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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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den Thaler bezahlen, und zwar an den Prorektor.
Der Prorektor schickte, ich weiß nicht warum, den
Thaler aufs Rathhaus, und die Herren auf dem
Rathhaus ließen dem Becker sagen, er möge kom-
men, und seinen Thaler holen. Der Becker war eben
mit Arbeit überladen, und schickte die Frau hin,
weil er glaubte, diese könne eben so gut, als er
selbst, einen Thaler in Empfang nehmen. Als
die Frau in die Gerichtsstube kam, war von den
Herren noch niemand da -- es war nach eilf
Uhr -- als der Assessor Kornmann. Dieser fuhr
die Frau häßlich nnd mit den niedrigsten Schimpf-
reden an: die Frau, welche auch das Mäulchen bey
sich hatte, blieb ihm seine Invectiven nicht schuldig,
und so entstand ein förmliches Gezänke, welches
fortzusetzen Hr. Kornmann unter seiner Würde
hielt, worinn er dann auch vollkommen recht hatte:
denn es ist nichts abgeschmackter, als ein Gezänke
mit dem Richter in der Gerichtsstube, und doch
hört man dergleichen nicht selten. Die Frau
schwieg aber noch nicht, da gab er ihr, vielleicht
weil sie sich zu nahe machte, einen Stoß, und
klingelte den Häschern. Diese kamen und schlepp-
ten die Frau auf des Assessors Befehl in die Nep-
perey oder aufs Capitel, wo die Herren Neppen
ihr Standquartier haben. In der Nepperey blieb
die Frau nicht lange, sondern wurde nun ins Loch

den Thaler bezahlen, und zwar an den Prorektor.
Der Prorektor ſchickte, ich weiß nicht warum, den
Thaler aufs Rathhaus, und die Herren auf dem
Rathhaus ließen dem Becker ſagen, er moͤge kom-
men, und ſeinen Thaler holen. Der Becker war eben
mit Arbeit uͤberladen, und ſchickte die Frau hin,
weil er glaubte, dieſe koͤnne eben ſo gut, als er
ſelbſt, einen Thaler in Empfang nehmen. Als
die Frau in die Gerichtsſtube kam, war von den
Herren noch niemand da — es war nach eilf
Uhr — als der Aſſeſſor Kornmann. Dieſer fuhr
die Frau haͤßlich nnd mit den niedrigſten Schimpf-
reden an: die Frau, welche auch das Maͤulchen bey
ſich hatte, blieb ihm ſeine Invectiven nicht ſchuldig,
und ſo entſtand ein foͤrmliches Gezaͤnke, welches
fortzuſetzen Hr. Kornmann unter ſeiner Wuͤrde
hielt, worinn er dann auch vollkommen recht hatte:
denn es iſt nichts abgeſchmackter, als ein Gezaͤnke
mit dem Richter in der Gerichtsſtube, und doch
hoͤrt man dergleichen nicht ſelten. Die Frau
ſchwieg aber noch nicht, da gab er ihr, vielleicht
weil ſie ſich zu nahe machte, einen Stoß, und
klingelte den Haͤſchern. Dieſe kamen und ſchlepp-
ten die Frau auf des Aſſeſſors Befehl in die Nep-
perey oder aufs Capitel, wo die Herren Neppen
ihr Standquartier haben. In der Nepperey blieb
die Frau nicht lange, ſondern wurde nun ins Loch

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[266/0274] den Thaler bezahlen, und zwar an den Prorektor. Der Prorektor ſchickte, ich weiß nicht warum, den Thaler aufs Rathhaus, und die Herren auf dem Rathhaus ließen dem Becker ſagen, er moͤge kom- men, und ſeinen Thaler holen. Der Becker war eben mit Arbeit uͤberladen, und ſchickte die Frau hin, weil er glaubte, dieſe koͤnne eben ſo gut, als er ſelbſt, einen Thaler in Empfang nehmen. Als die Frau in die Gerichtsſtube kam, war von den Herren noch niemand da — es war nach eilf Uhr — als der Aſſeſſor Kornmann. Dieſer fuhr die Frau haͤßlich nnd mit den niedrigſten Schimpf- reden an: die Frau, welche auch das Maͤulchen bey ſich hatte, blieb ihm ſeine Invectiven nicht ſchuldig, und ſo entſtand ein foͤrmliches Gezaͤnke, welches fortzuſetzen Hr. Kornmann unter ſeiner Wuͤrde hielt, worinn er dann auch vollkommen recht hatte: denn es iſt nichts abgeſchmackter, als ein Gezaͤnke mit dem Richter in der Gerichtsſtube, und doch hoͤrt man dergleichen nicht ſelten. Die Frau ſchwieg aber noch nicht, da gab er ihr, vielleicht weil ſie ſich zu nahe machte, einen Stoß, und klingelte den Haͤſchern. Dieſe kamen und ſchlepp- ten die Frau auf des Aſſeſſors Befehl in die Nep- perey oder aufs Capitel, wo die Herren Neppen ihr Standquartier haben. In der Nepperey blieb die Frau nicht lange, ſondern wurde nun ins Loch

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/274>, abgerufen am 24.11.2024.