Gießen sahen also früh am Neujahrstag gar häß- lich aus, und allerwegen hörte man Verwünschun- gen über die Garstigmacher. Dieser löblichen Ge- wohnheit wegen waren zu Gießen nur irdene Nacht- geschirre: denn zinnerne zum pereat des alten Jah- res auf die Straße zu werfen, wäre doch zu kost- bar gewesen.
Zwischen dem Gießer Militär und den Stu- denten herrschte die innigste Einigkeit, und die mei- sten oder vielmehr alle Subaltern-Offiziere waren Duzbrüder der Bursche, und kommerschirten so- gar mit denselben. Ich erinnere mich, einst einem solchen Hospiz unter dem Präsidium des Hn. Leut- nants, jezt längst Hauptmanns P... im Hirsch bey Magnus beygewohnt zu haben. In Halle würde so etwas gewaltig auffallen, und wohl gar auf Seiten der Offiziere Verdruß und Strafen nach sich ziehen, aber in Gießen war das eine Kleinigkeit, worauf niemand Rücksicht nahm. Ich weiß aber auch nicht, welches besser ist, oder wel- ches weniger schadet, mit den Studenten kommer- schiren, oder mit ihnen die Bordelle oder Buff- keller besuchen. Bey der innigen Einigkeit der Studenten und der Offiziere entstanden keine Hän- del und Schlägereyen unter ihnen; ich erinnere mich nur eines einzigen Duells, welches zwischen einem Leutnant und einem Studenten wegen Jung-
Laukh. Leben 5ter Theil. G
Gießen ſahen alſo fruͤh am Neujahrstag gar haͤß- lich aus, und allerwegen hoͤrte man Verwuͤnſchun- gen uͤber die Garſtigmacher. Dieſer loͤblichen Ge- wohnheit wegen waren zu Gießen nur irdene Nacht- geſchirre: denn zinnerne zum pereat des alten Jah- res auf die Straße zu werfen, waͤre doch zu koſt- bar geweſen.
Zwiſchen dem Gießer Militaͤr und den Stu- denten herrſchte die innigſte Einigkeit, und die mei- ſten oder vielmehr alle Subaltern-Offiziere waren Duzbruͤder der Burſche, und kommerſchirten ſo- gar mit denſelben. Ich erinnere mich, einſt einem ſolchen Hoſpiz unter dem Praͤſidium des Hn. Leut- nants, jezt laͤngſt Hauptmanns P... im Hirſch bey Magnus beygewohnt zu haben. In Halle wuͤrde ſo etwas gewaltig auffallen, und wohl gar auf Seiten der Offiziere Verdruß und Strafen nach ſich ziehen, aber in Gießen war das eine Kleinigkeit, worauf niemand Ruͤckſicht nahm. Ich weiß aber auch nicht, welches beſſer iſt, oder wel- ches weniger ſchadet, mit den Studenten kommer- ſchiren, oder mit ihnen die Bordelle oder Buff- keller beſuchen. Bey der innigen Einigkeit der Studenten und der Offiziere entſtanden keine Haͤn- del und Schlaͤgereyen unter ihnen; ich erinnere mich nur eines einzigen Duells, welches zwiſchen einem Leutnant und einem Studenten wegen Jung-
Laukh. Leben 5ter Theil. G
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Gießen ſahen alſo fruͤh am Neujahrstag gar haͤß-
lich aus, und allerwegen hoͤrte man Verwuͤnſchun-
gen uͤber die Garſtigmacher. Dieſer loͤblichen Ge-
wohnheit wegen waren zu Gießen nur irdene Nacht-
geſchirre: denn zinnerne zum pereat des alten Jah-
res auf die Straße zu werfen, waͤre doch zu koſt-
bar geweſen.
Zwiſchen dem Gießer Militaͤr und den Stu-
denten herrſchte die innigſte Einigkeit, und die mei-
ſten oder vielmehr alle Subaltern-Offiziere waren
Duzbruͤder der Burſche, und kommerſchirten ſo-
gar mit denſelben. Ich erinnere mich, einſt einem
ſolchen Hoſpiz unter dem Praͤſidium des Hn. Leut-
nants, jezt laͤngſt Hauptmanns P... im Hirſch
bey Magnus beygewohnt zu haben. In Halle
wuͤrde ſo etwas gewaltig auffallen, und wohl gar
auf Seiten der Offiziere Verdruß und Strafen
nach ſich ziehen, aber in Gießen war das eine
Kleinigkeit, worauf niemand Ruͤckſicht nahm. Ich
weiß aber auch nicht, welches beſſer iſt, oder wel-
ches weniger ſchadet, mit den Studenten kommer-
ſchiren, oder mit ihnen die Bordelle oder Buff-
keller beſuchen. Bey der innigen Einigkeit der
Studenten und der Offiziere entſtanden keine Haͤn-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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