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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXI.
bange Ahndung, die sich bey dem Wort in seinem In-
nersten regen will: Der Stein, den die Bauleute
verworfen, der ist zum Eckstein worden -- Ein
jeder, der auf diesen Stein fallen wird, der wird
in Stücke brechen; Auf welchen er aber fallen
wird, den wird er zermürsen.
Noch einmahl: Mit
warmer Seele schreib' ich's .. Mögte Gott diesem Wor-
te Kraft geben -- Was geschehen ist, lehre, was
geschehen wird!
Einmahl kann ein König (incognito)
unbekannt und verkleidet sich mißhandeln lassen -- Ent-
scheidet -- ob zweymahl? Ob ungestraft zum zweyten-
mahle von denen, die die erste Mishandlung des Miß-
kannten -- wissen; Wissen das Schicksal der ersten Miß-
handler -- wissen, daß die, so den Herrn des Wein-
gartens zum Weingarten hinausstiessen, übel um-
gebracht worden sind
-- wissen, daß der Wein-
garten andern Weingärtnern verliehen worden!

-- Entscheide! Gewissen deren, die dieß lesen, und die-
sen Eckstein verwerfen!

4. Dieß Gleichniß enthält, wie gesagt, nicht nur
die Geschichte der Verstoßung Jesu von der jüdischen
Priesterschaft; Es enthält die fortgehende Geschichte
aller Jahrhunderte. Die Menschen sind sich immer
gleich, so wie Gott und Religion sich immer gleich sind.
Es geschiehet nichts neues unter der Sonne. Un-
ter allen Gestalten geht dieselbe Sünde umher -- Im-
mer dieselbe Antipathie, (Widerwille) derselbe geschwor-
ne, unversöhnliche Haß des Satans gegen Jesus, und
gegen alles, was Jesus allerheiligste Person herzlich

ehrt,

Matthäus XXI.
bange Ahndung, die ſich bey dem Wort in ſeinem In-
nerſten regen will: Der Stein, den die Bauleute
verworfen, der iſt zum Eckſtein worden — Ein
jeder, der auf dieſen Stein fallen wird, der wird
in Stücke brechen; Auf welchen er aber fallen
wird, den wird er zermürſen.
Noch einmahl: Mit
warmer Seele ſchreib’ ich’s .. Mögte Gott dieſem Wor-
te Kraft geben — Was geſchehen iſt, lehre, was
geſchehen wird!
Einmahl kann ein König (incognito)
unbekannt und verkleidet ſich mißhandeln laſſen — Ent-
ſcheidet — ob zweymahl? Ob ungeſtraft zum zweyten-
mahle von denen, die die erſte Mishandlung des Miß-
kannten — wiſſen; Wiſſen das Schickſal der erſten Miß-
handler — wiſſen, daß die, ſo den Herrn des Wein-
gartens zum Weingarten hinausſtieſſen, übel um-
gebracht worden ſind
— wiſſen, daß der Wein-
garten andern Weingärtnern verliehen worden!

— Entſcheide! Gewiſſen deren, die dieß leſen, und die-
ſen Eckſtein verwerfen!

4. Dieß Gleichniß enthält, wie geſagt, nicht nur
die Geſchichte der Verſtoßung Jeſu von der jüdiſchen
Prieſterſchaft; Es enthält die fortgehende Geſchichte
aller Jahrhunderte. Die Menſchen ſind ſich immer
gleich, ſo wie Gott und Religion ſich immer gleich ſind.
Es geſchiehet nichts neues unter der Sonne. Un-
ter allen Geſtalten geht dieſelbe Sünde umher — Im-
mer dieſelbe Antipathie, (Widerwille) derſelbe geſchwor-
ne, unverſöhnliche Haß des Satans gegen Jeſus, und
gegen alles, was Jeſus allerheiligſte Perſon herzlich

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[326[346]/0354] Matthäus XXI. bange Ahndung, die ſich bey dem Wort in ſeinem In- nerſten regen will: Der Stein, den die Bauleute verworfen, der iſt zum Eckſtein worden — Ein jeder, der auf dieſen Stein fallen wird, der wird in Stücke brechen; Auf welchen er aber fallen wird, den wird er zermürſen. Noch einmahl: Mit warmer Seele ſchreib’ ich’s .. Mögte Gott dieſem Wor- te Kraft geben — Was geſchehen iſt, lehre, was geſchehen wird! Einmahl kann ein König (incognito) unbekannt und verkleidet ſich mißhandeln laſſen — Ent- ſcheidet — ob zweymahl? Ob ungeſtraft zum zweyten- mahle von denen, die die erſte Mishandlung des Miß- kannten — wiſſen; Wiſſen das Schickſal der erſten Miß- handler — wiſſen, daß die, ſo den Herrn des Wein- gartens zum Weingarten hinausſtieſſen, übel um- gebracht worden ſind — wiſſen, daß der Wein- garten andern Weingärtnern verliehen worden! — Entſcheide! Gewiſſen deren, die dieß leſen, und die- ſen Eckſtein verwerfen! 4. Dieß Gleichniß enthält, wie geſagt, nicht nur die Geſchichte der Verſtoßung Jeſu von der jüdiſchen Prieſterſchaft; Es enthält die fortgehende Geſchichte aller Jahrhunderte. Die Menſchen ſind ſich immer gleich, ſo wie Gott und Religion ſich immer gleich ſind. Es geſchiehet nichts neues unter der Sonne. Un- ter allen Geſtalten geht dieſelbe Sünde umher — Im- mer dieſelbe Antipathie, (Widerwille) derſelbe geſchwor- ne, unverſöhnliche Haß des Satans gegen Jeſus, und gegen alles, was Jeſus allerheiligſte Perſon herzlich ehrt,

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 326[346]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/354>, abgerufen am 27.11.2024.