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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Verkündigung des Leidens.
Gedanken angefüllten Jünger. Je näher es zur Wirk-
lichkeit kam, desto dringender und bestimmter sprach Er
von dem, was Ihm bevorstand. Sie sollten lernen,
daß Ihm nichts von ungefähr, Alles nach dem Vorher-
wissen und Plane des Vaters wiederfahren würde. Er
wußte, daß obgleich die Priesterschaft seinen Tod bis
nach dem Feste des Ueberschnitt verschoben wissen wollte, sei-
ne Aufopferung gerad auf diese Zeit von dem bestimmt sey,
der aller Zeiten Bestimmung in seiner eigenen Ge-
walt hat -- der den Rathschlag der Völker zer-
stört, und dessen Herzensgedanken für und für
bleiben.

Unser Herr stellt ihnen das Schrecklichste, Furcht-
barste so nahe wie möglich -- Er schneidet ihnen alle
Hofnung zu weltlicher Reichsherrlichkeit geradezu ab.
Der Meßias, den Heiden überliefert und gekreu-
zigt,
war das Unglaublichste, was gesagt werden konnte
-- was so sehr wie möglich allen ihren Gedanken und Er-
wartungen entgegen war. Aber, nun mußten sie an diesen
Gedanken gewöhnt -- Er mußte ihnen immer und im-
mer wieder aufgedrungen werden, damit sie nicht gar
zu sehr erlägen, wenn das Unglaublichste wirklich ge-
schehen würde; Damit ihnen immer noch das wenigstens
übrig bliebe, woran sich ihr wankender Glaube halten
konnte -- "Er hat uns doch alles, auch das Unglaub-
"lichste vorhergesagt --"

204.

Da versammelten sich die Hohenpriester undMatth.
XXVI. 3-5.

Schriftgelehrten, und die Aeltesten im Volk, in

den
E e 4

Verkündigung des Leidens.
Gedanken angefüllten Jünger. Je näher es zur Wirk-
lichkeit kam, deſto dringender und beſtimmter ſprach Er
von dem, was Ihm bevorſtand. Sie ſollten lernen,
daß Ihm nichts von ungefähr, Alles nach dem Vorher-
wiſſen und Plane des Vaters wiederfahren würde. Er
wußte, daß obgleich die Prieſterſchaft ſeinen Tod bis
nach dem Feſte des Ueberſchnitt verſchoben wiſſen wollte, ſei-
ne Aufopferung gerad auf dieſe Zeit von dem beſtimmt ſey,
der aller Zeiten Beſtimmung in ſeiner eigenen Ge-
walt hat — der den Rathſchlag der Völker zer-
ſtört, und deſſen Herzensgedanken für und für
bleiben.

Unſer Herr ſtellt ihnen das Schrecklichſte, Furcht-
barſte ſo nahe wie möglich — Er ſchneidet ihnen alle
Hofnung zu weltlicher Reichsherrlichkeit geradezu ab.
Der Meßias, den Heiden überliefert und gekreu-
zigt,
war das Unglaublichſte, was geſagt werden konnte
— was ſo ſehr wie möglich allen ihren Gedanken und Er-
wartungen entgegen war. Aber, nun mußten ſie an dieſen
Gedanken gewöhnt — Er mußte ihnen immer und im-
mer wieder aufgedrungen werden, damit ſie nicht gar
zu ſehr erlägen, wenn das Unglaublichſte wirklich ge-
ſchehen würde; Damit ihnen immer noch das wenigſtens
übrig bliebe, woran ſich ihr wankender Glaube halten
konnte — „Er hat uns doch alles, auch das Unglaub-
„lichſte vorhergeſagt —„

204.

Da verſammelten ſich die Hohenprieſter undMatth.
XXVI. 3-5.

Schriftgelehrten, und die Aelteſten im Volk, in

den
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[439[459]/0467] Verkündigung des Leidens. Gedanken angefüllten Jünger. Je näher es zur Wirk- lichkeit kam, deſto dringender und beſtimmter ſprach Er von dem, was Ihm bevorſtand. Sie ſollten lernen, daß Ihm nichts von ungefähr, Alles nach dem Vorher- wiſſen und Plane des Vaters wiederfahren würde. Er wußte, daß obgleich die Prieſterſchaft ſeinen Tod bis nach dem Feſte des Ueberſchnitt verſchoben wiſſen wollte, ſei- ne Aufopferung gerad auf dieſe Zeit von dem beſtimmt ſey, der aller Zeiten Beſtimmung in ſeiner eigenen Ge- walt hat — der den Rathſchlag der Völker zer- ſtört, und deſſen Herzensgedanken für und für bleiben. Unſer Herr ſtellt ihnen das Schrecklichſte, Furcht- barſte ſo nahe wie möglich — Er ſchneidet ihnen alle Hofnung zu weltlicher Reichsherrlichkeit geradezu ab. Der Meßias, den Heiden überliefert und gekreu- zigt, war das Unglaublichſte, was geſagt werden konnte — was ſo ſehr wie möglich allen ihren Gedanken und Er- wartungen entgegen war. Aber, nun mußten ſie an dieſen Gedanken gewöhnt — Er mußte ihnen immer und im- mer wieder aufgedrungen werden, damit ſie nicht gar zu ſehr erlägen, wenn das Unglaublichſte wirklich ge- ſchehen würde; Damit ihnen immer noch das wenigſtens übrig bliebe, woran ſich ihr wankender Glaube halten konnte — „Er hat uns doch alles, auch das Unglaub- „lichſte vorhergeſagt —„ 204. Da verſammelten ſich die Hohenprieſter und Schriftgelehrten, und die Aelteſten im Volk, in den Matth. XXVI. 3-5. E e 4

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 439[459]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/467>, abgerufen am 23.11.2024.