spricht, von wem wird der Gnade erwarten können? -- Wer zum Zorn, zur Rache geneigt ist -- lese doch oft diese Stelle! Schaue auf sich und seine Mitknechte! Fra- ge sich ernst und antworte sich ernst vor Gott -- "was &q;laß ich nach? Und was hat Gott mir nachzulassen? &q;Vergeb' ich, wie ich wünsche, daß Gott mir vergebe? &q;Mit welchem Maaße wird mir gemessen werden? -- &q;Wie werd' ich gerichtet werden, wenn Gott mich so &q;richtet, wie ich andere richte? -- Wie werd ich be- &q;stehen, wenn Gott mir meine Rechnung vorlegt?" -- Was werd ich antworten können, wenn sie mit derjeni- gen, die ich meinem Schuldner und Beleidiger vorzule- gen habe, verglichen wird? -- Wenn ich alles bezahlen soll, was ich schuldig bin -- alles ersetzen und vergüten soll, was ich verschuldet habe -- alles bis auf den letz- ten Häller, wann werd ich ausbezahlt haben? Wie wir richten, so werden wir gerichtet werden! Wie wir geben, so wird uns gegeben werden! Vergeben, wie wir verge- ben! O Wort, dessen Wahrheit unsern Herzen unwider- sprechlich seyn muß, was wirkest du auf unsere Herzen.
Aus unsrer Parabel muß auch das noch ausgeho- ben werden; Daß der, der schon Vergebung erhalten hatte, diese Gnade wiederum verlieret, wenn er gegen seine Schuldner und Beleidiger unbarmherzig und uner- bittlich ist. Eine einzige Sünde der Unerbittlich- keit und Unversöhnlichkeit verderbt einen ganzen sittlichen Charakter; Sie macht uns durchaus unfä- hig der Erbarmungen Gottes, und der Freude und Ehre der Gütigen und Versöhnlichen. Wenn auch einer in
der
S
Vergebung der Beleidigungen.
ſpricht, von wem wird der Gnade erwarten können? — Wer zum Zorn, zur Rache geneigt iſt — leſe doch oft dieſe Stelle! Schaue auf ſich und ſeine Mitknechte! Fra- ge ſich ernſt und antworte ſich ernſt vor Gott — „was &q;laß ich nach? Und was hat Gott mir nachzulaſſen? &q;Vergeb’ ich, wie ich wünſche, daß Gott mir vergebe? &q;Mit welchem Maaße wird mir gemeſſen werden? — &q;Wie werd’ ich gerichtet werden, wenn Gott mich ſo &q;richtet, wie ich andere richte? — Wie werd ich be- &q;ſtehen, wenn Gott mir meine Rechnung vorlegt?„ — Was werd ich antworten können, wenn ſie mit derjeni- gen, die ich meinem Schuldner und Beleidiger vorzule- gen habe, verglichen wird? — Wenn ich alles bezahlen ſoll, was ich ſchuldig bin — alles erſetzen und vergüten ſoll, was ich verſchuldet habe — alles bis auf den letz- ten Häller, wann werd ich ausbezahlt haben? Wie wir richten, ſo werden wir gerichtet werden! Wie wir geben, ſo wird uns gegeben werden! Vergeben, wie wir verge- ben! O Wort, deſſen Wahrheit unſern Herzen unwider- ſprechlich ſeyn muß, was wirkeſt du auf unſere Herzen.
Aus unſrer Parabel muß auch das noch ausgeho- ben werden; Daß der, der ſchon Vergebung erhalten hatte, dieſe Gnade wiederum verlieret, wenn er gegen ſeine Schuldner und Beleidiger unbarmherzig und uner- bittlich iſt. Eine einzige Sünde der Unerbittlich- keit und Unverſöhnlichkeit verderbt einen ganzen ſittlichen Charakter; Sie macht uns durchaus unfä- hig der Erbarmungen Gottes, und der Freude und Ehre der Gütigen und Verſöhnlichen. Wenn auch einer in
der
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[273[293]/0301]
Vergebung der Beleidigungen.
ſpricht, von wem wird der Gnade erwarten können? —
Wer zum Zorn, zur Rache geneigt iſt — leſe doch oft
dieſe Stelle! Schaue auf ſich und ſeine Mitknechte! Fra-
ge ſich ernſt und antworte ſich ernſt vor Gott — „was
&q;laß ich nach? Und was hat Gott mir nachzulaſſen?
&q;Vergeb’ ich, wie ich wünſche, daß Gott mir vergebe?
&q;Mit welchem Maaße wird mir gemeſſen werden? —
&q;Wie werd’ ich gerichtet werden, wenn Gott mich ſo
&q;richtet, wie ich andere richte? — Wie werd ich be-
&q;ſtehen, wenn Gott mir meine Rechnung vorlegt?„ —
Was werd ich antworten können, wenn ſie mit derjeni-
gen, die ich meinem Schuldner und Beleidiger vorzule-
gen habe, verglichen wird? — Wenn ich alles bezahlen
ſoll, was ich ſchuldig bin — alles erſetzen und vergüten
ſoll, was ich verſchuldet habe — alles bis auf den letz-
ten Häller, wann werd ich ausbezahlt haben? Wie wir
richten, ſo werden wir gerichtet werden! Wie wir geben,
ſo wird uns gegeben werden! Vergeben, wie wir verge-
ben! O Wort, deſſen Wahrheit unſern Herzen unwider-
ſprechlich ſeyn muß, was wirkeſt du auf unſere Herzen.
Aus unſrer Parabel muß auch das noch ausgeho-
ben werden; Daß der, der ſchon Vergebung erhalten
hatte, dieſe Gnade wiederum verlieret, wenn er gegen
ſeine Schuldner und Beleidiger unbarmherzig und uner-
bittlich iſt. Eine einzige Sünde der Unerbittlich-
keit und Unverſöhnlichkeit verderbt einen ganzen
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 273[293]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/301>, abgerufen am 24.11.2024.
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