Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Macht und Erbarmen Jesus.
oder will dir nicht helfen!" -- Er, der allen half,
keinen, nicht Einen abwies -- und welcher von allen
hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienst vor Ihm? --
Waren nicht alle und jede Menschen von Erde? Sün-
der? -- Er, der allen half, hilft auch dir, wenn
dir's gegeben ist, mit derselben Glaubenseinfalt zu Ihm
zu nahen, wie's jenen gegeben war -- Oder Er hat kei-
nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt sein
Name auf unsern Lippen, wenn seine Kraft uns nicht
genießbar ist; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was
frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet
nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und
mich unerwärmt läßt? -- O des Schwärmerglaubens!
Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts
von dem will, der Allwissend, Allmächtig und Allgütig
genennet wird! Schwach seyn und an Deine Allmacht
glauben -- Dürftig seyn und an Dein reinstes, immer
gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner
Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entscheiden-
de Anwendung auf sich und seine Bedürfnisse machen --
-- Kann das Glauben heissen? Krank seyn, elend seyn,
und an einen Arzt glauben, -- und wohl gar Verach-
tung gegen die äussern, sie bemitleiden und bejammern
die nicht an Ihn glauben -- und dennoch dieses Arztes
nicht wollen -- und sich mit dem Wort einwiegen: Es
ist vielleicht sein Wille nicht! Und dieß Wort jedem sa-
gen, der krank und elend ist -- und auch von der Kunst
und Güte dieses Arztes gehört hat, und zum Glauben
an Ihn erweckt worden ist -- "Es ist vielleicht Ver-

mes-
F

Macht und Erbarmen Jeſus.
oder will dir nicht helfen!„ — Er, der allen half,
keinen, nicht Einen abwies — und welcher von allen
hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienſt vor Ihm? —
Waren nicht alle und jede Menſchen von Erde? Sün-
der? — Er, der allen half, hilft auch dir, wenn
dir’s gegeben iſt, mit derſelben Glaubenseinfalt zu Ihm
zu nahen, wie’s jenen gegeben war — Oder Er hat kei-
nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt ſein
Name auf unſern Lippen, wenn ſeine Kraft uns nicht
genießbar iſt; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was
frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet
nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und
mich unerwärmt läßt? — O des Schwärmerglaubens!
Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts
von dem will, der Allwiſſend, Allmächtig und Allgütig
genennet wird! Schwach ſeyn und an Deine Allmacht
glauben — Dürftig ſeyn und an Dein reinſtes, immer
gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner
Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entſcheiden-
de Anwendung auf ſich und ſeine Bedürfniſſe machen —
— Kann das Glauben heiſſen? Krank ſeyn, elend ſeyn,
und an einen Arzt glauben, — und wohl gar Verach-
tung gegen die äuſſern, ſie bemitleiden und bejammern
die nicht an Ihn glauben — und dennoch dieſes Arztes
nicht wollen — und ſich mit dem Wort einwiegen: Es
iſt vielleicht ſein Wille nicht! Und dieß Wort jedem ſa-
gen, der krank und elend iſt — und auch von der Kunſt
und Güte dieſes Arztes gehört hat, und zum Glauben
an Ihn erweckt worden iſt — „Es iſt vielleicht Ver-

meſ-
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0109" n="81[101]"/><fw place="top" type="header">Macht und Erbarmen Je&#x017F;us.</fw><lb/>
oder will dir nicht helfen!&#x201E; &#x2014; Er, der <hi rendition="#fr">allen</hi> half,<lb/>
keinen, nicht Einen abwies &#x2014; und welcher von allen<lb/>
hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdien&#x017F;t vor Ihm? &#x2014;<lb/>
Waren nicht alle und jede Men&#x017F;chen von Erde? Sün-<lb/>
der? &#x2014; Er, der allen half, hilft auch dir, wenn<lb/>
dir&#x2019;s gegeben i&#x017F;t, mit der&#x017F;elben Glaubenseinfalt zu Ihm<lb/>
zu nahen, wie&#x2019;s jenen gegeben war &#x2014; Oder Er hat kei-<lb/>
nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt &#x017F;ein<lb/>
Name auf un&#x017F;ern Lippen, wenn &#x017F;eine Kraft uns nicht<lb/>
genießbar i&#x017F;t; Oder Er keine Kraft für <hi rendition="#fr">uns</hi> hat? Was<lb/>
frommet mir eine herrliche Sonne? die <hi rendition="#fr">alle</hi> erleuchtet<lb/>
nur <hi rendition="#fr">mich</hi> nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und<lb/>
mich unerwärmt läßt? &#x2014; O des Schwärmerglaubens!<lb/>
Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts<lb/>
von <hi rendition="#fr">dem</hi> will, der Allwi&#x017F;&#x017F;end, Allmächtig und Allgütig<lb/>
genennet wird! Schwach &#x017F;eyn und an Deine Allmacht<lb/>
glauben &#x2014; Dürftig &#x017F;eyn und an Dein rein&#x017F;tes, immer<lb/>
gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner<lb/>
Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine ent&#x017F;cheiden-<lb/>
de Anwendung auf &#x017F;ich und &#x017F;eine Bedürfni&#x017F;&#x017F;e machen &#x2014;<lb/>
&#x2014; Kann das Glauben hei&#x017F;&#x017F;en? Krank &#x017F;eyn, elend &#x017F;eyn,<lb/>
und an einen Arzt glauben, &#x2014; und wohl gar Verach-<lb/>
tung gegen die äu&#x017F;&#x017F;ern, &#x017F;ie bemitleiden und bejammern<lb/>
die nicht an Ihn glauben &#x2014; und dennoch die&#x017F;es Arztes<lb/>
nicht wollen &#x2014; und &#x017F;ich mit dem Wort einwiegen: Es<lb/>
i&#x017F;t vielleicht &#x017F;ein Wille nicht! Und dieß Wort jedem &#x017F;a-<lb/>
gen, der krank und elend i&#x017F;t &#x2014; und auch von der Kun&#x017F;t<lb/>
und Güte die&#x017F;es Arztes gehört hat, und zum Glauben<lb/>
an Ihn erweckt worden i&#x017F;t &#x2014; &#x201E;Es i&#x017F;t vielleicht Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">me&#x017F;-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81[101]/0109] Macht und Erbarmen Jeſus. oder will dir nicht helfen!„ — Er, der allen half, keinen, nicht Einen abwies — und welcher von allen hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienſt vor Ihm? — Waren nicht alle und jede Menſchen von Erde? Sün- der? — Er, der allen half, hilft auch dir, wenn dir’s gegeben iſt, mit derſelben Glaubenseinfalt zu Ihm zu nahen, wie’s jenen gegeben war — Oder Er hat kei- nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt ſein Name auf unſern Lippen, wenn ſeine Kraft uns nicht genießbar iſt; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und mich unerwärmt läßt? — O des Schwärmerglaubens! Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts von dem will, der Allwiſſend, Allmächtig und Allgütig genennet wird! Schwach ſeyn und an Deine Allmacht glauben — Dürftig ſeyn und an Dein reinſtes, immer gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entſcheiden- de Anwendung auf ſich und ſeine Bedürfniſſe machen — — Kann das Glauben heiſſen? Krank ſeyn, elend ſeyn, und an einen Arzt glauben, — und wohl gar Verach- tung gegen die äuſſern, ſie bemitleiden und bejammern die nicht an Ihn glauben — und dennoch dieſes Arztes nicht wollen — und ſich mit dem Wort einwiegen: Es iſt vielleicht ſein Wille nicht! Und dieß Wort jedem ſa- gen, der krank und elend iſt — und auch von der Kunſt und Güte dieſes Arztes gehört hat, und zum Glauben an Ihn erweckt worden iſt — „Es iſt vielleicht Ver- meſ- F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/109
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 81[101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/109>, abgerufen am 22.11.2024.