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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Unmenschlichkeit der Pharisäer gegen etc.

Lange bethen, um Wittwen und Waysen desto gewis-
ser und ungestrafter an den Bettelstab zu bringen -- --
Siehe da den Heuchler im höchsten, fürchterlichsten Gra-
de! Gutes thun, um sich durch Armuth guter, unschul-
diger Menschen bereichern und seine Lüste sättigen zu
können, das ist die verruchteste unverzeihlichste Heu-
cheley.

Bethe Tage und Nächte; Liege Wochenlang auf
deinen Knieen; Seufze und falte die Hände an jeder
Ecke; -- Versäume keine Predigt; Faste dreymahl in
der Woche; Gieb Allmosen jedem Bettler, der dich auf
der Gasse anspricht oder an deiner Glocke läutet; Wirf
bey öffentlichen Steuern Goldstücke in die Schüssel --
Besuche Wittwen und Waysen und laß dich nie anders
als bey der Bibel sehen -- -- -- damit du -- deine
Schuldner drücken, dein Gesind tyrannisiren, deinen
Arbeitern den Lohn schmählern, Maaß und Gewicht fäl-
schen, das Recht beugen, Geschenke vor Gericht neh-
men, das Erbgut der Wittwen und Waysen verpras-
sen -- und von allen bewundert oder gefürchtet wer-
dest, alle betrügen und elend machen könnest -- Wehe
dir Pharisäer, du Heuchler aller Heuchler! Dein Ge-
richt -- und es schläft nicht -- wird schwehrer seyn als
aller Verbrecher, die unter des Scharfrichters Hand
starben. Was verborgen ist, wird offenbahr wer-Luc.
VIII. 17.

den, was heimlich ist, wird an's Licht kommen.

168.
Z 4
Unmenſchlichkeit der Phariſäer gegen ꝛc.

Lange bethen, um Wittwen und Wayſen deſto gewiſ-
ſer und ungeſtrafter an den Bettelſtab zu bringen — —
Siehe da den Heuchler im höchſten, fürchterlichſten Gra-
de! Gutes thun, um ſich durch Armuth guter, unſchul-
diger Menſchen bereichern und ſeine Lüſte ſättigen zu
können, das iſt die verruchteſte unverzeihlichſte Heu-
cheley.

Bethe Tage und Nächte; Liege Wochenlang auf
deinen Knieen; Seufze und falte die Hände an jeder
Ecke; — Verſäume keine Predigt; Faſte dreymahl in
der Woche; Gieb Allmoſen jedem Bettler, der dich auf
der Gaſſe anſpricht oder an deiner Glocke läutet; Wirf
bey öffentlichen Steuern Goldſtücke in die Schüſſel —
Beſuche Wittwen und Wayſen und laß dich nie anders
als bey der Bibel ſehen — — — damit du — deine
Schuldner drücken, dein Geſind tyranniſiren, deinen
Arbeitern den Lohn ſchmählern, Maaß und Gewicht fäl-
ſchen, das Recht beugen, Geſchenke vor Gericht neh-
men, das Erbgut der Wittwen und Wayſen verpraſ-
ſen — und von allen bewundert oder gefürchtet wer-
deſt, alle betrügen und elend machen könneſt — Wehe
dir Phariſäer, du Heuchler aller Heuchler! Dein Ge-
richt — und es ſchläft nicht — wird ſchwehrer ſeyn als
aller Verbrecher, die unter des Scharfrichters Hand
ſtarben. Was verborgen iſt, wird offenbahr wer-Luc.
VIII. 17.

den, was heimlich iſt, wird an’s Licht kommen.

168.
Z 4
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[359[379]/0387] Unmenſchlichkeit der Phariſäer gegen ꝛc. Lange bethen, um Wittwen und Wayſen deſto gewiſ- ſer und ungeſtrafter an den Bettelſtab zu bringen — — Siehe da den Heuchler im höchſten, fürchterlichſten Gra- de! Gutes thun, um ſich durch Armuth guter, unſchul- diger Menſchen bereichern und ſeine Lüſte ſättigen zu können, das iſt die verruchteſte unverzeihlichſte Heu- cheley. Bethe Tage und Nächte; Liege Wochenlang auf deinen Knieen; Seufze und falte die Hände an jeder Ecke; — Verſäume keine Predigt; Faſte dreymahl in der Woche; Gieb Allmoſen jedem Bettler, der dich auf der Gaſſe anſpricht oder an deiner Glocke läutet; Wirf bey öffentlichen Steuern Goldſtücke in die Schüſſel — Beſuche Wittwen und Wayſen und laß dich nie anders als bey der Bibel ſehen — — — damit du — deine Schuldner drücken, dein Geſind tyranniſiren, deinen Arbeitern den Lohn ſchmählern, Maaß und Gewicht fäl- ſchen, das Recht beugen, Geſchenke vor Gericht neh- men, das Erbgut der Wittwen und Wayſen verpraſ- ſen — und von allen bewundert oder gefürchtet wer- deſt, alle betrügen und elend machen könneſt — Wehe dir Phariſäer, du Heuchler aller Heuchler! Dein Ge- richt — und es ſchläft nicht — wird ſchwehrer ſeyn als aller Verbrecher, die unter des Scharfrichters Hand ſtarben. Was verborgen iſt, wird offenbahr wer- den, was heimlich iſt, wird an’s Licht kommen. Luc. VIII. 17. 168. Z 4

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 359[379]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/387>, abgerufen am 27.07.2024.