die öffentliche Meynung entschied über die Entbehr- lichkeit der Jakobiner und der Volkssocietäten: und so ging es ohne großes Blutvergießen zu; und in den Provinzen schlossen die Jakobiner ihre Säle nach und nach von selbst.
Von dieser Zeit an wurde der Name Jako- biner ein Schimpfname, und wenn man einen schlechten Streich nennen wollte, so sagte man: es sey un tour de Jacobin. Marat hatte bisher die Ehre genossen, daß man Straßen, Thore und Hospitäler nach seinem Namen genannt hatte: aber nun ward Marats Name verächtlich: man strich ihn aller Orten aus, warf seine zahlreich er- richteten Büsten um, und in Paris wurde sogar sein Körper, so wie der des von ihm vertriebenen Mirabeau's aus dem Pantheon geworfen, und zugleich das kluge Dekret gemacht: daß in Zukunft niemand mehr im Pantheon aufgestellt werden sollte, als erst 10 Jahre nach seinem Tode, weil alsdann der für oder wider ihn streitende Partheygeist sich würde gelegt, und unpartheyi- schen Urtheilen Platz gemacht haben.
Der Terrorismus war mit dem Jakobinis- mus aufs engste verbunden, oder beyde waren vielmehr ein und dasselbe Ding. Ich bin völlig überzeugt, daß 1792, 93 und 94 das Schreckens- system zur Gründung und Erhaltung der Republik
die oͤffentliche Meynung entſchied uͤber die Entbehr- lichkeit der Jakobiner und der Volksſocietaͤten: und ſo ging es ohne großes Blutvergießen zu; und in den Provinzen ſchloſſen die Jakobiner ihre Saͤle nach und nach von ſelbſt.
Von dieſer Zeit an wurde der Name Jako- biner ein Schimpfname, und wenn man einen ſchlechten Streich nennen wollte, ſo ſagte man: es ſey un tour de Jacobin. Marat hatte bisher die Ehre genoſſen, daß man Straßen, Thore und Hoſpitaͤler nach ſeinem Namen genannt hatte: aber nun ward Marats Name veraͤchtlich: man ſtrich ihn aller Orten aus, warf ſeine zahlreich er- richteten Buͤſten um, und in Paris wurde ſogar ſein Koͤrper, ſo wie der des von ihm vertriebenen Mirabeau's aus dem Pantheon geworfen, und zugleich das kluge Dekret gemacht: daß in Zukunft niemand mehr im Pantheon aufgeſtellt werden ſollte, als erſt 10 Jahre nach ſeinem Tode, weil alsdann der fuͤr oder wider ihn ſtreitende Partheygeiſt ſich wuͤrde gelegt, und unpartheyi- ſchen Urtheilen Platz gemacht haben.
Der Terrorismus war mit dem Jakobinis- mus aufs engſte verbunden, oder beyde waren vielmehr ein und daſſelbe Ding. Ich bin voͤllig uͤberzeugt, daß 1792, 93 und 94 das Schreckens- ſyſtem zur Gruͤndung und Erhaltung der Republik
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die oͤffentliche Meynung entſchied uͤber die Entbehr-
lichkeit der Jakobiner und der Volksſocietaͤten: und
ſo ging es ohne großes Blutvergießen zu; und in
den Provinzen ſchloſſen die Jakobiner ihre Saͤle
nach und nach von ſelbſt.
Von dieſer Zeit an wurde der Name Jako-
biner ein Schimpfname, und wenn man einen
ſchlechten Streich nennen wollte, ſo ſagte man:
es ſey un tour de Jacobin. Marat hatte bisher
die Ehre genoſſen, daß man Straßen, Thore und
Hoſpitaͤler nach ſeinem Namen genannt hatte:
aber nun ward Marats Name veraͤchtlich: man
ſtrich ihn aller Orten aus, warf ſeine zahlreich er-
richteten Buͤſten um, und in Paris wurde ſogar
ſein Koͤrper, ſo wie der des von ihm vertriebenen
Mirabeau's aus dem Pantheon geworfen,
und zugleich das kluge Dekret gemacht: daß in
Zukunft niemand mehr im Pantheon aufgeſtellt
werden ſollte, als erſt 10 Jahre nach ſeinem Tode,
weil alsdann der fuͤr oder wider ihn ſtreitende
Partheygeiſt ſich wuͤrde gelegt, und unpartheyi-
ſchen Urtheilen Platz gemacht haben.
Der Terrorismus war mit dem Jakobinis-
mus aufs engſte verbunden, oder beyde waren
vielmehr ein und daſſelbe Ding. Ich bin voͤllig
uͤberzeugt, daß 1792, 93 und 94 das Schreckens-
ſyſtem zur Gruͤndung und Erhaltung der Republik
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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