Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Himmelreich.
Umsonst habet ihr's empfangen; Umsonst gebet
es auch. Läßt sich etwas denken, was über solchen
Auftrag gehe? Wo nehmen wir genug Aufmerksamkeit
und Erstaunen her bey dem Anhören dieser Vollmacht,
die Jesus seinen Jüngern giebt? Ein neues göttliches
Reich kommt. Gott will auf eine neue augenscheinliche
Weise über die Menschen regieren. Die göttliche Weis-
heit und Allmacht ist gegen alles menschliche Uebel und
Elend im Anzuge. Alles, was Uebel heißt, hat Ur-
sache zu erschrecken -- und alles, was Uebel leidet, höch-
ste Ursache sich zu freuen, sich Glück zu wünschen. Al-
les Kranke kann gesund, alles Unreine rein, alles Tod-
te lebendig, alles vom Satan besessene frey werden. Jedes
Thaal soll erhöhet, jeder Berg erniedrigt wer-
den. Was krumm ist, soll gerade, und die rau-
hen Wege sollen eben werden, und alles Fleisch
soll das Heil Gottes sehen. -- Erst Einer, der
König selbst in eigner Person macht den Durchbruch, ist
an der Spitze dieses Heilreiches -- dann seine Zwölf un-
mittelbar von Ihm bevollmächtigten Gesandten, und sei-
ne Stelle vertretenden Bothen -- dann, alle die an sei-
nem Geiste, seiner alles bezwingenden Macht, Weis-
heit und Güte Antheil nehmen Alle zusammen, die
Gesellschaft aller Guten, Weisen und Mächtigen unter
dem Haupte Jesus Christus, wirksam, gegen al-
les Böse, Tödtliche, Zerstöhrende -- Jede Art von
Glückseeligkeit, Freyheit, Leben verbreitend -- Jede
Art von Kraft und Wonne geniessend -- ist das Him-
melreich, das göttliche, ewige, in den uralten israe-

liti-
H 5

Himmelreich.
Umſonſt habet ihr’s empfangen; Umſonſt gebet
es auch. Läßt ſich etwas denken, was über ſolchen
Auftrag gehe? Wo nehmen wir genug Aufmerkſamkeit
und Erſtaunen her bey dem Anhören dieſer Vollmacht,
die Jeſus ſeinen Jüngern giebt? Ein neues göttliches
Reich kommt. Gott will auf eine neue augenſcheinliche
Weiſe über die Menſchen regieren. Die göttliche Weis-
heit und Allmacht iſt gegen alles menſchliche Uebel und
Elend im Anzuge. Alles, was Uebel heißt, hat Ur-
ſache zu erſchrecken — und alles, was Uebel leidet, höch-
ſte Urſache ſich zu freuen, ſich Glück zu wünſchen. Al-
les Kranke kann geſund, alles Unreine rein, alles Tod-
te lebendig, alles vom Satan beſeſſene frey werden. Jedes
Thaal ſoll erhöhet, jeder Berg erniedrigt wer-
den. Was krumm iſt, ſoll gerade, und die rau-
hen Wege ſollen eben werden, und alles Fleiſch
ſoll das Heil Gottes ſehen. — Erſt Einer, der
König ſelbſt in eigner Perſon macht den Durchbruch, iſt
an der Spitze dieſes Heilreiches — dann ſeine Zwölf un-
mittelbar von Ihm bevollmächtigten Geſandten, und ſei-
ne Stelle vertretenden Bothen — dann, alle die an ſei-
nem Geiſte, ſeiner alles bezwingenden Macht, Weis-
heit und Güte Antheil nehmen Alle zuſammen, die
Geſellſchaft aller Guten, Weiſen und Mächtigen unter
dem Haupte Jeſus Chriſtus, wirkſam, gegen al-
les Böſe, Tödtliche, Zerſtöhrende — Jede Art von
Glückſeeligkeit, Freyheit, Leben verbreitend — Jede
Art von Kraft und Wonne genieſſend — iſt das Him-
melreich, das göttliche, ewige, in den uralten iſrae-

liti-
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0149" n="121[141]"/><fw place="top" type="header">Himmelreich.</fw><lb/><hi rendition="#fr">Um&#x017F;on&#x017F;t habet ihr&#x2019;s empfangen; Um&#x017F;on&#x017F;t gebet<lb/>
es auch.</hi> Läßt &#x017F;ich etwas denken, was über &#x017F;olchen<lb/>
Auftrag gehe? Wo nehmen wir genug Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
und Er&#x017F;taunen her bey dem Anhören die&#x017F;er Vollmacht,<lb/>
die <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us</hi> &#x017F;einen Jüngern giebt? Ein neues göttliches<lb/>
Reich kommt. Gott will auf eine neue augen&#x017F;cheinliche<lb/>
Wei&#x017F;e über die Men&#x017F;chen regieren. Die göttliche Weis-<lb/>
heit und Allmacht i&#x017F;t gegen alles men&#x017F;chliche Uebel und<lb/>
Elend im Anzuge. Alles, was Uebel heißt, hat Ur-<lb/>
&#x017F;ache zu er&#x017F;chrecken &#x2014; und alles, was Uebel leidet, höch-<lb/>
&#x017F;te Ur&#x017F;ache &#x017F;ich zu freuen, &#x017F;ich Glück zu wün&#x017F;chen. Al-<lb/>
les Kranke kann ge&#x017F;und, alles Unreine rein, alles Tod-<lb/>
te lebendig, alles vom Satan be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ene frey werden. <hi rendition="#fr">Jedes<lb/>
Thaal &#x017F;oll erhöhet, jeder Berg erniedrigt wer-<lb/>
den. Was krumm i&#x017F;t, &#x017F;oll gerade, und die rau-<lb/>
hen Wege &#x017F;ollen eben werden, und alles Flei&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;oll das Heil Gottes &#x017F;ehen.</hi> &#x2014; Er&#x017F;t Einer, der<lb/>
König &#x017F;elb&#x017F;t in eigner Per&#x017F;on macht den Durchbruch, i&#x017F;t<lb/>
an der Spitze die&#x017F;es Heilreiches &#x2014; dann &#x017F;eine Zwölf un-<lb/>
mittelbar von Ihm bevollmächtigten Ge&#x017F;andten, und &#x017F;ei-<lb/>
ne Stelle vertretenden Bothen &#x2014; dann, alle die an &#x017F;ei-<lb/>
nem Gei&#x017F;te, &#x017F;einer alles bezwingenden Macht, Weis-<lb/>
heit und Güte Antheil nehmen Alle zu&#x017F;ammen, die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft aller Guten, Wei&#x017F;en und Mächtigen unter<lb/>
dem Haupte <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus,</hi> wirk&#x017F;am, gegen al-<lb/>
les Bö&#x017F;e, Tödtliche, Zer&#x017F;töhrende &#x2014; Jede Art von<lb/>
Glück&#x017F;eeligkeit, Freyheit, Leben verbreitend &#x2014; Jede<lb/>
Art von Kraft und Wonne genie&#x017F;&#x017F;end &#x2014; i&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Him-<lb/>
melreich,</hi> das göttliche, ewige, in den uralten i&#x017F;rae-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">liti-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121[141]/0149] Himmelreich. Umſonſt habet ihr’s empfangen; Umſonſt gebet es auch. Läßt ſich etwas denken, was über ſolchen Auftrag gehe? Wo nehmen wir genug Aufmerkſamkeit und Erſtaunen her bey dem Anhören dieſer Vollmacht, die Jeſus ſeinen Jüngern giebt? Ein neues göttliches Reich kommt. Gott will auf eine neue augenſcheinliche Weiſe über die Menſchen regieren. Die göttliche Weis- heit und Allmacht iſt gegen alles menſchliche Uebel und Elend im Anzuge. Alles, was Uebel heißt, hat Ur- ſache zu erſchrecken — und alles, was Uebel leidet, höch- ſte Urſache ſich zu freuen, ſich Glück zu wünſchen. Al- les Kranke kann geſund, alles Unreine rein, alles Tod- te lebendig, alles vom Satan beſeſſene frey werden. Jedes Thaal ſoll erhöhet, jeder Berg erniedrigt wer- den. Was krumm iſt, ſoll gerade, und die rau- hen Wege ſollen eben werden, und alles Fleiſch ſoll das Heil Gottes ſehen. — Erſt Einer, der König ſelbſt in eigner Perſon macht den Durchbruch, iſt an der Spitze dieſes Heilreiches — dann ſeine Zwölf un- mittelbar von Ihm bevollmächtigten Geſandten, und ſei- ne Stelle vertretenden Bothen — dann, alle die an ſei- nem Geiſte, ſeiner alles bezwingenden Macht, Weis- heit und Güte Antheil nehmen Alle zuſammen, die Geſellſchaft aller Guten, Weiſen und Mächtigen unter dem Haupte Jeſus Chriſtus, wirkſam, gegen al- les Böſe, Tödtliche, Zerſtöhrende — Jede Art von Glückſeeligkeit, Freyheit, Leben verbreitend — Jede Art von Kraft und Wonne genieſſend — iſt das Him- melreich, das göttliche, ewige, in den uralten iſrae- liti- H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/149
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 121[141]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/149>, abgerufen am 24.11.2024.