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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Seelenangst Jesu.
Nicht, wie Ich will! Wie Du willst -- "Es ist
&q;herbe, was Ich leide. Alle meine Kräfte sind ge-
&q;spannt und gedrückt -- Ich bin am äussersten Punkt!
&q;Weiter kann ich nicht -- Soll ich hinabstürzen? Willst
&q;du, ich will es auch! -- Doch ist's möglich, so gehe
&q;der herbe Marterkelch vorüber." Drey solche -- ge-
wiß unbeschreibliche Kämpfe hatte der Herr auszukäm-
pfen, bevor Er zur Ruhe -- zum Uebergewichte kam;
Bis Er gestärkt, und also sein Gebeth, so sehr wie
möglich, erhört wurde. --

Erhört -- sag' ich, denn nach Lukas, kam ein
Engel vom Himmel und stärkete Ihn,
seine kör-
perlichen Kräfte, seine Seele durch beruhigende heitere
Vorstellungen -- Erhört, denn der Leidenskelch
gieng vorüber.
Das heißt: Das unabsehliche, das
unendlichscheinende seines Schicksales fieng an Ihm,
aus einem andern Gesichtspunkt angesehen, kurz zu
scheinen. Erhört -- Denn der, sagt Paulus, derHebr. V. 7.
in den Tagen seines Fleisches Gebeth und Fle-
hen mit starkem Geschrey und Thränen geopfert
vor dem, der Ihn vom Tod erlösen konnte, hat
Ihn erhöret, darum daß Er Ihn in Ehren hat-
te.
Die Auferweckung ward die völligste Erhörung
des Wesentlichsten seines Gebethes -- Die Krone aller
seiner Wünsche.

Uebrigens gehört ganz hieher alles, was in dem
geist- und geheimnißvollen Briefe an die Hebräer so oft
stehet, und so wenig beherzigt wird -- daß Christus

in
G g

Seelenangſt Jeſu.
Nicht, wie Ich will! Wie Du willſt — „Es iſt
&q;herbe, was Ich leide. Alle meine Kräfte ſind ge-
&q;ſpannt und gedrückt — Ich bin am äuſſerſten Punkt!
&q;Weiter kann ich nicht — Soll ich hinabſtürzen? Willſt
&q;du, ich will es auch! — Doch iſt’s möglich, ſo gehe
&q;der herbe Marterkelch vorüber.„ Drey ſolche — ge-
wiß unbeſchreibliche Kämpfe hatte der Herr auszukäm-
pfen, bevor Er zur Ruhe — zum Uebergewichte kam;
Bis Er geſtärkt, und alſo ſein Gebeth, ſo ſehr wie
möglich, erhört wurde. —

Erhört — ſag’ ich, denn nach Lukas, kam ein
Engel vom Himmel und ſtärkete Ihn,
ſeine kör-
perlichen Kräfte, ſeine Seele durch beruhigende heitere
Vorſtellungen — Erhört, denn der Leidenskelch
gieng vorüber.
Das heißt: Das unabſehliche, das
unendlichſcheinende ſeines Schickſales fieng an Ihm,
aus einem andern Geſichtspunkt angeſehen, kurz zu
ſcheinen. Erhört — Denn der, ſagt Paulus, derHebr. V. 7.
in den Tagen ſeines Fleiſches Gebeth und Fle-
hen mit ſtarkem Geſchrey und Thränen geopfert
vor dem, der Ihn vom Tod erlöſen konnte, hat
Ihn erhöret, darum daß Er Ihn in Ehren hat-
te.
Die Auferweckung ward die völligſte Erhörung
des Weſentlichſten ſeines Gebethes — Die Krone aller
ſeiner Wünſche.

Uebrigens gehört ganz hieher alles, was in dem
geiſt- und geheimnißvollen Briefe an die Hebräer ſo oft
ſtehet, und ſo wenig beherzigt wird — daß Chriſtus

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[465[485]/0493] Seelenangſt Jeſu. Nicht, wie Ich will! Wie Du willſt — „Es iſt &q;herbe, was Ich leide. Alle meine Kräfte ſind ge- &q;ſpannt und gedrückt — Ich bin am äuſſerſten Punkt! &q;Weiter kann ich nicht — Soll ich hinabſtürzen? Willſt &q;du, ich will es auch! — Doch iſt’s möglich, ſo gehe &q;der herbe Marterkelch vorüber.„ Drey ſolche — ge- wiß unbeſchreibliche Kämpfe hatte der Herr auszukäm- pfen, bevor Er zur Ruhe — zum Uebergewichte kam; Bis Er geſtärkt, und alſo ſein Gebeth, ſo ſehr wie möglich, erhört wurde. — Erhört — ſag’ ich, denn nach Lukas, kam ein Engel vom Himmel und ſtärkete Ihn, ſeine kör- perlichen Kräfte, ſeine Seele durch beruhigende heitere Vorſtellungen — Erhört, denn der Leidenskelch gieng vorüber. Das heißt: Das unabſehliche, das unendlichſcheinende ſeines Schickſales fieng an Ihm, aus einem andern Geſichtspunkt angeſehen, kurz zu ſcheinen. Erhört — Denn der, ſagt Paulus, der in den Tagen ſeines Fleiſches Gebeth und Fle- hen mit ſtarkem Geſchrey und Thränen geopfert vor dem, der Ihn vom Tod erlöſen konnte, hat Ihn erhöret, darum daß Er Ihn in Ehren hat- te. Die Auferweckung ward die völligſte Erhörung des Weſentlichſten ſeines Gebethes — Die Krone aller ſeiner Wünſche. Hebr. V. 7. Uebrigens gehört ganz hieher alles, was in dem geiſt- und geheimnißvollen Briefe an die Hebräer ſo oft ſtehet, und ſo wenig beherzigt wird — daß Chriſtus in G g

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 465[485]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/493>, abgerufen am 23.11.2024.