuſammenhang herausreiſſen, und die
unwiſſenden, unbefeſtneten und leidenſchaftlichen See-
len dadurch irre führen.
Und nun noch ein Wort von dem Betragen Jeſu
gegen die falſchen Zeugen — Da der Hoheprieſter
aufſtand und zu Ihm ſagte: Antworteſt du nichts?
Was zeugen dieſe wider dich — ſchwieg Jeſus.
Keinem Menſchen iſt’s ſchwehrer zu antworten, als ei-
nem gedungenen, leidenſchaftlichen Wortverdreher.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 483[503]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/511>, abgerufen am 24.11.2024.
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