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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus X.
Strafe und dehmüthige durch dein allenfals schweigen-
des Beyspiel -- und du wirst erfahren, wie viele sich
wider dich auflehnen? Wie deine beßten Absichten ver-
kehrt, deine reinsten Handlungen schief angesehen --
deine Schritte und Tritte belauert, und deine gerade-
sten plansten Unternehmungen auf die abgeschmackteste
Weise von deinen Nächsten, Verwandten, Hausge-
nossen, Geschwistern, Aeltern ausgelegt werden. Keine
Verläumdung, die man sich nicht über dich erlaubt; Kein
scharfes Urtheil, das für dich nicht noch zu gelinde sey;
Kein Lasternamen, der nicht dörfe über dich ausgespro-
chen werden. Aber! Laß es! Und harre des Tages der
Entscheidung! Hasse das Böse! Meide auch den
Schein des Bösen, und hange dem Guten an!
Sey klug wie eine Schlange, und einfältig, und
ohne Falsch, wie eine Daube!

91.
Jesus über alles Liebenswerth.
Matth. X.
37.

Wer Vater oder Mutter über Mich lie-
bet, der ist Meiner nicht werth; Und wer Sohn
oder Tochter mehr liebet als Mich, der ist Mei-
ner nicht werth.
Was sollen wir über dies klare, je-
dem genug verständliche Wort, unsers Herrn sagen? Es
spricht so unwidersprechlich -- und dennoch, wer hört
es? Der liebenswürdigste darf und soll also reden. Der
Sohn und das reinste Ebenbild des Alleinguten darf und
soll also reden. Ihn lieben, heißt Gott lieben -- heißt se-
lig seyn. Etwas mehr, als Ihn lieben, heißt, in

Etwas

Matthäus X.
Strafe und dehmüthige durch dein allenfals ſchweigen-
des Beyſpiel — und du wirſt erfahren, wie viele ſich
wider dich auflehnen? Wie deine beßten Abſichten ver-
kehrt, deine reinſten Handlungen ſchief angeſehen —
deine Schritte und Tritte belauert, und deine gerade-
ſten planſten Unternehmungen auf die abgeſchmackteſte
Weiſe von deinen Nächſten, Verwandten, Hausge-
noſſen, Geſchwiſtern, Aeltern ausgelegt werden. Keine
Verläumdung, die man ſich nicht über dich erlaubt; Kein
ſcharfes Urtheil, das für dich nicht noch zu gelinde ſey;
Kein Laſternamen, der nicht dörfe über dich ausgeſpro-
chen werden. Aber! Laß es! Und harre des Tages der
Entſcheidung! Haſſe das Böſe! Meide auch den
Schein des Böſen, und hange dem Guten an!
Sey klug wie eine Schlange, und einfältig, und
ohne Falſch, wie eine Daube!

91.
Jeſus über alles Liebenswerth.
Matth. X.
37.

Wer Vater oder Mutter über Mich lie-
bet, der iſt Meiner nicht werth; Und wer Sohn
oder Tochter mehr liebet als Mich, der iſt Mei-
ner nicht werth.
Was ſollen wir über dies klare, je-
dem genug verſtändliche Wort, unſers Herrn ſagen? Es
ſpricht ſo unwiderſprechlich — und dennoch, wer hört
es? Der liebenswürdigſte darf und ſoll alſo reden. Der
Sohn und das reinſte Ebenbild des Alleinguten darf und
ſoll alſo reden. Ihn lieben, heißt Gott lieben — heißt ſe-
lig ſeyn. Etwas mehr, als Ihn lieben, heißt, in

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[138[158]/0166] Matthäus X. Strafe und dehmüthige durch dein allenfals ſchweigen- des Beyſpiel — und du wirſt erfahren, wie viele ſich wider dich auflehnen? Wie deine beßten Abſichten ver- kehrt, deine reinſten Handlungen ſchief angeſehen — deine Schritte und Tritte belauert, und deine gerade- ſten planſten Unternehmungen auf die abgeſchmackteſte Weiſe von deinen Nächſten, Verwandten, Hausge- noſſen, Geſchwiſtern, Aeltern ausgelegt werden. Keine Verläumdung, die man ſich nicht über dich erlaubt; Kein ſcharfes Urtheil, das für dich nicht noch zu gelinde ſey; Kein Laſternamen, der nicht dörfe über dich ausgeſpro- chen werden. Aber! Laß es! Und harre des Tages der Entſcheidung! Haſſe das Böſe! Meide auch den Schein des Böſen, und hange dem Guten an! Sey klug wie eine Schlange, und einfältig, und ohne Falſch, wie eine Daube! 91. Jeſus über alles Liebenswerth. Wer Vater oder Mutter über Mich lie- bet, der iſt Meiner nicht werth; Und wer Sohn oder Tochter mehr liebet als Mich, der iſt Mei- ner nicht werth. Was ſollen wir über dies klare, je- dem genug verſtändliche Wort, unſers Herrn ſagen? Es ſpricht ſo unwiderſprechlich — und dennoch, wer hört es? Der liebenswürdigſte darf und ſoll alſo reden. Der Sohn und das reinſte Ebenbild des Alleinguten darf und ſoll alſo reden. Ihn lieben, heißt Gott lieben — heißt ſe- lig ſeyn. Etwas mehr, als Ihn lieben, heißt, in Etwas

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 138[158]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/166>, abgerufen am 26.11.2024.