mel und die da weyneten und heuleten, und gieng hinein und sprach zu ihnen: Was tummelt und weynet ihr? Das Kind ist nicht gestorben; Son- dern es schläft. Und sie verlachten Ihn. Und Er trieb sie alle aus, und nahm mit sich den Va- ter des Kindes, und die Mutter, und die bey Ihm waren, und gieng hinein, da das Kind lag. Und Er griff das Kind bey der Hand und sprach zu ihr: Talitha Kumi, das heißt: Mägd- lein! Ich sage dir: Steh auf! Und alsbald stund das Mägdlein auf und wandelte. Es war aber zwölf Jahr alt. Und sie entsatzten sich über die Maasse. Und Er verbot ihnen hart, das es niemand wissen sollte, und sagte: Sie sollten ihr zu essen geben.
Ich lege sogern den blossen einfältigen Text vor. Ich schreib ihn sogern ab, weil ich unterm Lesen und Schreiben die Wahrheit der Erzählung um so viel lebhafter fühle. Mir kömmt alles so einfältig, so wür- dig, so übereinstimmend, durchaus so wahr vor -- daß ich immer und immer fragen möchte: "Wer kann doch etwas darwider haben?" -- Wer darf sagen und aus- sprechen: "Das ist nicht wahr?" Und wann es wahr ist -- Lieber Gott im Himmel! Was hast Du uns in Jesus Christus auf die Erde gesendet? Einen Men- schenfreundlichen zärtlichen Theilnehmer an den Thrä- nen der Betrübten! Wie mit empfindet Er Vater- und Mutterschmerz! Einen willigen Gehorcher gegen jeden Ruf der flehenden Angst und Verlegenheit? -- Einen
still-
Matthäus IX.
mel und die da weyneten und heuleten, und gieng hinein und ſprach zu ihnen: Was tummelt und weynet ihr? Das Kind iſt nicht geſtorben; Son- dern es ſchläft. Und ſie verlachten Ihn. Und Er trieb ſie alle aus, und nahm mit ſich den Va- ter des Kindes, und die Mutter, und die bey Ihm waren, und gieng hinein, da das Kind lag. Und Er griff das Kind bey der Hand und ſprach zu ihr: Talitha Kumi, das heißt: Mägd- lein! Ich ſage dir: Steh auf! Und alsbald ſtund das Mägdlein auf und wandelte. Es war aber zwölf Jahr alt. Und ſie entſatzten ſich über die Maaſſe. Und Er verbot ihnen hart, das es niemand wiſſen ſollte, und ſagte: Sie ſollten ihr zu eſſen geben.
Ich lege ſogern den bloſſen einfältigen Text vor. Ich ſchreib ihn ſogern ab, weil ich unterm Leſen und Schreiben die Wahrheit der Erzählung um ſo viel lebhafter fühle. Mir kömmt alles ſo einfältig, ſo wür- dig, ſo übereinſtimmend, durchaus ſo wahr vor — daß ich immer und immer fragen möchte: „Wer kann doch etwas darwider haben?„ — Wer darf ſagen und aus- ſprechen: „Das iſt nicht wahr?„ Und wann es wahr iſt — Lieber Gott im Himmel! Was haſt Du uns in Jeſus Chriſtus auf die Erde geſendet? Einen Men- ſchenfreundlichen zärtlichen Theilnehmer an den Thrä- nen der Betrübten! Wie mit empfindet Er Vater- und Mutterſchmerz! Einen willigen Gehorcher gegen jeden Ruf der flehenden Angſt und Verlegenheit? — Einen
ſtill-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0138"n="110[130]"/><fwplace="top"type="header">Matthäus <hirendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">mel und die da weyneten und heuleten, und gieng<lb/>
hinein und ſprach zu ihnen: Was tummelt und<lb/>
weynet ihr? Das Kind iſt nicht geſtorben; Son-<lb/>
dern es ſchläft. Und ſie verlachten Ihn. Und<lb/>
Er trieb ſie alle aus, und nahm mit ſich den Va-<lb/>
ter des Kindes, und die Mutter, und die bey<lb/>
Ihm waren, und gieng hinein, da das Kind<lb/>
lag. Und Er griff das Kind bey der Hand und<lb/>ſprach zu ihr: Talitha Kumi, das heißt: Mägd-<lb/>
lein! Ich ſage dir: Steh auf! Und alsbald ſtund<lb/>
das Mägdlein auf und wandelte. Es war aber<lb/>
zwölf Jahr alt. Und ſie entſatzten ſich über die<lb/>
Maaſſe. Und Er verbot ihnen hart, das es<lb/>
niemand wiſſen ſollte, und ſagte: Sie ſollten ihr<lb/>
zu eſſen geben.</hi></p><lb/><p>Ich lege ſogern den bloſſen einfältigen Text vor.<lb/>
Ich ſchreib ihn ſogern ab, weil ich unterm Leſen und<lb/>
Schreiben die <hirendition="#fr">Wahrheit</hi> der Erzählung um ſo viel<lb/>
lebhafter fühle. Mir kömmt alles ſo einfältig, ſo wür-<lb/>
dig, ſo übereinſtimmend, durchaus ſo wahr vor — daß<lb/>
ich immer und immer fragen möchte: „Wer kann doch<lb/>
etwas darwider haben?„— Wer darf ſagen und aus-<lb/>ſprechen: „Das iſt nicht wahr?„ Und wann es wahr<lb/>
iſt — Lieber Gott im Himmel! Was haſt Du uns in<lb/><hirendition="#fr">Jeſus Chriſtus</hi> auf die Erde geſendet? Einen Men-<lb/>ſchenfreundlichen zärtlichen Theilnehmer an den Thrä-<lb/>
nen der Betrübten! Wie mit empfindet Er Vater- und<lb/>
Mutterſchmerz! Einen willigen Gehorcher gegen jeden<lb/>
Ruf der flehenden Angſt und Verlegenheit? — Einen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtill-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[110[130]/0138]
Matthäus IX.
mel und die da weyneten und heuleten, und gieng
hinein und ſprach zu ihnen: Was tummelt und
weynet ihr? Das Kind iſt nicht geſtorben; Son-
dern es ſchläft. Und ſie verlachten Ihn. Und
Er trieb ſie alle aus, und nahm mit ſich den Va-
ter des Kindes, und die Mutter, und die bey
Ihm waren, und gieng hinein, da das Kind
lag. Und Er griff das Kind bey der Hand und
ſprach zu ihr: Talitha Kumi, das heißt: Mägd-
lein! Ich ſage dir: Steh auf! Und alsbald ſtund
das Mägdlein auf und wandelte. Es war aber
zwölf Jahr alt. Und ſie entſatzten ſich über die
Maaſſe. Und Er verbot ihnen hart, das es
niemand wiſſen ſollte, und ſagte: Sie ſollten ihr
zu eſſen geben.
Ich lege ſogern den bloſſen einfältigen Text vor.
Ich ſchreib ihn ſogern ab, weil ich unterm Leſen und
Schreiben die Wahrheit der Erzählung um ſo viel
lebhafter fühle. Mir kömmt alles ſo einfältig, ſo wür-
dig, ſo übereinſtimmend, durchaus ſo wahr vor — daß
ich immer und immer fragen möchte: „Wer kann doch
etwas darwider haben?„ — Wer darf ſagen und aus-
ſprechen: „Das iſt nicht wahr?„ Und wann es wahr
iſt — Lieber Gott im Himmel! Was haſt Du uns in
Jeſus Chriſtus auf die Erde geſendet? Einen Men-
ſchenfreundlichen zärtlichen Theilnehmer an den Thrä-
nen der Betrübten! Wie mit empfindet Er Vater- und
Mutterſchmerz! Einen willigen Gehorcher gegen jeden
Ruf der flehenden Angſt und Verlegenheit? — Einen
ſtill-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 110[130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/138>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.