Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Matthäus XXII.
ist, seiner Allmacht und Allgenugsamkeit würdigsten Sinn.
Euer eingeschränkter Geist kann den Unendlichen nicht
binden und einschränken; Und alle Spitzfindigkeiten ge-
fühlloser Menschen können die Natur Gottes nicht
verändern -- Uebrigens ist die Beschaffenheit des zu-
künftigen Lebens ganz anders, als der sinnliche, Gott
nicht kennende Mensch sich vorstellen mag. Die Kinder
der Auferstehung, d. i. die, so Christus zur Theil-
nahm an seinem Leben erwecken wird, sind von ganz
anderer Natur, als sterbliche Menschen. Ihre Be-
dürfnisse und ihre Kräfte sind von den Bedürfnissen
und Kräften, die sich in diesem gegenwärtigen Leben bey
uns entwickeln, unendlich verschieden. Die Auferweckten,
Christusähnlichen, wissen nichts mehr von thierischen
Bedürfnissen und sind keinen Gesetzen des Ehestan-
des, die die Beschaffenheit des gegenwärtigen Lebens
nothwendig macht, unterworfen; Obgleich eine viel in-
nigere und geistigere Gemeinschaft zwischen ihnen statt
haben kann, als zwischen den zärtlichsten Ehegenossen die-
ser gegenwärtigen Welt. Alles, was dem Tode vor-
geht oder nachfolgt -- von der Sünde herkömmt oder
zur Sünde führt, ist unendlich fern von ihnen. Nichts
Sterbliches oder Tödtliches kann sie mehr berühren. Sie
haben keinen Sinn mehr für alles was thierisch, sterb-
lich oder tödtlich ist. So wie der sinnliche Mensch, als
solcher, keinen Sinn keinen Geschmack hat an göttlichen
und geistigen Dingen, die sich auf die unsichtbare und
ewige Welt beziehen; So der Unsterbliche, der Christus-
ähnliche; Kein Auge, kein Ohr, keinen Sinn mehr für

das

Matthäus XXII.
iſt, ſeiner Allmacht und Allgenugſamkeit würdigſten Sinn.
Euer eingeſchränkter Geiſt kann den Unendlichen nicht
binden und einſchränken; Und alle Spitzfindigkeiten ge-
fühlloſer Menſchen können die Natur Gottes nicht
verändern — Uebrigens iſt die Beſchaffenheit des zu-
künftigen Lebens ganz anders, als der ſinnliche, Gott
nicht kennende Menſch ſich vorſtellen mag. Die Kinder
der Auferſtehung, d. i. die, ſo Chriſtus zur Theil-
nahm an ſeinem Leben erwecken wird, ſind von ganz
anderer Natur, als ſterbliche Menſchen. Ihre Be-
dürfniſſe und ihre Kräfte ſind von den Bedürfniſſen
und Kräften, die ſich in dieſem gegenwärtigen Leben bey
uns entwickeln, unendlich verſchieden. Die Auferweckten,
Chriſtusähnlichen, wiſſen nichts mehr von thieriſchen
Bedürfniſſen und ſind keinen Geſetzen des Eheſtan-
des, die die Beſchaffenheit des gegenwärtigen Lebens
nothwendig macht, unterworfen; Obgleich eine viel in-
nigere und geiſtigere Gemeinſchaft zwiſchen ihnen ſtatt
haben kann, als zwiſchen den zärtlichſten Ehegenoſſen die-
ſer gegenwärtigen Welt. Alles, was dem Tode vor-
geht oder nachfolgt — von der Sünde herkömmt oder
zur Sünde führt, iſt unendlich fern von ihnen. Nichts
Sterbliches oder Tödtliches kann ſie mehr berühren. Sie
haben keinen Sinn mehr für alles was thieriſch, ſterb-
lich oder tödtlich iſt. So wie der ſinnliche Menſch, als
ſolcher, keinen Sinn keinen Geſchmack hat an göttlichen
und geiſtigen Dingen, die ſich auf die unſichtbare und
ewige Welt beziehen; So der Unſterbliche, der Chriſtus-
ähnliche; Kein Auge, kein Ohr, keinen Sinn mehr für

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0370" n="342[362]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XXII.</hi></fw><lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;einer Allmacht und Allgenug&#x017F;amkeit würdig&#x017F;ten Sinn.<lb/>
Euer einge&#x017F;chränkter Gei&#x017F;t kann den Unendlichen nicht<lb/>
binden und ein&#x017F;chränken; Und alle Spitzfindigkeiten ge-<lb/>
fühllo&#x017F;er Men&#x017F;chen können die Natur Gottes nicht<lb/>
verändern &#x2014; Uebrigens i&#x017F;t die Be&#x017F;chaffenheit des zu-<lb/>
künftigen Lebens ganz anders, als der &#x017F;innliche, Gott<lb/>
nicht kennende Men&#x017F;ch &#x017F;ich vor&#x017F;tellen mag. Die <hi rendition="#fr">Kinder<lb/>
der Aufer&#x017F;tehung,</hi> d. i. die, &#x017F;o Chri&#x017F;tus zur Theil-<lb/>
nahm an <hi rendition="#fr">&#x017F;einem</hi> Leben erwecken wird, &#x017F;ind von ganz<lb/>
anderer Natur, als &#x017F;terbliche Men&#x017F;chen. Ihre Be-<lb/>
dürfni&#x017F;&#x017F;e und ihre Kräfte &#x017F;ind von den Bedürfni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Kräften, die &#x017F;ich in die&#x017F;em gegenwärtigen Leben bey<lb/>
uns entwickeln, unendlich ver&#x017F;chieden. Die Auferweckten,<lb/>
Chri&#x017F;tusähnlichen, wi&#x017F;&#x017F;en nichts mehr von thieri&#x017F;chen<lb/>
Bedürfni&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ind keinen Ge&#x017F;etzen des Ehe&#x017F;tan-<lb/>
des, die die Be&#x017F;chaffenheit des gegenwärtigen Lebens<lb/>
nothwendig macht, unterworfen; Obgleich eine viel in-<lb/>
nigere und gei&#x017F;tigere Gemein&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen ihnen &#x017F;tatt<lb/>
haben kann, als zwi&#x017F;chen den zärtlich&#x017F;ten Ehegeno&#x017F;&#x017F;en die-<lb/>
&#x017F;er gegenwärtigen Welt. Alles, was dem Tode vor-<lb/>
geht oder nachfolgt &#x2014; von der Sünde herkömmt oder<lb/>
zur Sünde führt, i&#x017F;t unendlich fern von ihnen. Nichts<lb/>
Sterbliches oder Tödtliches kann &#x017F;ie mehr berühren. Sie<lb/>
haben keinen Sinn mehr für alles was thieri&#x017F;ch, &#x017F;terb-<lb/>
lich oder tödtlich i&#x017F;t. So wie der &#x017F;innliche Men&#x017F;ch, als<lb/>
&#x017F;olcher, keinen Sinn keinen Ge&#x017F;chmack hat an göttlichen<lb/>
und gei&#x017F;tigen Dingen, die &#x017F;ich auf die un&#x017F;ichtbare und<lb/>
ewige Welt beziehen; So der Un&#x017F;terbliche, der Chri&#x017F;tus-<lb/>
ähnliche; Kein Auge, kein Ohr, keinen Sinn mehr für<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342[362]/0370] Matthäus XXII. iſt, ſeiner Allmacht und Allgenugſamkeit würdigſten Sinn. Euer eingeſchränkter Geiſt kann den Unendlichen nicht binden und einſchränken; Und alle Spitzfindigkeiten ge- fühlloſer Menſchen können die Natur Gottes nicht verändern — Uebrigens iſt die Beſchaffenheit des zu- künftigen Lebens ganz anders, als der ſinnliche, Gott nicht kennende Menſch ſich vorſtellen mag. Die Kinder der Auferſtehung, d. i. die, ſo Chriſtus zur Theil- nahm an ſeinem Leben erwecken wird, ſind von ganz anderer Natur, als ſterbliche Menſchen. Ihre Be- dürfniſſe und ihre Kräfte ſind von den Bedürfniſſen und Kräften, die ſich in dieſem gegenwärtigen Leben bey uns entwickeln, unendlich verſchieden. Die Auferweckten, Chriſtusähnlichen, wiſſen nichts mehr von thieriſchen Bedürfniſſen und ſind keinen Geſetzen des Eheſtan- des, die die Beſchaffenheit des gegenwärtigen Lebens nothwendig macht, unterworfen; Obgleich eine viel in- nigere und geiſtigere Gemeinſchaft zwiſchen ihnen ſtatt haben kann, als zwiſchen den zärtlichſten Ehegenoſſen die- ſer gegenwärtigen Welt. Alles, was dem Tode vor- geht oder nachfolgt — von der Sünde herkömmt oder zur Sünde führt, iſt unendlich fern von ihnen. Nichts Sterbliches oder Tödtliches kann ſie mehr berühren. Sie haben keinen Sinn mehr für alles was thieriſch, ſterb- lich oder tödtlich iſt. So wie der ſinnliche Menſch, als ſolcher, keinen Sinn keinen Geſchmack hat an göttlichen und geiſtigen Dingen, die ſich auf die unſichtbare und ewige Welt beziehen; So der Unſterbliche, der Chriſtus- ähnliche; Kein Auge, kein Ohr, keinen Sinn mehr für das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/370
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 342[362]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/370>, abgerufen am 27.07.2024.