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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXI.
hinausgeworfen, und verdorret, und man sam-
melt sie, und wirft sie in das Feuer, und sie ver-
brennen. Christus,
der in jedem Sinn Ebenbild
Gottes war -- Ebenbild seiner Liebe, und seiner Kraft
-- seiner Langmuth und seiner Gerechtigkeit, wollte auch
einmahl seine strafende Kraft zeigen. Weil Er aber
nicht in die Welt gekommen war, die Welt zu
richten, sondern die Welt seelig zu machen;
So
wollte Er an den Menschen seine strafende Macht nicht,
oder nur auf eine unschädliche Weise, wie bey der Ver-
treibung der Käufer und Verkäufer im Tempel offen-
bahren. Daher Er -- nur Schweine -- nur einen
fruchtlosen Feigenbaum zu sinnbildlichen Gegenständen
seiner Strafgerechtigkeit wählt. Wer lernen will, kann
hier etwas sehr wichtiges lernen -- die Güte und den
Ernst des Herrn, und sich durch beydes zu bessern Ge-
sinnungen und Thaten erwecken lassen -- In sein himm-
lisches Paradies pflanzt Jesus nur fruchtbare Bäu-
me, Bäume des Lebens, die alle Monate neue, schönere
Früchte bringen. Und wer dort fruchtbar seyn will,
muß es erst hier gewesen seyn. Wer in dem gegenwär-
tigen Leben keine Früchte gebracht hat, der wird in dem
Zukünftigen keine bringen; Wer hier nicht gesäet hat,
wird dort nicht erndten. Alles, was dort leben soll,
muß hier zum Leben erweckt werden. -- Blätter sind
nicht Früchte. Worte sind nicht Thaten und Gesin-
nungen. Alles am Menschen muß gut seyn; Worte,
Thaten, Gesinnungen; Das Auswendige, das In-
wendige. Der Schein muß seyn, wie das Wesen;

Das

Matthäus XXI.
hinausgeworfen, und verdorret, und man ſam-
melt ſie, und wirft ſie in das Feuer, und ſie ver-
brennen. Chriſtus,
der in jedem Sinn Ebenbild
Gottes war — Ebenbild ſeiner Liebe, und ſeiner Kraft
— ſeiner Langmuth und ſeiner Gerechtigkeit, wollte auch
einmahl ſeine ſtrafende Kraft zeigen. Weil Er aber
nicht in die Welt gekommen war, die Welt zu
richten, ſondern die Welt ſeelig zu machen;
So
wollte Er an den Menſchen ſeine ſtrafende Macht nicht,
oder nur auf eine unſchädliche Weiſe, wie bey der Ver-
treibung der Käufer und Verkäufer im Tempel offen-
bahren. Daher Er — nur Schweine — nur einen
fruchtloſen Feigenbaum zu ſinnbildlichen Gegenſtänden
ſeiner Strafgerechtigkeit wählt. Wer lernen will, kann
hier etwas ſehr wichtiges lernen — die Güte und den
Ernſt des Herrn, und ſich durch beydes zu beſſern Ge-
ſinnungen und Thaten erwecken laſſen — In ſein himm-
liſches Paradies pflanzt Jeſus nur fruchtbare Bäu-
me, Bäume des Lebens, die alle Monate neue, ſchönere
Früchte bringen. Und wer dort fruchtbar ſeyn will,
muß es erſt hier geweſen ſeyn. Wer in dem gegenwär-
tigen Leben keine Früchte gebracht hat, der wird in dem
Zukünftigen keine bringen; Wer hier nicht geſäet hat,
wird dort nicht erndten. Alles, was dort leben ſoll,
muß hier zum Leben erweckt werden. — Blätter ſind
nicht Früchte. Worte ſind nicht Thaten und Geſin-
nungen. Alles am Menſchen muß gut ſeyn; Worte,
Thaten, Geſinnungen; Das Auswendige, das In-
wendige. Der Schein muß ſeyn, wie das Weſen;

Das
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[314[334]/0342] Matthäus XXI. hinausgeworfen, und verdorret, und man ſam- melt ſie, und wirft ſie in das Feuer, und ſie ver- brennen. Chriſtus, der in jedem Sinn Ebenbild Gottes war — Ebenbild ſeiner Liebe, und ſeiner Kraft — ſeiner Langmuth und ſeiner Gerechtigkeit, wollte auch einmahl ſeine ſtrafende Kraft zeigen. Weil Er aber nicht in die Welt gekommen war, die Welt zu richten, ſondern die Welt ſeelig zu machen; So wollte Er an den Menſchen ſeine ſtrafende Macht nicht, oder nur auf eine unſchädliche Weiſe, wie bey der Ver- treibung der Käufer und Verkäufer im Tempel offen- bahren. Daher Er — nur Schweine — nur einen fruchtloſen Feigenbaum zu ſinnbildlichen Gegenſtänden ſeiner Strafgerechtigkeit wählt. Wer lernen will, kann hier etwas ſehr wichtiges lernen — die Güte und den Ernſt des Herrn, und ſich durch beydes zu beſſern Ge- ſinnungen und Thaten erwecken laſſen — In ſein himm- liſches Paradies pflanzt Jeſus nur fruchtbare Bäu- me, Bäume des Lebens, die alle Monate neue, ſchönere Früchte bringen. Und wer dort fruchtbar ſeyn will, muß es erſt hier geweſen ſeyn. Wer in dem gegenwär- tigen Leben keine Früchte gebracht hat, der wird in dem Zukünftigen keine bringen; Wer hier nicht geſäet hat, wird dort nicht erndten. Alles, was dort leben ſoll, muß hier zum Leben erweckt werden. — Blätter ſind nicht Früchte. Worte ſind nicht Thaten und Geſin- nungen. Alles am Menſchen muß gut ſeyn; Worte, Thaten, Geſinnungen; Das Auswendige, das In- wendige. Der Schein muß ſeyn, wie das Weſen; Das

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 314[334]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/342>, abgerufen am 24.11.2024.