dem Kirschberg oder sonstwo Notitz erhielt, so folgt noch nicht, daß er mich herunter gemacht, und be- schimpft habe: denn wenn ein zerrißnes oder schmu- tziges Hemd beschimpft Quis tunc conservet honorem?
Ich erinnere mich noch eines alten jezt längst aus der Mode gekommnen Studentenliedes, wor- in es unter andern heißt:
Die Zeit macht alle Sachen stumpf, Utendum est dum durat, Ein dreckigt Hemd, ein Loch im Strumpf Philosophus non curat.
Das alte Liedchen hat nicht sehr unrecht: ich würde es daher dem Justitzcommissar auch nicht sehr übel nehmen, wenn er von meinem Hemd in seinen Cirkeln erzählt hätte.
Den Vorwurf der Freygeisterey und der Reli- gionsspötterey hat mir der Magistrat zu Nordhausen gewißer Maaßen schon vorher in seiner Bekannt- machung gemacht und Hr. Lange hatte bloß das gebilligt, was er mir wider die Religion in sei- nen Bogen in den Mund legte. Zu Nordhausen ist man so gut in der Welt, wie an andern Orten, das heißt, man glaubt auch da oft zu hören und zu verstehen, was man weder gehört noch verstanden hat. Ich habe zwar nicht eigentlich erfahren kön- nen, welche Aeußerung gegen die christliche Reli-
Laukh. Leben 5ter Theil. R
dem Kirſchberg oder ſonſtwo Notitz erhielt, ſo folgt noch nicht, daß er mich herunter gemacht, und be- ſchimpft habe: denn wenn ein zerrißnes oder ſchmu- tziges Hemd beſchimpft Quis tunc conſervet honorem?
Ich erinnere mich noch eines alten jezt laͤngſt aus der Mode gekommnen Studentenliedes, wor- in es unter andern heißt:
Die Zeit macht alle Sachen ſtumpf, Utendum eſt dum durat, Ein dreckigt Hemd, ein Loch im Strumpf Philoſophus non curat.
Das alte Liedchen hat nicht ſehr unrecht: ich wuͤrde es daher dem Juſtitzcommiſſar auch nicht ſehr uͤbel nehmen, wenn er von meinem Hemd in ſeinen Cirkeln erzaͤhlt haͤtte.
Den Vorwurf der Freygeiſterey und der Reli- gionsſpoͤtterey hat mir der Magiſtrat zu Nordhauſen gewißer Maaßen ſchon vorher in ſeiner Bekannt- machung gemacht und Hr. Lange hatte bloß das gebilligt, was er mir wider die Religion in ſei- nen Bogen in den Mund legte. Zu Nordhauſen iſt man ſo gut in der Welt, wie an andern Orten, das heißt, man glaubt auch da oft zu hoͤren und zu verſtehen, was man weder gehoͤrt noch verſtanden hat. Ich habe zwar nicht eigentlich erfahren koͤn- nen, welche Aeußerung gegen die chriſtliche Reli-
Laukh. Leben 5ter Theil. R
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0265"n="257"/>
dem Kirſchberg oder ſonſtwo Notitz erhielt, ſo folgt<lb/>
noch nicht, daß er mich herunter gemacht, und be-<lb/>ſchimpft habe: denn wenn ein zerrißnes oder ſchmu-<lb/>
tziges Hemd beſchimpft<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Quis tunc conſervet honorem?</hi></hi></p><lb/><p>Ich erinnere mich noch eines alten jezt laͤngſt<lb/>
aus der Mode gekommnen Studentenliedes, wor-<lb/>
in es unter andern heißt:</p><lb/><p><hirendition="#et">Die Zeit macht alle Sachen ſtumpf,<lb/><hirendition="#aq">Utendum eſt dum durat,</hi><lb/>
Ein dreckigt Hemd, ein Loch im Strumpf<lb/><hirendition="#aq">Philoſophus non curat.</hi></hi></p><lb/><p>Das alte Liedchen hat nicht ſehr unrecht: ich<lb/>
wuͤrde es daher dem Juſtitzcommiſſar auch nicht ſehr<lb/>
uͤbel nehmen, wenn er von meinem Hemd in ſeinen<lb/>
Cirkeln erzaͤhlt haͤtte.</p><lb/><p>Den Vorwurf der Freygeiſterey und der Reli-<lb/>
gionsſpoͤtterey hat mir der Magiſtrat zu Nordhauſen<lb/>
gewißer Maaßen ſchon vorher in ſeiner <hirendition="#g">Bekannt</hi>-<lb/><hirendition="#g">machung</hi> gemacht und Hr. Lange hatte bloß das<lb/>
gebilligt, was er mir wider die Religion in ſei-<lb/>
nen Bogen in den Mund legte. Zu Nordhauſen<lb/>
iſt man ſo gut in der Welt, wie an andern Orten,<lb/>
das heißt, man glaubt auch da oft zu hoͤren und zu<lb/>
verſtehen, was man weder gehoͤrt noch verſtanden<lb/>
hat. Ich habe zwar nicht eigentlich erfahren koͤn-<lb/>
nen, welche Aeußerung gegen die chriſtliche Reli-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Laukh. Leben 5ter Theil. R</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[257/0265]
dem Kirſchberg oder ſonſtwo Notitz erhielt, ſo folgt
noch nicht, daß er mich herunter gemacht, und be-
ſchimpft habe: denn wenn ein zerrißnes oder ſchmu-
tziges Hemd beſchimpft
Quis tunc conſervet honorem?
Ich erinnere mich noch eines alten jezt laͤngſt
aus der Mode gekommnen Studentenliedes, wor-
in es unter andern heißt:
Die Zeit macht alle Sachen ſtumpf,
Utendum eſt dum durat,
Ein dreckigt Hemd, ein Loch im Strumpf
Philoſophus non curat.
Das alte Liedchen hat nicht ſehr unrecht: ich
wuͤrde es daher dem Juſtitzcommiſſar auch nicht ſehr
uͤbel nehmen, wenn er von meinem Hemd in ſeinen
Cirkeln erzaͤhlt haͤtte.
Den Vorwurf der Freygeiſterey und der Reli-
gionsſpoͤtterey hat mir der Magiſtrat zu Nordhauſen
gewißer Maaßen ſchon vorher in ſeiner Bekannt-
machung gemacht und Hr. Lange hatte bloß das
gebilligt, was er mir wider die Religion in ſei-
nen Bogen in den Mund legte. Zu Nordhauſen
iſt man ſo gut in der Welt, wie an andern Orten,
das heißt, man glaubt auch da oft zu hoͤren und zu
verſtehen, was man weder gehoͤrt noch verſtanden
hat. Ich habe zwar nicht eigentlich erfahren koͤn-
nen, welche Aeußerung gegen die chriſtliche Reli-
Laukh. Leben 5ter Theil. R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/265>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.