nicht; welche um den König waren, vorzüglich fürchtete ich, ein gewisser Theologe, dessen Per- sonnage dem Monarchen wichtig scheinen mußte, mögte mir einen üblen Gefallen thun, aus reiner Menschenliebe nämlich, wie sichs von selbst ver- steht. Es ist eine gar herrliche Sache um die Gesetze und die Moral: wer klug ist, kann immer seinen Leidenschaften Gehör geben, und findet doch immer gute Gründe zur Entschuldigung, und zur Beschönigung der unbilligsten Dinge findet man Gesetze. Sollte man wohl folgenden Vorfall glau- ben? Und doch hat sich die Sache gerade so zuge- tragen, wie ich sie erzähle.
Ein gewisser Student der Rechte, aus Schle- sien gebürtig, suchte vor einiger Zeit, etwan vor sechs Monaten, um den Freytisch nach: man machte ihm Hoffnung dazu, und er stellte sich zum Examen. Weder gegen seine Kenntnisse, welche gar nicht gemein sind, noch gegen seine Lebensart, welche sehr regelmäßig und gesittet ist, konnte das Geringste eingewendet werden, und doch erhielt er den ihm zugesagten Freytisch nicht, weil er -- katholisch war. Wenn etwan ein Pastor Götz zu Hamburg, ein Professor Seiler in Erlan- gen, oder ein Bechtold in Gießen so einen Grund das Beneficium zu versagen, angeführt hätten, wollte ich kein Wort sagen: denn bey diesen Leuten
nicht; welche um den Koͤnig waren, vorzuͤglich fuͤrchtete ich, ein gewiſſer Theologe, deſſen Per- ſonnage dem Monarchen wichtig ſcheinen mußte, moͤgte mir einen uͤblen Gefallen thun, aus reiner Menſchenliebe naͤmlich, wie ſichs von ſelbſt ver- ſteht. Es iſt eine gar herrliche Sache um die Geſetze und die Moral: wer klug iſt, kann immer ſeinen Leidenſchaften Gehoͤr geben, und findet doch immer gute Gruͤnde zur Entſchuldigung, und zur Beſchoͤnigung der unbilligſten Dinge findet man Geſetze. Sollte man wohl folgenden Vorfall glau- ben? Und doch hat ſich die Sache gerade ſo zuge- tragen, wie ich ſie erzaͤhle.
Ein gewiſſer Student der Rechte, aus Schle- ſien gebuͤrtig, ſuchte vor einiger Zeit, etwan vor ſechs Monaten, um den Freytiſch nach: man machte ihm Hoffnung dazu, und er ſtellte ſich zum Examen. Weder gegen ſeine Kenntniſſe, welche gar nicht gemein ſind, noch gegen ſeine Lebensart, welche ſehr regelmaͤßig und geſittet iſt, konnte das Geringſte eingewendet werden, und doch erhielt er den ihm zugeſagten Freytiſch nicht, weil er — katholiſch war. Wenn etwan ein Paſtor Goͤtz zu Hamburg, ein Profeſſor Seiler in Erlan- gen, oder ein Bechtold in Gießen ſo einen Grund das Beneficium zu verſagen, angefuͤhrt haͤtten, wollte ich kein Wort ſagen: denn bey dieſen Leuten
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nicht; welche um den Koͤnig waren, vorzuͤglich
fuͤrchtete ich, ein gewiſſer Theologe, deſſen Per-
ſonnage dem Monarchen wichtig ſcheinen mußte,
moͤgte mir einen uͤblen Gefallen thun, aus reiner
Menſchenliebe naͤmlich, wie ſichs von ſelbſt ver-
ſteht. Es iſt eine gar herrliche Sache um die
Geſetze und die Moral: wer klug iſt, kann immer
ſeinen Leidenſchaften Gehoͤr geben, und findet doch
immer gute Gruͤnde zur Entſchuldigung, und zur
Beſchoͤnigung der unbilligſten Dinge findet man
Geſetze. Sollte man wohl folgenden Vorfall glau-
ben? Und doch hat ſich die Sache gerade ſo zuge-
tragen, wie ich ſie erzaͤhle.
Ein gewiſſer Student der Rechte, aus Schle-
ſien gebuͤrtig, ſuchte vor einiger Zeit, etwan vor
ſechs Monaten, um den Freytiſch nach: man
machte ihm Hoffnung dazu, und er ſtellte ſich zum
Examen. Weder gegen ſeine Kenntniſſe, welche
gar nicht gemein ſind, noch gegen ſeine Lebensart,
welche ſehr regelmaͤßig und geſittet iſt, konnte das
Geringſte eingewendet werden, und doch erhielt
er den ihm zugeſagten Freytiſch nicht, weil er —
katholiſch war. Wenn etwan ein Paſtor
Goͤtz zu Hamburg, ein Profeſſor Seiler in Erlan-
gen, oder ein Bechtold in Gießen ſo einen Grund
das Beneficium zu verſagen, angefuͤhrt haͤtten,
wollte ich kein Wort ſagen: denn bey dieſen Leuten
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/148>, abgerufen am 22.11.2024.
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