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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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infra rede ich noch ein Wörtchen mit meinen Re-
censenten, oder vielmehr mit meinen Lesern: denn
Recensenten lesen selten mehr von den Büchern,
als den Titel und die Vorrede; den Rest durch-
blättern sie nur.

Meine Frau brachte bald nach unserm Einzuge
in Schäfers Residenz einen zweyten derben Jun-
gen. Nach christlicher Gewohnheit und nach den
Landesgesetzen, oder vielmehr nach geistlichen
Verordnungen, welche der Landesherr bestätigt
hat, mußte ich den Jungen taufen lassen, und Herr
Prof. Güte taufte ihn. Als dieser sonst gelehrte
und rechtschaffne Mann meinen ersten taufte, hatte
er das alte Formular, nach welchem das arme
acht- oder zehntägige Kind gefragt wird: ob es
dem Teufel, und allen seinen Werken und Wesen
entsage? Ob es an Gott Vater, an Jesum Chri-
stum, der empfangen ist vom heiligen Geiste, ge-
boren aus Maria der Jungfrauen, der niederge-
fahren ist zur Höllen, an eine Auferstehung des
Fleisches u. s. w. glaube? Ob es wolle getauft
seyn? u. s. w. Lauter Fragen, die sich einem
kleinen Kinde nicht vorlegen lassen, und die
mit der sonst ehrwürdigen Handlung der Taufe ei-
nen seltsamen Contrast machen. Denn wenn man
auch zugeben muß, daß die Kindertaufe nicht ab-
gestellt werden kann, so muß doch auch zugegeben

infra rede ich noch ein Woͤrtchen mit meinen Re-
cenſenten, oder vielmehr mit meinen Leſern: denn
Recenſenten leſen ſelten mehr von den Buͤchern,
als den Titel und die Vorrede; den Reſt durch-
blaͤttern ſie nur.

Meine Frau brachte bald nach unſerm Einzuge
in Schaͤfers Reſidenz einen zweyten derben Jun-
gen. Nach chriſtlicher Gewohnheit und nach den
Landesgeſetzen, oder vielmehr nach geiſtlichen
Verordnungen, welche der Landesherr beſtaͤtigt
hat, mußte ich den Jungen taufen laſſen, und Herr
Prof. Guͤte taufte ihn. Als dieſer ſonſt gelehrte
und rechtſchaffne Mann meinen erſten taufte, hatte
er das alte Formular, nach welchem das arme
acht- oder zehntaͤgige Kind gefragt wird: ob es
dem Teufel, und allen ſeinen Werken und Weſen
entſage? Ob es an Gott Vater, an Jeſum Chri-
ſtum, der empfangen iſt vom heiligen Geiſte, ge-
boren aus Maria der Jungfrauen, der niederge-
fahren iſt zur Hoͤllen, an eine Auferſtehung des
Fleiſches u. ſ. w. glaube? Ob es wolle getauft
ſeyn? u. ſ. w. Lauter Fragen, die ſich einem
kleinen Kinde nicht vorlegen laſſen, und die
mit der ſonſt ehrwuͤrdigen Handlung der Taufe ei-
nen ſeltſamen Contraſt machen. Denn wenn man
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[156/0164] infra rede ich noch ein Woͤrtchen mit meinen Re- cenſenten, oder vielmehr mit meinen Leſern: denn Recenſenten leſen ſelten mehr von den Buͤchern, als den Titel und die Vorrede; den Reſt durch- blaͤttern ſie nur. Meine Frau brachte bald nach unſerm Einzuge in Schaͤfers Reſidenz einen zweyten derben Jun- gen. Nach chriſtlicher Gewohnheit und nach den Landesgeſetzen, oder vielmehr nach geiſtlichen Verordnungen, welche der Landesherr beſtaͤtigt hat, mußte ich den Jungen taufen laſſen, und Herr Prof. Guͤte taufte ihn. Als dieſer ſonſt gelehrte und rechtſchaffne Mann meinen erſten taufte, hatte er das alte Formular, nach welchem das arme acht- oder zehntaͤgige Kind gefragt wird: ob es dem Teufel, und allen ſeinen Werken und Weſen entſage? Ob es an Gott Vater, an Jeſum Chri- ſtum, der empfangen iſt vom heiligen Geiſte, ge- boren aus Maria der Jungfrauen, der niederge- fahren iſt zur Hoͤllen, an eine Auferſtehung des Fleiſches u. ſ. w. glaube? Ob es wolle getauft ſeyn? u. ſ. w. Lauter Fragen, die ſich einem kleinen Kinde nicht vorlegen laſſen, und die mit der ſonſt ehrwuͤrdigen Handlung der Taufe ei- nen ſeltſamen Contraſt machen. Denn wenn man auch zugeben muß, daß die Kindertaufe nicht ab- geſtellt werden kann, ſo muß doch auch zugegeben

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/164>, abgerufen am 28.11.2024.