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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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bis Tag beysammen blieb, und sich die Zeit mit
Koffee- und Schnappstrinken und Zotenreißen ver-
trieb. Hier konnte ein Sammler zotologischer
Anekdoten seinen Vorrath um ein starkes vermehren.

Weiter begegnete mir auf dieser Reise nichts
Sonderbares: doch lernte ich noch die wahre Ur-
sache kennen, warum die Weidenbäume, wenn sie
älter werden, pflegen aufzuplatzen, und diese muß
ich meinen Lesern mittheilen. Zwischen Scherben
und Passendorf kam ein hübscher Mensch zu mir,
welcher aus dem Mansfeldischen gebürtig war.
Wir sprachen von allerhand, endlich kamen wir an
eine Reihe Weidenbäume. "Sieh an, sagte ich,
die Bäume sind auch alle geborsten."

Er. Ja, wissen Sie aber auch warum?

Ich. O ja! Die Bäume werden oft ihres
Oberholzes beraubt: da muß also der Saft im
Stamm bleiben, und macht, daß dieser aufspringt.

Er. Larifari, das ist nicht wahr; ich weiß es
wohl besser.

Ich. Nun, und --

Er. Kennen Sie Judas, den Verräther?

Ich. Nein, den kenne ich nicht, aber gehört
habe ich von ihm. Wie kommt aber Judas, der
Verräther, und die Weidenbäume zusammen?

Er. O, sehr stark.


Laukh. Leben 5ter Theil. P

bis Tag beyſammen blieb, und ſich die Zeit mit
Koffee- und Schnappstrinken und Zotenreißen ver-
trieb. Hier konnte ein Sammler zotologiſcher
Anekdoten ſeinen Vorrath um ein ſtarkes vermehren.

Weiter begegnete mir auf dieſer Reiſe nichts
Sonderbares: doch lernte ich noch die wahre Ur-
ſache kennen, warum die Weidenbaͤume, wenn ſie
aͤlter werden, pflegen aufzuplatzen, und dieſe muß
ich meinen Leſern mittheilen. Zwiſchen Scherben
und Paſſendorf kam ein huͤbſcher Menſch zu mir,
welcher aus dem Mansfeldiſchen gebuͤrtig war.
Wir ſprachen von allerhand, endlich kamen wir an
eine Reihe Weidenbaͤume. „Sieh an, ſagte ich,
die Baͤume ſind auch alle geborſten.“

Er. Ja, wiſſen Sie aber auch warum?

Ich. O ja! Die Baͤume werden oft ihres
Oberholzes beraubt: da muß alſo der Saft im
Stamm bleiben, und macht, daß dieſer aufſpringt.

Er. Larifari, das iſt nicht wahr; ich weiß es
wohl beſſer.

Ich. Nun, und —

Er. Kennen Sie Judas, den Verraͤther?

Ich. Nein, den kenne ich nicht, aber gehoͤrt
habe ich von ihm. Wie kommt aber Judas, der
Verraͤther, und die Weidenbaͤume zuſammen?

Er. O, ſehr ſtark.


Laukh. Leben 5ter Theil. P
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[225/0233] bis Tag beyſammen blieb, und ſich die Zeit mit Koffee- und Schnappstrinken und Zotenreißen ver- trieb. Hier konnte ein Sammler zotologiſcher Anekdoten ſeinen Vorrath um ein ſtarkes vermehren. Weiter begegnete mir auf dieſer Reiſe nichts Sonderbares: doch lernte ich noch die wahre Ur- ſache kennen, warum die Weidenbaͤume, wenn ſie aͤlter werden, pflegen aufzuplatzen, und dieſe muß ich meinen Leſern mittheilen. Zwiſchen Scherben und Paſſendorf kam ein huͤbſcher Menſch zu mir, welcher aus dem Mansfeldiſchen gebuͤrtig war. Wir ſprachen von allerhand, endlich kamen wir an eine Reihe Weidenbaͤume. „Sieh an, ſagte ich, die Baͤume ſind auch alle geborſten.“ Er. Ja, wiſſen Sie aber auch warum? Ich. O ja! Die Baͤume werden oft ihres Oberholzes beraubt: da muß alſo der Saft im Stamm bleiben, und macht, daß dieſer aufſpringt. Er. Larifari, das iſt nicht wahr; ich weiß es wohl beſſer. Ich. Nun, und — Er. Kennen Sie Judas, den Verraͤther? Ich. Nein, den kenne ich nicht, aber gehoͤrt habe ich von ihm. Wie kommt aber Judas, der Verraͤther, und die Weidenbaͤume zuſammen? Er. O, ſehr ſtark. Laukh. Leben 5ter Theil. P

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/233>, abgerufen am 27.11.2024.