Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

uns ins ehemalige Kapuzinerkloster. Wer nicht
gehen konnte, den fuhr man.

Hier lag ich noch ohngefähr 4 Wochen, bis in
den halben November. Da aber kein Platz für mich,
als Krankenwärter, aufging, so entschloß ich
mich, Mittel zu suchen, wie ich ohne Gefahr aus
Frankreich kommen könnte: denn einmal war ich
i[mm]er in einer gefährlichen Lage, und es konnte
leicht sich noch etwas entdecken, das mir höchst
schädlich hätte werden können. Man weiß ja das
Sprichwort, daß der Verräther nicht schläft. Ich
schrieb also nach Halle an den rechtschaffnen Herrn
Bispink, und was seine Antwort enthalten und
bewirkt hat, soll weiter unten erzählt werden.

Ich verließ endlich mit Herrn Leutnant von
Brandenstein das Hospital, und legte mich
wieder in die Kaserne, aber, lieber Gott, wie sah
es da aus, als ich jezt hinkam! Das Stübchen,
worauf ich ehedem Quartier gehabt hatte, war
ganz zerstöhrt: die Thüren des ganzen weitläu-
figen Klosters waren fast alle verbrannt, so, wie
die Fenster und Dielen, die man nur hatte auf-
reißen können. Blos jene Zimmer waren ver-
sch[o]nt geblieben, worin die Deserteurs lagen,
deren noch ohngefähr 60 von mehr als 800 in
Dijon haußten: die übrigen hatte man, wie ich

uns ins ehemalige Kapuzinerkloſter. Wer nicht
gehen konnte, den fuhr man.

Hier lag ich noch ohngefaͤhr 4 Wochen, bis in
den halben November. Da aber kein Platz fuͤr mich,
als Krankenwaͤrter, aufging, ſo entſchloß ich
mich, Mittel zu ſuchen, wie ich ohne Gefahr aus
Frankreich kommen koͤnnte: denn einmal war ich
i[mm]er in einer gefaͤhrlichen Lage, und es konnte
leicht ſich noch etwas entdecken, das mir hoͤchſt
ſchaͤdlich haͤtte werden koͤnnen. Man weiß ja das
Sprichwort, daß der Verraͤther nicht ſchlaͤft. Ich
ſchrieb alſo nach Halle an den rechtſchaffnen Herrn
Bispink, und was ſeine Antwort enthalten und
bewirkt hat, ſoll weiter unten erzaͤhlt werden.

Ich verließ endlich mit Herrn Leutnant von
Brandenſtein das Hoſpital, und legte mich
wieder in die Kaſerne, aber, lieber Gott, wie ſah
es da aus, als ich jezt hinkam! Das Stuͤbchen,
worauf ich ehedem Quartier gehabt hatte, war
ganz zerſtoͤhrt: die Thuͤren des ganzen weitlaͤu-
figen Kloſters waren faſt alle verbrannt, ſo, wie
die Fenſter und Dielen, die man nur hatte auf-
reißen koͤnnen. Blos jene Zimmer waren ver-
ſch[o]nt geblieben, worin die Deſerteurs lagen,
deren noch ohngefaͤhr 60 von mehr als 800 in
Dijon haußten: die uͤbrigen hatte man, wie ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="72"/>
uns ins ehemalige Kapuzinerklo&#x017F;ter. Wer nicht<lb/>
gehen konnte, den fuhr man.</p><lb/>
        <p>Hier lag ich noch ohngefa&#x0364;hr 4 Wochen, bis in<lb/>
den halben November. Da aber kein Platz fu&#x0364;r mich,<lb/>
als Krankenwa&#x0364;rter, aufging, &#x017F;o ent&#x017F;chloß ich<lb/>
mich, Mittel zu &#x017F;uchen, wie ich ohne Gefahr aus<lb/>
Frankreich kommen ko&#x0364;nnte: denn einmal war ich<lb/>
i<supplied>mm</supplied>er in einer gefa&#x0364;hrlichen Lage, und es konnte<lb/>
leicht &#x017F;ich noch etwas entdecken, das mir ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlich ha&#x0364;tte werden ko&#x0364;nnen. Man weiß ja das<lb/>
Sprichwort, daß der Verra&#x0364;ther nicht &#x017F;chla&#x0364;ft. Ich<lb/>
&#x017F;chrieb al&#x017F;o nach Halle an den recht&#x017F;chaffnen Herrn<lb/><hi rendition="#g">Bispink</hi>, und was &#x017F;eine Antwort enthalten und<lb/>
bewirkt hat, &#x017F;oll weiter unten erza&#x0364;hlt werden.</p><lb/>
        <p>Ich verließ endlich mit Herrn Leutnant von<lb/><hi rendition="#g">Branden&#x017F;tein</hi> das Ho&#x017F;pital, und legte mich<lb/>
wieder in die Ka&#x017F;erne, aber, lieber Gott, wie &#x017F;ah<lb/>
es da aus, als ich jezt hinkam! Das Stu&#x0364;bchen,<lb/>
worauf ich ehedem Quartier gehabt hatte, war<lb/>
ganz zer&#x017F;to&#x0364;hrt: die Thu&#x0364;ren des ganzen weitla&#x0364;u-<lb/>
figen Klo&#x017F;ters waren fa&#x017F;t alle verbrannt, &#x017F;o, wie<lb/>
die Fen&#x017F;ter und Dielen, die man nur hatte auf-<lb/>
reißen ko&#x0364;nnen. Blos jene Zimmer waren ver-<lb/>
&#x017F;ch<supplied>o</supplied>nt geblieben, worin die De&#x017F;erteurs lagen,<lb/>
deren noch ohngefa&#x0364;hr 60 von mehr als 800 in<lb/>
Dijon haußten: die u&#x0364;brigen hatte man, wie ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0076] uns ins ehemalige Kapuzinerkloſter. Wer nicht gehen konnte, den fuhr man. Hier lag ich noch ohngefaͤhr 4 Wochen, bis in den halben November. Da aber kein Platz fuͤr mich, als Krankenwaͤrter, aufging, ſo entſchloß ich mich, Mittel zu ſuchen, wie ich ohne Gefahr aus Frankreich kommen koͤnnte: denn einmal war ich immer in einer gefaͤhrlichen Lage, und es konnte leicht ſich noch etwas entdecken, das mir hoͤchſt ſchaͤdlich haͤtte werden koͤnnen. Man weiß ja das Sprichwort, daß der Verraͤther nicht ſchlaͤft. Ich ſchrieb alſo nach Halle an den rechtſchaffnen Herrn Bispink, und was ſeine Antwort enthalten und bewirkt hat, ſoll weiter unten erzaͤhlt werden. Ich verließ endlich mit Herrn Leutnant von Brandenſtein das Hoſpital, und legte mich wieder in die Kaſerne, aber, lieber Gott, wie ſah es da aus, als ich jezt hinkam! Das Stuͤbchen, worauf ich ehedem Quartier gehabt hatte, war ganz zerſtoͤhrt: die Thuͤren des ganzen weitlaͤu- figen Kloſters waren faſt alle verbrannt, ſo, wie die Fenſter und Dielen, die man nur hatte auf- reißen koͤnnen. Blos jene Zimmer waren ver- ſchont geblieben, worin die Deſerteurs lagen, deren noch ohngefaͤhr 60 von mehr als 800 in Dijon haußten: die uͤbrigen hatte man, wie ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/76
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/76>, abgerufen am 22.11.2024.