Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus XV.
ses Israels nachgehen. -- Das, was Er hier that,
war -- So wenigstens will Er's angesehen haben, ei-
ne Ausnahme von seiner Regel. Er machte diese Aus-
nahme dem grossen Glauben zu lieb. Der Glaube,
das gränzenlose, jedoch mit Demuth verbundene Zu-
trauen bewirkt Wirkungen der göttlichen Gnade, die
ausser der gewöhnlichen Norm und Regel sind.

Diese Geschichte zeigt ferner, daß der ächte Glau-
be sich durch alle Hindernisse nicht irre machen oder auf-
halten läßt. Er geht seinen Gang fort; Er dringt
vor! Er hält sich fest am Herrn und seiner übermächti-
gen Huld. Er harrt aus -- läßt sich nicht ermüden!

So machte es der Glaube, der nicht einmahl Ver-
heissung hatte -- Kein Recht hatte auf Christus und
seine Wunderkraft. Und er ward nicht zu schanden!
Der Herr ehrte, wer Ihn durch standhaften,
zweifellosen Glauben ehrte. Er konnte sich Augenbli-
cke hart stellen; Aber hart seyn konnte Er nicht. Sei-
ne anscheinende Härte war Anbahnung zu unerwarteter
Gnade. Seine Härte kann niemahls Zweck, kann
nie etwas anders als Mittel zu einem höhern Zwecke
seyn. Wem Er ausserordentliche Gnade erweisen will,
dem scheint Er vielleicht Anfangs seine Gnade zu entzie-
hen. Wenn Er die schwehrsten Opfer fodert, so hat
Er die grössesten Gnaden in Bereitschaft.

Mat

Matthäus XV.
ſes Iſraels nachgehen. — Das, was Er hier that,
war — So wenigſtens will Er’s angeſehen haben, ei-
ne Ausnahme von ſeiner Regel. Er machte dieſe Aus-
nahme dem groſſen Glauben zu lieb. Der Glaube,
das gränzenloſe, jedoch mit Demuth verbundene Zu-
trauen bewirkt Wirkungen der göttlichen Gnade, die
auſſer der gewöhnlichen Norm und Regel ſind.

Dieſe Geſchichte zeigt ferner, daß der ächte Glau-
be ſich durch alle Hinderniſſe nicht irre machen oder auf-
halten läßt. Er geht ſeinen Gang fort; Er dringt
vor! Er hält ſich feſt am Herrn und ſeiner übermächti-
gen Huld. Er harrt aus — läßt ſich nicht ermüden!

So machte es der Glaube, der nicht einmahl Ver-
heiſſung hatte — Kein Recht hatte auf Chriſtus und
ſeine Wunderkraft. Und er ward nicht zu ſchanden!
Der Herr ehrte, wer Ihn durch ſtandhaften,
zweifelloſen Glauben ehrte. Er konnte ſich Augenbli-
cke hart ſtellen; Aber hart ſeyn konnte Er nicht. Sei-
ne anſcheinende Härte war Anbahnung zu unerwarteter
Gnade. Seine Härte kann niemahls Zweck, kann
nie etwas anders als Mittel zu einem höhern Zwecke
ſeyn. Wem Er auſſerordentliche Gnade erweiſen will,
dem ſcheint Er vielleicht Anfangs ſeine Gnade zu entzie-
hen. Wenn Er die ſchwehrſten Opfer fodert, ſo hat
Er die gröſſeſten Gnaden in Bereitſchaft.

Mat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0240" n="212[232]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XV.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;es I&#x017F;raels</hi> nachgehen. &#x2014; Das, was Er hier that,<lb/>
war &#x2014; <hi rendition="#fr">So</hi> wenig&#x017F;tens will Er&#x2019;s ange&#x017F;ehen haben, ei-<lb/>
ne <hi rendition="#fr">Ausnahme</hi> von &#x017F;einer Regel. Er machte die&#x017F;e Aus-<lb/>
nahme dem <hi rendition="#fr">gro&#x017F;&#x017F;en Glauben</hi> zu lieb. Der <hi rendition="#fr">Glaube,</hi><lb/>
das gränzenlo&#x017F;e, jedoch mit Demuth verbundene Zu-<lb/>
trauen bewirkt Wirkungen der göttlichen Gnade, die<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er der gewöhnlichen Norm und Regel &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte zeigt ferner, daß der ächte Glau-<lb/>
be &#x017F;ich durch alle Hinderni&#x017F;&#x017F;e nicht irre machen oder auf-<lb/>
halten läßt. Er geht &#x017F;einen Gang fort; Er dringt<lb/>
vor! Er hält &#x017F;ich fe&#x017F;t am Herrn und &#x017F;einer übermächti-<lb/>
gen Huld. Er harrt aus &#x2014; läßt &#x017F;ich nicht ermüden!</p><lb/>
            <p>So machte es der Glaube, der nicht einmahl Ver-<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;ung hatte &#x2014; Kein Recht hatte auf <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> und<lb/>
&#x017F;eine Wunderkraft. Und er ward nicht zu &#x017F;chanden!<lb/>
Der Herr ehrte, wer Ihn durch &#x017F;tandhaften,<lb/>
zweifello&#x017F;en Glauben ehrte. Er konnte &#x017F;ich Augenbli-<lb/>
cke hart &#x017F;tellen; Aber hart &#x017F;eyn konnte Er nicht. Sei-<lb/>
ne an&#x017F;cheinende Härte war Anbahnung zu unerwarteter<lb/>
Gnade. Seine Härte kann niemahls <hi rendition="#fr">Zweck, kann</hi><lb/>
nie etwas anders als <hi rendition="#fr">Mittel</hi> zu einem höhern Zwecke<lb/>
&#x017F;eyn. Wem Er au&#x017F;&#x017F;erordentliche Gnade erwei&#x017F;en will,<lb/>
dem &#x017F;cheint Er vielleicht Anfangs &#x017F;eine Gnade zu entzie-<lb/>
hen. Wenn Er die &#x017F;chwehr&#x017F;ten Opfer fodert, &#x017F;o hat<lb/>
Er die grö&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Gnaden in Bereit&#x017F;chaft.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Mat</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212[232]/0240] Matthäus XV. ſes Iſraels nachgehen. — Das, was Er hier that, war — So wenigſtens will Er’s angeſehen haben, ei- ne Ausnahme von ſeiner Regel. Er machte dieſe Aus- nahme dem groſſen Glauben zu lieb. Der Glaube, das gränzenloſe, jedoch mit Demuth verbundene Zu- trauen bewirkt Wirkungen der göttlichen Gnade, die auſſer der gewöhnlichen Norm und Regel ſind. Dieſe Geſchichte zeigt ferner, daß der ächte Glau- be ſich durch alle Hinderniſſe nicht irre machen oder auf- halten läßt. Er geht ſeinen Gang fort; Er dringt vor! Er hält ſich feſt am Herrn und ſeiner übermächti- gen Huld. Er harrt aus — läßt ſich nicht ermüden! So machte es der Glaube, der nicht einmahl Ver- heiſſung hatte — Kein Recht hatte auf Chriſtus und ſeine Wunderkraft. Und er ward nicht zu ſchanden! Der Herr ehrte, wer Ihn durch ſtandhaften, zweifelloſen Glauben ehrte. Er konnte ſich Augenbli- cke hart ſtellen; Aber hart ſeyn konnte Er nicht. Sei- ne anſcheinende Härte war Anbahnung zu unerwarteter Gnade. Seine Härte kann niemahls Zweck, kann nie etwas anders als Mittel zu einem höhern Zwecke ſeyn. Wem Er auſſerordentliche Gnade erweiſen will, dem ſcheint Er vielleicht Anfangs ſeine Gnade zu entzie- hen. Wenn Er die ſchwehrſten Opfer fodert, ſo hat Er die gröſſeſten Gnaden in Bereitſchaft. Mat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/240
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 212[232]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/240>, abgerufen am 27.07.2024.