Ein hiesiger Professor, der eben deswegen, weil er nur um die Welt gefahren ist, mit der Welt selbst wenig bekannt werden konnte, kam vor kurzem in einen Buchladen, sah da meine Geschichte, und fragte, was der Quark da koste? Man sagte ihm den Preis, und er schrie, nach ei- nigen ha, ha! mit brüllender Stimme auf: "Ey, Schwerenoth, so viel ist ja der ganze Kerl nicht werth!" -- Der Ehrenmann kennt den Werth des Menschen schlecht. Der Mensch ist gerade so viel werth, als er Nutzen stiftet: nicht mehr und nicht weniger. Denn die bloße Fähigkeit, nützlich zu seyn, oder Ansehn, Gewalt, Reichthum, Wissen- schaften, Künste, Talente, Anlagen u. s. w. ge- ben noch keinen Werth. Wenn nun der Herr Na- seweis den wenigen Nutzen, welchen er selbst stif- tet, mit der Belohnung, die ihm dafür wird, zu- sammenhält: so muß er gewiß einsehen, daß auch Er, oder nach seinem Ausdruck, der ganze Kerl, der in ihm steckt, lange nicht achthundert Thaler jährlich werth ist. Ich schreibe mir gerne keinen Werth zu, aber das thut auch keiner: denn Nie- mand belohnt mich über mein Verdienst. Was Freunde an mir thun und gethan haben, gehört hieher nicht. Werth giebt ein Recht zu fodern; und in der Freundschaft kennt man das Wort, Recht, wenig oder gar nicht.
Ein hieſiger Profeſſor, der eben deswegen, weil er nur um die Welt gefahren iſt, mit der Welt ſelbſt wenig bekannt werden konnte, kam vor kurzem in einen Buchladen, ſah da meine Geſchichte, und fragte, was der Quark da koſte? Man ſagte ihm den Preis, und er ſchrie, nach ei- nigen ha, ha! mit bruͤllender Stimme auf: „Ey, Schwerenoth, ſo viel iſt ja der ganze Kerl nicht werth!“ — Der Ehrenmann kennt den Werth des Menſchen ſchlecht. Der Menſch iſt gerade ſo viel werth, als er Nutzen ſtiftet: nicht mehr und nicht weniger. Denn die bloße Faͤhigkeit, nuͤtzlich zu ſeyn, oder Anſehn, Gewalt, Reichthum, Wiſſen- ſchaften, Kuͤnſte, Talente, Anlagen u. ſ. w. ge- ben noch keinen Werth. Wenn nun der Herr Na- ſeweis den wenigen Nutzen, welchen er ſelbſt ſtif- tet, mit der Belohnung, die ihm dafuͤr wird, zu- ſammenhaͤlt: ſo muß er gewiß einſehen, daß auch Er, oder nach ſeinem Ausdruck, der ganze Kerl, der in ihm ſteckt, lange nicht achthundert Thaler jaͤhrlich werth iſt. Ich ſchreibe mir gerne keinen Werth zu, aber das thut auch keiner: denn Nie- mand belohnt mich uͤber mein Verdienſt. Was Freunde an mir thun und gethan haben, gehoͤrt hieher nicht. Werth giebt ein Recht zu fodern; und in der Freundſchaft kennt man das Wort, Recht, wenig oder gar nicht.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0321"n="317"/><p>Ein hieſiger Profeſſor, der eben deswegen,<lb/>
weil er nur <hirendition="#g">um die Welt</hi> gefahren iſt, <hirendition="#g">mit<lb/>
der Welt</hi>ſelbſt wenig bekannt werden konnte,<lb/>
kam vor kurzem in einen Buchladen, ſah da meine<lb/>
Geſchichte, und fragte, was der Quark da koſte?<lb/>
Man ſagte ihm den Preis, und er ſchrie, nach ei-<lb/>
nigen ha, ha! mit bruͤllender Stimme auf: „Ey,<lb/>
Schwerenoth, ſo viel iſt ja der ganze Kerl nicht<lb/>
werth!“— Der Ehrenmann kennt den Werth des<lb/>
Menſchen ſchlecht. Der Menſch iſt gerade ſo viel<lb/>
werth, als er Nutzen ſtiftet: nicht mehr und nicht<lb/>
weniger. Denn die bloße Faͤhigkeit, nuͤtzlich zu<lb/>ſeyn, oder Anſehn, Gewalt, Reichthum, Wiſſen-<lb/>ſchaften, Kuͤnſte, Talente, Anlagen u. ſ. w. ge-<lb/>
ben noch keinen Werth. Wenn nun der Herr Na-<lb/>ſeweis den wenigen Nutzen, welchen er ſelbſt ſtif-<lb/>
tet, mit der Belohnung, die ihm dafuͤr wird, zu-<lb/>ſammenhaͤlt: ſo muß er gewiß einſehen, daß auch<lb/>
Er, oder nach ſeinem Ausdruck, der ganze Kerl,<lb/>
der in ihm ſteckt, lange nicht achthundert Thaler<lb/>
jaͤhrlich werth iſt. Ich ſchreibe mir gerne keinen<lb/>
Werth zu, aber das thut auch keiner: denn Nie-<lb/>
mand belohnt mich uͤber mein Verdienſt. Was<lb/><hirendition="#g">Freunde</hi> an mir thun und gethan haben, gehoͤrt<lb/>
hieher nicht. Werth giebt ein Recht zu fodern;<lb/>
und in der Freundſchaft kennt man das Wort,<lb/><hirendition="#g">Recht</hi>, wenig oder gar nicht.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[317/0321]
Ein hieſiger Profeſſor, der eben deswegen,
weil er nur um die Welt gefahren iſt, mit
der Welt ſelbſt wenig bekannt werden konnte,
kam vor kurzem in einen Buchladen, ſah da meine
Geſchichte, und fragte, was der Quark da koſte?
Man ſagte ihm den Preis, und er ſchrie, nach ei-
nigen ha, ha! mit bruͤllender Stimme auf: „Ey,
Schwerenoth, ſo viel iſt ja der ganze Kerl nicht
werth!“ — Der Ehrenmann kennt den Werth des
Menſchen ſchlecht. Der Menſch iſt gerade ſo viel
werth, als er Nutzen ſtiftet: nicht mehr und nicht
weniger. Denn die bloße Faͤhigkeit, nuͤtzlich zu
ſeyn, oder Anſehn, Gewalt, Reichthum, Wiſſen-
ſchaften, Kuͤnſte, Talente, Anlagen u. ſ. w. ge-
ben noch keinen Werth. Wenn nun der Herr Na-
ſeweis den wenigen Nutzen, welchen er ſelbſt ſtif-
tet, mit der Belohnung, die ihm dafuͤr wird, zu-
ſammenhaͤlt: ſo muß er gewiß einſehen, daß auch
Er, oder nach ſeinem Ausdruck, der ganze Kerl,
der in ihm ſteckt, lange nicht achthundert Thaler
jaͤhrlich werth iſt. Ich ſchreibe mir gerne keinen
Werth zu, aber das thut auch keiner: denn Nie-
mand belohnt mich uͤber mein Verdienſt. Was
Freunde an mir thun und gethan haben, gehoͤrt
hieher nicht. Werth giebt ein Recht zu fodern;
und in der Freundſchaft kennt man das Wort,
Recht, wenig oder gar nicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/321>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.