nächste Thor mit anhören mußten. Man stelle sich die Qual der Schönen vor! Doch sagte man, einige hätten Gefallen an dem galanten Vortrag der Bursche gefunden. Nachdem diese zotologi- sche Schnurre etwan sechs Mal wiederholt worden war, vermieden alle Frauenzimmer den Wall! Das war eine Großthat der damaligen Gießer Burschen würdig.
Indessen dürfen unsre heutigen Universitäter eben nicht so gar stolz thun, wenn sie die zotolo- gischen Geniestreiche der ehemaligen lesen, und ihre, freylich in gar vieler Hinsicht bessere, we- nigstens feinere Lebensart, dagegen halten. Die ältern Studenten hatten Tugenden, welche zu un- serer Zeit anfangen, gewaltig rar und selten zu wer- den, und dahin gehört vorzüglich die Ehrlichkeit im Bezahlen. Ich weiß noch die Zeit, wo es eine Schande war, zu prellen, oder per Schwanz, wie man sagt, von der Universität abzufahren. Das Wuchten, oder das geheime Abziehen aus einem Wirthshause, ohne die Zeche zu bezahlen, war vollends schimpflich. Ein gewisser Mayer zu Giessen ließ sich einst Spek und Eyer in Heuchel- heim machen, und wuchtete sich. Die Wirthin klagte es andern Studenten, und Mayer mußte nicht nur die Zeche bezahlen, sondern bey jeder Ge- legenheit sang man ihm folgendes Epigramm vor:
naͤchſte Thor mit anhoͤren mußten. Man ſtelle ſich die Qual der Schoͤnen vor! Doch ſagte man, einige haͤtten Gefallen an dem galanten Vortrag der Burſche gefunden. Nachdem dieſe zotologi- ſche Schnurre etwan ſechs Mal wiederholt worden war, vermieden alle Frauenzimmer den Wall! Das war eine Großthat der damaligen Gießer Burſchen wuͤrdig.
Indeſſen duͤrfen unſre heutigen Univerſitaͤter eben nicht ſo gar ſtolz thun, wenn ſie die zotolo- giſchen Genieſtreiche der ehemaligen leſen, und ihre, freylich in gar vieler Hinſicht beſſere, we- nigſtens feinere Lebensart, dagegen halten. Die aͤltern Studenten hatten Tugenden, welche zu un- ſerer Zeit anfangen, gewaltig rar und ſelten zu wer- den, und dahin gehoͤrt vorzuͤglich die Ehrlichkeit im Bezahlen. Ich weiß noch die Zeit, wo es eine Schande war, zu prellen, oder per Schwanz, wie man ſagt, von der Univerſitaͤt abzufahren. Das Wuchten, oder das geheime Abziehen aus einem Wirthshauſe, ohne die Zeche zu bezahlen, war vollends ſchimpflich. Ein gewiſſer Mayer zu Gieſſen ließ ſich einſt Spek und Eyer in Heuchel- heim machen, und wuchtete ſich. Die Wirthin klagte es andern Studenten, und Mayer mußte nicht nur die Zeche bezahlen, ſondern bey jeder Ge- legenheit ſang man ihm folgendes Epigramm vor:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0119"n="111"/>
naͤchſte Thor mit anhoͤren mußten. Man ſtelle<lb/>ſich die Qual der Schoͤnen vor! Doch ſagte man,<lb/>
einige haͤtten Gefallen an dem galanten Vortrag<lb/>
der Burſche gefunden. Nachdem dieſe zotologi-<lb/>ſche Schnurre etwan ſechs Mal wiederholt worden<lb/>
war, vermieden alle Frauenzimmer den Wall!<lb/>
Das war eine Großthat der damaligen Gießer<lb/>
Burſchen wuͤrdig.</p><lb/><p>Indeſſen duͤrfen unſre heutigen Univerſitaͤter<lb/>
eben nicht ſo gar ſtolz thun, wenn ſie die zotolo-<lb/>
giſchen Genieſtreiche der ehemaligen leſen, und<lb/>
ihre, freylich in gar vieler Hinſicht beſſere, we-<lb/>
nigſtens feinere Lebensart, dagegen halten. Die<lb/>
aͤltern Studenten hatten Tugenden, welche zu un-<lb/>ſerer Zeit anfangen, gewaltig rar und ſelten zu wer-<lb/>
den, und dahin gehoͤrt vorzuͤglich die Ehrlichkeit im<lb/>
Bezahlen. Ich weiß noch die Zeit, wo es eine<lb/>
Schande war, zu prellen, oder <hirendition="#aq">per</hi> Schwanz, wie<lb/>
man ſagt, von der Univerſitaͤt abzufahren. Das<lb/><hirendition="#g">Wuchten</hi>, oder das geheime Abziehen aus einem<lb/>
Wirthshauſe, ohne die Zeche zu bezahlen, war<lb/>
vollends ſchimpflich. Ein gewiſſer Mayer zu<lb/>
Gieſſen ließ ſich einſt Spek und Eyer in Heuchel-<lb/>
heim machen, und wuchtete ſich. Die Wirthin<lb/>
klagte es andern Studenten, und Mayer mußte<lb/>
nicht nur die Zeche bezahlen, ſondern bey jeder Ge-<lb/>
legenheit ſang man ihm folgendes Epigramm vor:</p><lb/></div></body></text></TEI>
[111/0119]
naͤchſte Thor mit anhoͤren mußten. Man ſtelle
ſich die Qual der Schoͤnen vor! Doch ſagte man,
einige haͤtten Gefallen an dem galanten Vortrag
der Burſche gefunden. Nachdem dieſe zotologi-
ſche Schnurre etwan ſechs Mal wiederholt worden
war, vermieden alle Frauenzimmer den Wall!
Das war eine Großthat der damaligen Gießer
Burſchen wuͤrdig.
Indeſſen duͤrfen unſre heutigen Univerſitaͤter
eben nicht ſo gar ſtolz thun, wenn ſie die zotolo-
giſchen Genieſtreiche der ehemaligen leſen, und
ihre, freylich in gar vieler Hinſicht beſſere, we-
nigſtens feinere Lebensart, dagegen halten. Die
aͤltern Studenten hatten Tugenden, welche zu un-
ſerer Zeit anfangen, gewaltig rar und ſelten zu wer-
den, und dahin gehoͤrt vorzuͤglich die Ehrlichkeit im
Bezahlen. Ich weiß noch die Zeit, wo es eine
Schande war, zu prellen, oder per Schwanz, wie
man ſagt, von der Univerſitaͤt abzufahren. Das
Wuchten, oder das geheime Abziehen aus einem
Wirthshauſe, ohne die Zeche zu bezahlen, war
vollends ſchimpflich. Ein gewiſſer Mayer zu
Gieſſen ließ ſich einſt Spek und Eyer in Heuchel-
heim machen, und wuchtete ſich. Die Wirthin
klagte es andern Studenten, und Mayer mußte
nicht nur die Zeche bezahlen, ſondern bey jeder Ge-
legenheit ſang man ihm folgendes Epigramm vor:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/119>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.