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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XIV.
Romm her! Und Petrus trat aus dem Schiff
und gieng auf dem Wasser, daß er zu Jesu käme.
Als er aber den starken Wind sahe; Da erschrak
er und hub an zu sinken, schrie und sprach: Herr
hilf mir! Jesus aber reckte Seine Hand aus und
ergriff ihn, und sprach zu ihm: O du Kleingläu-
biger! Warum zweifelst du? Und sie traten in
das Schiff, und der Wind legete sich. Die aber
im Schiffe waren, kamen und fielen vor Ihm
nieder, und sprachen: Du bist wahrlich Gottes
Sohn!
Ueber alles ist Jesus freyer Herr und Meister
-- (Souverän im höchsten Sinne) Er hat Kraft über
alles, und giebt Kraft über alles. Er hilft in allen
Nöthen, auf alle Weisen. Wer das nicht glaubt, der
glaubt nicht an Ihn. Seyd getrost! Ich bin's!
Da bin Ich! Um euert willen da! Ist sein liebes auf-
richtendes Trostwort. Er kommt im Sturme daher --
Blickt den Verschmachtenden an, reicht ihm die Hand,
heißt ihn zu sich kommen aufs Wasser -- Beschilt nicht
den Großglaubigen, sondern den Kleinglaubigen. Das
ist sein edler, immer sich selbst gleicher Charakter. So
stellt das Evangelium Ihn unsrer Verehrung dar: Das
Evangelium, die einzig gültige Urkunde von Ihm. Wer
aus dieser allein reinen Quelle Begriffe von Ihm schöpft;
Welch andere, welch erhabnere Begriffe wird er von Ihm
schöpfen als aus allen andern Quellen! Man lese das
Evangelium mit Einfalt! Man frage sich bey einer sol-
chen Geschichte: "Was kann, was muß das Evangelium
&q;wollen, wenn es irgend etwas will? Was will es die

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Matthäus XIV.
Romm her! Und Petrus trat aus dem Schiff
und gieng auf dem Waſſer, daß er zu Jeſu käme.
Als er aber den ſtarken Wind ſahe; Da erſchrak
er und hub an zu ſinken, ſchrie und ſprach: Herr
hilf mir! Jeſus aber reckte Seine Hand aus und
ergriff ihn, und ſprach zu ihm: O du Kleingläu-
biger! Warum zweifelſt du? Und ſie traten in
das Schiff, und der Wind legete ſich. Die aber
im Schiffe waren, kamen und fielen vor Ihm
nieder, und ſprachen: Du biſt wahrlich Gottes
Sohn!
Ueber alles iſt Jeſus freyer Herr und Meiſter
— (Souverän im höchſten Sinne) Er hat Kraft über
alles, und giebt Kraft über alles. Er hilft in allen
Nöthen, auf alle Weiſen. Wer das nicht glaubt, der
glaubt nicht an Ihn. Seyd getroſt! Ich bin’s!
Da bin Ich! Um euert willen da! Iſt ſein liebes auf-
richtendes Troſtwort. Er kommt im Sturme daher —
Blickt den Verſchmachtenden an, reicht ihm die Hand,
heißt ihn zu ſich kommen aufs Waſſer — Beſchilt nicht
den Großglaubigen, ſondern den Kleinglaubigen. Das
iſt ſein edler, immer ſich ſelbſt gleicher Charakter. So
ſtellt das Evangelium Ihn unſrer Verehrung dar: Das
Evangelium, die einzig gültige Urkunde von Ihm. Wer
aus dieſer allein reinen Quelle Begriffe von Ihm ſchöpft;
Welch andere, welch erhabnere Begriffe wird er von Ihm
ſchöpfen als aus allen andern Quellen! Man leſe das
Evangelium mit Einfalt! Man frage ſich bey einer ſol-
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[204[224]/0232] Matthäus XIV. Romm her! Und Petrus trat aus dem Schiff und gieng auf dem Waſſer, daß er zu Jeſu käme. Als er aber den ſtarken Wind ſahe; Da erſchrak er und hub an zu ſinken, ſchrie und ſprach: Herr hilf mir! Jeſus aber reckte Seine Hand aus und ergriff ihn, und ſprach zu ihm: O du Kleingläu- biger! Warum zweifelſt du? Und ſie traten in das Schiff, und der Wind legete ſich. Die aber im Schiffe waren, kamen und fielen vor Ihm nieder, und ſprachen: Du biſt wahrlich Gottes Sohn! Ueber alles iſt Jeſus freyer Herr und Meiſter — (Souverän im höchſten Sinne) Er hat Kraft über alles, und giebt Kraft über alles. Er hilft in allen Nöthen, auf alle Weiſen. Wer das nicht glaubt, der glaubt nicht an Ihn. Seyd getroſt! Ich bin’s! Da bin Ich! Um euert willen da! Iſt ſein liebes auf- richtendes Troſtwort. Er kommt im Sturme daher — Blickt den Verſchmachtenden an, reicht ihm die Hand, heißt ihn zu ſich kommen aufs Waſſer — Beſchilt nicht den Großglaubigen, ſondern den Kleinglaubigen. Das iſt ſein edler, immer ſich ſelbſt gleicher Charakter. So ſtellt das Evangelium Ihn unſrer Verehrung dar: Das Evangelium, die einzig gültige Urkunde von Ihm. Wer aus dieſer allein reinen Quelle Begriffe von Ihm ſchöpft; Welch andere, welch erhabnere Begriffe wird er von Ihm ſchöpfen als aus allen andern Quellen! Man leſe das Evangelium mit Einfalt! Man frage ſich bey einer ſol- chen Geſchichte: „Was kann, was muß das Evangelium &q;wollen, wenn es irgend etwas will? Was will es die &q;Men-

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 204[224]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/232>, abgerufen am 12.12.2024.