gut ich konnte, durch einen Schimmer von Hoff- nung auf die Zukunft.
Da ich es den Winter 1796 so trieb, wie ich es beschrieben habe, so lassen sich die Folgen davon be- rechnen. Es geht, wie mans treibt -- ist eine Wahrheit der Natur, und ich fühlte sie endlich derbe. Ich fiel immer tiefer, nicht nur in den Au- gen Anderer, sondern auch in Rücksicht auf meine Gesundheit. Ueber Verachtung war ich merklich hinaus, aber ein Fieber ward mein Meister. Was meine Seele nicht konnte, bewirkte mein Körper: er schüttelte mich bis zum Besinnen, und ich be- sann mich. Anfänglich ließ ich die Anfälle des Fiebers aus der Acht, und rechnete auf den Tod. Ich hatte mich verloren: was konnte ich weiter zu verlieren fürchten! Endlich half der Balsam der Freundschaft: ich gab den Vorstellungen meiner Freunde nach, und selbst ein Freund heilte mich, der geschickte und brave Chirurgus Lehn.
Die Wunde auf meiner Brust achtete ich vorher aus Mismuth eben so wenig, als mein Leben. Sie ward immer ärger, und ich lief Gefahr, daß sie sistulös werden mögte. Jeder, den ich zu Ra- the zog, sprach von Aufschneiden u. dgl. Dieß schreckte mich ab, und ich ließ Wunde Wunde seyn. Endlich fand sich ein altes Weib, welches mich durch eine Salbe und eine Injektion in Zeit von
gut ich konnte, durch einen Schimmer von Hoff- nung auf die Zukunft.
Da ich es den Winter 1796 ſo trieb, wie ich es beſchrieben habe, ſo laſſen ſich die Folgen davon be- rechnen. Es geht, wie mans treibt — iſt eine Wahrheit der Natur, und ich fuͤhlte ſie endlich derbe. Ich fiel immer tiefer, nicht nur in den Au- gen Anderer, ſondern auch in Ruͤckſicht auf meine Geſundheit. Ueber Verachtung war ich merklich hinaus, aber ein Fieber ward mein Meiſter. Was meine Seele nicht konnte, bewirkte mein Koͤrper: er ſchuͤttelte mich bis zum Beſinnen, und ich be- ſann mich. Anfaͤnglich ließ ich die Anfaͤlle des Fiebers aus der Acht, und rechnete auf den Tod. Ich hatte mich verloren: was konnte ich weiter zu verlieren fuͤrchten! Endlich half der Balſam der Freundſchaft: ich gab den Vorſtellungen meiner Freunde nach, und ſelbſt ein Freund heilte mich, der geſchickte und brave Chirurgus Lehn.
Die Wunde auf meiner Bruſt achtete ich vorher aus Mismuth eben ſo wenig, als mein Leben. Sie ward immer aͤrger, und ich lief Gefahr, daß ſie ſiſtuloͤs werden moͤgte. Jeder, den ich zu Ra- the zog, ſprach von Aufſchneiden u. dgl. Dieß ſchreckte mich ab, und ich ließ Wunde Wunde ſeyn. Endlich fand ſich ein altes Weib, welches mich durch eine Salbe und eine Injektion in Zeit von
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gut ich konnte, durch einen Schimmer von Hoff-
nung auf die Zukunft.
Da ich es den Winter 1796 ſo trieb, wie ich es
beſchrieben habe, ſo laſſen ſich die Folgen davon be-
rechnen. Es geht, wie mans treibt — iſt eine
Wahrheit der Natur, und ich fuͤhlte ſie endlich
derbe. Ich fiel immer tiefer, nicht nur in den Au-
gen Anderer, ſondern auch in Ruͤckſicht auf meine
Geſundheit. Ueber Verachtung war ich merklich
hinaus, aber ein Fieber ward mein Meiſter. Was
meine Seele nicht konnte, bewirkte mein Koͤrper:
er ſchuͤttelte mich bis zum Beſinnen, und ich be-
ſann mich. Anfaͤnglich ließ ich die Anfaͤlle des
Fiebers aus der Acht, und rechnete auf den Tod.
Ich hatte mich verloren: was konnte ich weiter
zu verlieren fuͤrchten! Endlich half der Balſam der
Freundſchaft: ich gab den Vorſtellungen meiner
Freunde nach, und ſelbſt ein Freund heilte mich,
der geſchickte und brave Chirurgus Lehn.
Die Wunde auf meiner Bruſt achtete ich vorher
aus Mismuth eben ſo wenig, als mein Leben.
Sie ward immer aͤrger, und ich lief Gefahr, daß
ſie ſiſtuloͤs werden moͤgte. Jeder, den ich zu Ra-
the zog, ſprach von Aufſchneiden u. dgl. Dieß
ſchreckte mich ab, und ich ließ Wunde Wunde ſeyn.
Endlich fand ſich ein altes Weib, welches mich
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/292>, abgerufen am 25.11.2024.
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