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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Rechenschaft. Belohnung.
der so gerne, so königlich, so überschwenglich belohnt.
Laßt uns bemerken, daß der mit fünf und der mit zween
Talenten, welche sie beyde verdoppelt haben, von ihrem
Herrn gleich angeredet und gleich belohnet werden. Also
nicht die Verschiedenheit in der Grösse, sondern die
Verschiedenheit im Gebrauche der Talente ist's, was
Wohlgefallen, oder Mißfallen des Herrn zuzieht. War
doch der Unterschied zwischen Fünf und Zween grösser
als der zwischen Zween und Einem. Laßt uns bemer-
ken, daß der Herr sagt, auch zu dem mit fünf Talen-
ten: "Du bist über wenig treu gewesen." Also ist
alles noch wenig, was wir hier haben, auch das we-
nig, was der ausgezeichneteste empfangen hat, in Verglei-
chung mit dem, was er in der Zukunft empfangen soll.
Laßt uns ferner das Wort bemerken: Geh ein in die
Freude deines Herrn;
Also am Genusse seines Herrn
soll er Theil nehmen; Ihm soll er ähnlich werden; In
Seiner Nähe soll er seine Belohnung geniessen. --
Wer für den Herrn arbeitet, der arbeitet für sich. Diese
Stelle, Brüder, giebt uns, meines Bedünkens den rich-
tigsten (philosophischen und praktischen) für Verstand und
Herz lehrreichsten Aufschluß von den Belohnungen der
Zukunft. Sie stehen mit dem Gebrauche, den wir
hienieden von unsern Kräften machen, im genauesten
Verhältnisse -- obgleich alles Gnade ist. Wir werden
so vieles empfangen, als wir empfangen können. So
viel willkührliche Macht wird uns gegeben werden, als
unsere sittliche Kraft zu gebrauchen fähig seyn wird.

4. Als

Rechenſchaft. Belohnung.
der ſo gerne, ſo königlich, ſo überſchwenglich belohnt.
Laßt uns bemerken, daß der mit fünf und der mit zween
Talenten, welche ſie beyde verdoppelt haben, von ihrem
Herrn gleich angeredet und gleich belohnet werden. Alſo
nicht die Verſchiedenheit in der Gröſſe, ſondern die
Verſchiedenheit im Gebrauche der Talente iſt’s, was
Wohlgefallen, oder Mißfallen des Herrn zuzieht. War
doch der Unterſchied zwiſchen Fünf und Zween gröſſer
als der zwiſchen Zween und Einem. Laßt uns bemer-
ken, daß der Herr ſagt, auch zu dem mit fünf Talen-
ten: „Du biſt über wenig treu geweſen.„ Alſo iſt
alles noch wenig, was wir hier haben, auch das we-
nig, was der ausgezeichneteſte empfangen hat, in Verglei-
chung mit dem, was er in der Zukunft empfangen ſoll.
Laßt uns ferner das Wort bemerken: Geh ein in die
Freude deines Herrn;
Alſo am Genuſſe ſeines Herrn
ſoll er Theil nehmen; Ihm ſoll er ähnlich werden; In
Seiner Nähe ſoll er ſeine Belohnung genieſſen. —
Wer für den Herrn arbeitet, der arbeitet für ſich. Dieſe
Stelle, Brüder, giebt uns, meines Bedünkens den rich-
tigſten (philoſophiſchen und praktiſchen) für Verſtand und
Herz lehrreichſten Aufſchluß von den Belohnungen der
Zukunft. Sie ſtehen mit dem Gebrauche, den wir
hienieden von unſern Kräften machen, im genaueſten
Verhältniſſe — obgleich alles Gnade iſt. Wir werden
ſo vieles empfangen, als wir empfangen können. So
viel willkührliche Macht wird uns gegeben werden, als
unſere ſittliche Kraft zu gebrauchen fähig ſeyn wird.

4. Als
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[431[451]/0459] Rechenſchaft. Belohnung. der ſo gerne, ſo königlich, ſo überſchwenglich belohnt. Laßt uns bemerken, daß der mit fünf und der mit zween Talenten, welche ſie beyde verdoppelt haben, von ihrem Herrn gleich angeredet und gleich belohnet werden. Alſo nicht die Verſchiedenheit in der Gröſſe, ſondern die Verſchiedenheit im Gebrauche der Talente iſt’s, was Wohlgefallen, oder Mißfallen des Herrn zuzieht. War doch der Unterſchied zwiſchen Fünf und Zween gröſſer als der zwiſchen Zween und Einem. Laßt uns bemer- ken, daß der Herr ſagt, auch zu dem mit fünf Talen- ten: „Du biſt über wenig treu geweſen.„ Alſo iſt alles noch wenig, was wir hier haben, auch das we- nig, was der ausgezeichneteſte empfangen hat, in Verglei- chung mit dem, was er in der Zukunft empfangen ſoll. Laßt uns ferner das Wort bemerken: Geh ein in die Freude deines Herrn; Alſo am Genuſſe ſeines Herrn ſoll er Theil nehmen; Ihm ſoll er ähnlich werden; In Seiner Nähe ſoll er ſeine Belohnung genieſſen. — Wer für den Herrn arbeitet, der arbeitet für ſich. Dieſe Stelle, Brüder, giebt uns, meines Bedünkens den rich- tigſten (philoſophiſchen und praktiſchen) für Verſtand und Herz lehrreichſten Aufſchluß von den Belohnungen der Zukunft. Sie ſtehen mit dem Gebrauche, den wir hienieden von unſern Kräften machen, im genaueſten Verhältniſſe — obgleich alles Gnade iſt. Wir werden ſo vieles empfangen, als wir empfangen können. So viel willkührliche Macht wird uns gegeben werden, als unſere ſittliche Kraft zu gebrauchen fähig ſeyn wird. 4. Als

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 431[451]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/459>, abgerufen am 23.11.2024.