Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

sagten die Chirurgen; ce sont des scelerats, des pen-
darts,
sagte der Direktor und der Kriegskommissär.

Das äußere Ansehen der meisten dieser [Bu]ben
war eben so abscheulich: sie glichen in allen Stü-
cken den verworfensten Bettlern. Beyher regierte
Krätze und venerische Krankheit bey den Meisten.
Kurz: man kann sich nichts abscheulicheres denken,
als diesen Auswurf der Menschheit.

Die Franzosen wurden gegen diese Unholde end-
lich so aufgebracht, daß Deserteur und Taugenichts
beynahe Synonyme wurden. Anfänglich genossen
die Deserteurs ihre völlige Freyheit, und brauchten
in den Distrikten keinen Paß; aber als sie anfingen,
in den Dörfern und auf dem Felde zu plündern
und zu stehlen: da erst erhielten die Kommendan-
ten Befehl, nur solchen einen Paß zu geben, die
ehrlich zu seyn schienen. Ich, ohne Ruhm zu mel-
den, habe immer einen Paß gehabt.

Man bemühte sich, den Ausreißern Arbeit und
Gelegenheit zu Verdienst zu verschaffen, aber die
meisten mogten nicht arbeiten, und ließen sich lie-
ber von den lästigen Hemd-Insekten anfressen. In
Macon arbeiteten zu meiner Zeit mehr als 300 an
dem Abtragen des Walls, womit diese Stadt, wie
ehemals Leipzig, umgeben war. Der Mann er-
hielt täglich 20 Sous, zweymal Suppe, ein Pf.
Fleisch und eine Bouteille Wein, außer seiner Löh-

ſagten die Chirurgen; ce ſont des ſcélérats, des pen-
darts,
ſagte der Direktor und der Kriegskommiſſaͤr.

Das aͤußere Anſehen der meiſten dieſer [Bu]ben
war eben ſo abſcheulich: ſie glichen in allen Stuͤ-
cken den verworfenſten Bettlern. Beyher regierte
Kraͤtze und veneriſche Krankheit bey den Meiſten.
Kurz: man kann ſich nichts abſcheulicheres denken,
als dieſen Auswurf der Menſchheit.

Die Franzoſen wurden gegen dieſe Unholde end-
lich ſo aufgebracht, daß Deſerteur und Taugenichts
beynahe Synonyme wurden. Anfaͤnglich genoſſen
die Deſerteurs ihre voͤllige Freyheit, und brauchten
in den Diſtrikten keinen Paß; aber als ſie anfingen,
in den Doͤrfern und auf dem Felde zu pluͤndern
und zu ſtehlen: da erſt erhielten die Kommendan-
ten Befehl, nur ſolchen einen Paß zu geben, die
ehrlich zu ſeyn ſchienen. Ich, ohne Ruhm zu mel-
den, habe immer einen Paß gehabt.

Man bemuͤhte ſich, den Ausreißern Arbeit und
Gelegenheit zu Verdienſt zu verſchaffen, aber die
meiſten mogten nicht arbeiten, und ließen ſich lie-
ber von den laͤſtigen Hemd-Inſekten anfreſſen. In
Mâcon arbeiteten zu meiner Zeit mehr als 300 an
dem Abtragen des Walls, womit dieſe Stadt, wie
ehemals Leipzig, umgeben war. Der Mann er-
hielt taͤglich 20 Sous, zweymal Suppe, ein Pf.
Fleiſch und eine Bouteille Wein, außer ſeiner Loͤh-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="75"/>
&#x017F;agten die Chirurgen; <hi rendition="#aq">ce &#x017F;ont des &#x017F;célérats, des pen-<lb/>
darts,</hi> &#x017F;agte der Direktor und der Kriegskommi&#x017F;&#x017F;a&#x0364;r.</p><lb/>
        <p>Das a&#x0364;ußere An&#x017F;ehen der mei&#x017F;ten die&#x017F;er <supplied>Bu</supplied>ben<lb/>
war eben &#x017F;o ab&#x017F;cheulich: &#x017F;ie glichen in allen Stu&#x0364;-<lb/>
cken den verworfen&#x017F;ten Bettlern. Beyher regierte<lb/>
Kra&#x0364;tze und veneri&#x017F;che Krankheit bey den Mei&#x017F;ten.<lb/>
Kurz: man kann &#x017F;ich nichts ab&#x017F;cheulicheres denken,<lb/>
als die&#x017F;en Auswurf der Men&#x017F;chheit.</p><lb/>
        <p>Die Franzo&#x017F;en wurden gegen die&#x017F;e Unholde end-<lb/>
lich &#x017F;o aufgebracht, daß De&#x017F;erteur und Taugenichts<lb/>
beynahe Synonyme wurden. Anfa&#x0364;nglich geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die De&#x017F;erteurs ihre vo&#x0364;llige Freyheit, und brauchten<lb/>
in den Di&#x017F;trikten keinen Paß; aber als &#x017F;ie anfingen,<lb/>
in den Do&#x0364;rfern und auf dem Felde zu plu&#x0364;ndern<lb/>
und zu &#x017F;tehlen: da er&#x017F;t erhielten die Kommendan-<lb/>
ten Befehl, nur &#x017F;olchen einen Paß zu geben, die<lb/>
ehrlich zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen. Ich, ohne Ruhm zu mel-<lb/>
den, habe immer einen Paß gehabt.</p><lb/>
        <p>Man bemu&#x0364;hte &#x017F;ich, den Ausreißern Arbeit und<lb/>
Gelegenheit zu Verdien&#x017F;t zu ver&#x017F;chaffen, aber die<lb/>
mei&#x017F;ten mogten nicht arbeiten, und ließen &#x017F;ich lie-<lb/>
ber von den la&#x0364;&#x017F;tigen Hemd-In&#x017F;ekten anfre&#x017F;&#x017F;en. In<lb/>
M<hi rendition="#aq">â</hi>con arbeiteten zu meiner Zeit mehr als 300 an<lb/>
dem Abtragen des Walls, womit die&#x017F;e Stadt, wie<lb/>
ehemals Leipzig, umgeben war. Der Mann er-<lb/>
hielt ta&#x0364;glich 20 Sous, zweymal Suppe, ein Pf.<lb/>
Flei&#x017F;ch und eine Bouteille Wein, außer &#x017F;einer Lo&#x0364;h-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0079] ſagten die Chirurgen; ce ſont des ſcélérats, des pen- darts, ſagte der Direktor und der Kriegskommiſſaͤr. Das aͤußere Anſehen der meiſten dieſer Buben war eben ſo abſcheulich: ſie glichen in allen Stuͤ- cken den verworfenſten Bettlern. Beyher regierte Kraͤtze und veneriſche Krankheit bey den Meiſten. Kurz: man kann ſich nichts abſcheulicheres denken, als dieſen Auswurf der Menſchheit. Die Franzoſen wurden gegen dieſe Unholde end- lich ſo aufgebracht, daß Deſerteur und Taugenichts beynahe Synonyme wurden. Anfaͤnglich genoſſen die Deſerteurs ihre voͤllige Freyheit, und brauchten in den Diſtrikten keinen Paß; aber als ſie anfingen, in den Doͤrfern und auf dem Felde zu pluͤndern und zu ſtehlen: da erſt erhielten die Kommendan- ten Befehl, nur ſolchen einen Paß zu geben, die ehrlich zu ſeyn ſchienen. Ich, ohne Ruhm zu mel- den, habe immer einen Paß gehabt. Man bemuͤhte ſich, den Ausreißern Arbeit und Gelegenheit zu Verdienſt zu verſchaffen, aber die meiſten mogten nicht arbeiten, und ließen ſich lie- ber von den laͤſtigen Hemd-Inſekten anfreſſen. In Mâcon arbeiteten zu meiner Zeit mehr als 300 an dem Abtragen des Walls, womit dieſe Stadt, wie ehemals Leipzig, umgeben war. Der Mann er- hielt taͤglich 20 Sous, zweymal Suppe, ein Pf. Fleiſch und eine Bouteille Wein, außer ſeiner Loͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/79
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/79>, abgerufen am 25.11.2024.