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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXIII.
ten, liessen sie nicht hineinkommen. Ach, wen
Jesus Christus, wen die lieblichste, wehmühthigste,
sehnsuchtsvolle Erbarmung zu sich ruft -- und wer dann
nicht will, vor dem Rufe sich verhärtet, wer dem zärt-
lichsten innigsten Herzen ein Felsenherz entgegensetzt --
Wer den hindert, der dem Rufe folgen will, ihn ge-
waltsam zurückreißt, ohne ihm auch ein Schärfgen an
die Talente geben zu können, die er ihm grausam rau-
bet -- beßte, brüderlichste Seele, hast du Thränen ge-
nug, das Elend des unseeligsten zu beweinen! Ach, Je-
sus Christus,
du zärtlichstes, mildestes Menschen-
herz! Erbarmer und Retter alles Verlohrnen! Ist's
möglich deine Stimme, Einen Laut deines Mundes zu
hören und -- zu Dir zu sagen: Ich will nicht! Und
zu dem, der will, zu sagen: Du sollst nicht!

O du, den wir Bruder! nennen dürfen -- Er-
habener auf des Vaters Thron! Ach, Einen von den tau-
send Blicken, ach, Eines von den tausend Worten nur,
womit du einst Prophetenmörder zu dir, wie eine Henne
ihre Jungen versammeln wolltest -- Eines nur zu de-
nen, die im Staube nach deinem Heile sich sehnen und
zu welchen man täglich sagt: Wo ist euer Gott?

176.
Letztes Schicksal der Unverbesserlichen.
Matth.
XXIII. 38.

Siehe, euer Haus wird euch wüste gelas-
sen. Denn Ich sage euch, ihr werdet Mich von
itzt an nicht sehen, bis ihr sprechen werdet: Ge-
benedeyet sey, der da kommt im Namen des Herrn.

Der

Matthäus XXIII.
ten, lieſſen ſie nicht hineinkommen. Ach, wen
Jeſus Chriſtus, wen die lieblichſte, wehmühthigſte,
ſehnſuchtsvolle Erbarmung zu ſich ruft — und wer dann
nicht will, vor dem Rufe ſich verhärtet, wer dem zärt-
lichſten innigſten Herzen ein Felſenherz entgegenſetzt —
Wer den hindert, der dem Rufe folgen will, ihn ge-
waltſam zurückreißt, ohne ihm auch ein Schärfgen an
die Talente geben zu können, die er ihm grauſam rau-
bet — beßte, brüderlichſte Seele, haſt du Thränen ge-
nug, das Elend des unſeeligſten zu beweinen! Ach, Je-
ſus Chriſtus,
du zärtlichſtes, mildeſtes Menſchen-
herz! Erbarmer und Retter alles Verlohrnen! Iſt’s
möglich deine Stimme, Einen Laut deines Mundes zu
hören und — zu Dir zu ſagen: Ich will nicht! Und
zu dem, der will, zu ſagen: Du ſollſt nicht!

O du, den wir Bruder! nennen dürfen — Er-
habener auf des Vaters Thron! Ach, Einen von den tau-
ſend Blicken, ach, Eines von den tauſend Worten nur,
womit du einſt Prophetenmörder zu dir, wie eine Henne
ihre Jungen verſammeln wollteſt — Eines nur zu de-
nen, die im Staube nach deinem Heile ſich ſehnen und
zu welchen man täglich ſagt: Wo iſt euer Gott?

176.
Letztes Schickſal der Unverbeſſerlichen.
Matth.
XXIII. 38.

Siehe, euer Haus wird euch wüſte gelaſ-
ſen. Denn Ich ſage euch, ihr werdet Mich von
itzt an nicht ſehen, bis ihr ſprechen werdet: Ge-
benedeyet ſey, der da kommt im Namen des Herrn.

Der
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[374[394]/0402] Matthäus XXIII. ten, lieſſen ſie nicht hineinkommen. Ach, wen Jeſus Chriſtus, wen die lieblichſte, wehmühthigſte, ſehnſuchtsvolle Erbarmung zu ſich ruft — und wer dann nicht will, vor dem Rufe ſich verhärtet, wer dem zärt- lichſten innigſten Herzen ein Felſenherz entgegenſetzt — Wer den hindert, der dem Rufe folgen will, ihn ge- waltſam zurückreißt, ohne ihm auch ein Schärfgen an die Talente geben zu können, die er ihm grauſam rau- bet — beßte, brüderlichſte Seele, haſt du Thränen ge- nug, das Elend des unſeeligſten zu beweinen! Ach, Je- ſus Chriſtus, du zärtlichſtes, mildeſtes Menſchen- herz! Erbarmer und Retter alles Verlohrnen! Iſt’s möglich deine Stimme, Einen Laut deines Mundes zu hören und — zu Dir zu ſagen: Ich will nicht! Und zu dem, der will, zu ſagen: Du ſollſt nicht! O du, den wir Bruder! nennen dürfen — Er- habener auf des Vaters Thron! Ach, Einen von den tau- ſend Blicken, ach, Eines von den tauſend Worten nur, womit du einſt Prophetenmörder zu dir, wie eine Henne ihre Jungen verſammeln wollteſt — Eines nur zu de- nen, die im Staube nach deinem Heile ſich ſehnen und zu welchen man täglich ſagt: Wo iſt euer Gott? 176. Letztes Schickſal der Unverbeſſerlichen. Siehe, euer Haus wird euch wüſte gelaſ- ſen. Denn Ich ſage euch, ihr werdet Mich von itzt an nicht ſehen, bis ihr ſprechen werdet: Ge- benedeyet ſey, der da kommt im Namen des Herrn. Der

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 374[394]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/402>, abgerufen am 23.11.2024.