zu meiner völligen Tröstung brauchen könnte. Ich habe auch nicht Zeit, jezt Untersuchungen über Sachen anzustellen, welche die größten Philoso- phen nicht haben aufs reine bringen können. Aber ich habe das Glück gehabt, mir gewisse Sätze tief in die Seele einzuprägen, und diese machen mich gegen den Tod ziemlich gleichgültig.
Ich: Lassen Sie doch hören!
Krüger: Einmal ist der Tod kein Uebel. Es ist ein allgemeines Gesetz der Natur, daß Alles, was das lebt, nur eine Zeitlang lebe, und dann seine Existenz, als lebendiges Wesen, verliere. Der Zeitpunkt, worin dieß geschieht, heißt der Tod. Da aber in der ganzen Natur keine böse Einrich- tung möglich ist, so ist auch der Tod an sich be- trachtet, kein Uebel *). Mein Tod rückte freilich noch nicht heran, wenn die fatale Schlägerey nicht vorgefallen wäre: das sehe ich ein. Aber ich tröste mich damit, daß wohl kein lebendiges Ding, keine Pflanze, kein Thier, und noch weniger ein Mensch seine Existenz so lange fortsezt, als es
*) Herr Krüger muß den theologischen Artikel vom Sünden- fall, und von dem durch Adams Apfelbiß in die Welt gebrach- ten Tod nicht geglaubt haben; sonst würde er so nicht haben argumentiren können. Daß ich ihn keines andern belehrte, versteht sich von selbst.
Viert. Th. 2te Abth. Y
zu meiner voͤlligen Troͤſtung brauchen koͤnnte. Ich habe auch nicht Zeit, jezt Unterſuchungen uͤber Sachen anzuſtellen, welche die groͤßten Philoſo- phen nicht haben aufs reine bringen koͤnnen. Aber ich habe das Gluͤck gehabt, mir gewiſſe Saͤtze tief in die Seele einzupraͤgen, und dieſe machen mich gegen den Tod ziemlich gleichguͤltig.
Ich: Laſſen Sie doch hoͤren!
Kruͤger: Einmal iſt der Tod kein Uebel. Es iſt ein allgemeines Geſetz der Natur, daß Alles, was das lebt, nur eine Zeitlang lebe, und dann ſeine Exiſtenz, als lebendiges Weſen, verliere. Der Zeitpunkt, worin dieß geſchieht, heißt der Tod. Da aber in der ganzen Natur keine boͤſe Einrich- tung moͤglich iſt, ſo iſt auch der Tod an ſich be- trachtet, kein Uebel *). Mein Tod ruͤckte freilich noch nicht heran, wenn die fatale Schlaͤgerey nicht vorgefallen waͤre: das ſehe ich ein. Aber ich troͤſte mich damit, daß wohl kein lebendiges Ding, keine Pflanze, kein Thier, und noch weniger ein Menſch ſeine Exiſtenz ſo lange fortſezt, als es
*) Herr Krüger muß den theologiſchen Artikel vom Sünden- fall, und von dem durch Adams Apfelbiß in die Welt gebrach- ten Tod nicht geglaubt haben; ſonſt würde er ſo nicht haben argumentiren koͤnnen. Daß ich ihn keines andern belehrte, verſteht ſich von ſelbſt.
Viert. Th. 2te Abth. Y
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0341"n="337"/>
zu meiner voͤlligen Troͤſtung brauchen koͤnnte. Ich<lb/>
habe auch nicht Zeit, jezt Unterſuchungen uͤber<lb/>
Sachen anzuſtellen, welche die groͤßten Philoſo-<lb/>
phen nicht haben aufs reine bringen koͤnnen. Aber<lb/>
ich habe das Gluͤck gehabt, mir gewiſſe Saͤtze tief<lb/>
in die Seele einzupraͤgen, und dieſe machen mich<lb/>
gegen den Tod ziemlich gleichguͤltig.</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: Laſſen Sie doch hoͤren!</p><lb/><p><hirendition="#g">Kruͤger</hi>: Einmal iſt der <hirendition="#g">Tod</hi> kein Uebel. Es<lb/>
iſt ein allgemeines Geſetz der Natur, daß Alles,<lb/>
was das lebt, nur eine Zeitlang lebe, und dann<lb/>ſeine Exiſtenz, als lebendiges Weſen, verliere.<lb/>
Der Zeitpunkt, worin dieß geſchieht, heißt der Tod.<lb/>
Da aber in der ganzen Natur keine boͤſe Einrich-<lb/>
tung moͤglich iſt, ſo iſt auch der Tod an ſich be-<lb/>
trachtet, kein Uebel <noteplace="foot"n="*)">Herr <hirendition="#g">Krüger</hi> muß den theologiſchen Artikel vom Sünden-<lb/>
fall, und von dem durch Adams Apfelbiß in die Welt gebrach-<lb/>
ten Tod nicht geglaubt haben; ſonſt würde er ſo nicht haben<lb/>
argumentiren koͤnnen. Daß ich ihn keines andern belehrte,<lb/>
verſteht ſich von ſelbſt.</note>. Mein Tod ruͤckte freilich<lb/>
noch nicht heran, wenn die fatale Schlaͤgerey nicht<lb/>
vorgefallen waͤre: das ſehe ich ein. Aber ich<lb/>
troͤſte mich damit, daß wohl kein lebendiges Ding,<lb/>
keine Pflanze, kein Thier, und noch weniger ein<lb/>
Menſch ſeine Exiſtenz ſo lange fortſezt, als es<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Viert. Th. 2te Abth. Y</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[337/0341]
zu meiner voͤlligen Troͤſtung brauchen koͤnnte. Ich
habe auch nicht Zeit, jezt Unterſuchungen uͤber
Sachen anzuſtellen, welche die groͤßten Philoſo-
phen nicht haben aufs reine bringen koͤnnen. Aber
ich habe das Gluͤck gehabt, mir gewiſſe Saͤtze tief
in die Seele einzupraͤgen, und dieſe machen mich
gegen den Tod ziemlich gleichguͤltig.
Ich: Laſſen Sie doch hoͤren!
Kruͤger: Einmal iſt der Tod kein Uebel. Es
iſt ein allgemeines Geſetz der Natur, daß Alles,
was das lebt, nur eine Zeitlang lebe, und dann
ſeine Exiſtenz, als lebendiges Weſen, verliere.
Der Zeitpunkt, worin dieß geſchieht, heißt der Tod.
Da aber in der ganzen Natur keine boͤſe Einrich-
tung moͤglich iſt, ſo iſt auch der Tod an ſich be-
trachtet, kein Uebel *). Mein Tod ruͤckte freilich
noch nicht heran, wenn die fatale Schlaͤgerey nicht
vorgefallen waͤre: das ſehe ich ein. Aber ich
troͤſte mich damit, daß wohl kein lebendiges Ding,
keine Pflanze, kein Thier, und noch weniger ein
Menſch ſeine Exiſtenz ſo lange fortſezt, als es
*) Herr Krüger muß den theologiſchen Artikel vom Sünden-
fall, und von dem durch Adams Apfelbiß in die Welt gebrach-
ten Tod nicht geglaubt haben; ſonſt würde er ſo nicht haben
argumentiren koͤnnen. Daß ich ihn keines andern belehrte,
verſteht ſich von ſelbſt.
Viert. Th. 2te Abth. Y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/341>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.