Wüsteney gemacht. Schon vorher hatten die hin und wieder stehenden Truppen die Felder und Gär- ten ausgeleert, auch manchen Diebstahl in den Häusern selbst begangen: aber da nun die ganze Armee ankam, da nahm das Unwesen dermaßen überhand, daß niemand seines Eigenthums, ja nicht einmal seines Lebens sicher war.
Bey Lichtenau, ohnweit Rastatt, fand man zwey Menschen auf der Straße erschlagen und be- raubt; und ein Strumpfhändler wurde bey Offen- burg getödtet, und sein Geld ihm genommen. Eben ein solches trauriges Schicksal hatte ein Fuhrmann, der sich mit seinem Karren und Pferde näherte, vor den Thoren von Durlach. Freilich machten die Ortsobrigkeiten Vorstellungen bey den kaiserlichen Oberoffizieren, freylich schrie man laut über Be- drückung und Ungerechtigkeit, aber vergebens: es hieß auch hier, es wäre Krieg: man kenne ja den Thäter nicht: wenn man diesen brin[ge]n würde, so sollte er bestraft werden. Weiter wurde keine In- quisition angestellt. Es mag aber eine schöne Kriegszucht seyn, wo man selbst nicht inquirirt, um selbst nichts zu finden! --
Ueber einfache Diebstähle durfte vollends nie- mand klagen: die Leute wollen leben, die Pferde wollen fressen -- das war das Thema zur Ant- wort.
Wuͤſteney gemacht. Schon vorher hatten die hin und wieder ſtehenden Truppen die Felder und Gaͤr- ten ausgeleert, auch manchen Diebſtahl in den Haͤuſern ſelbſt begangen: aber da nun die ganze Armee ankam, da nahm das Unweſen dermaßen uͤberhand, daß niemand ſeines Eigenthums, ja nicht einmal ſeines Lebens ſicher war.
Bey Lichtenau, ohnweit Raſtatt, fand man zwey Menſchen auf der Straße erſchlagen und be- raubt; und ein Strumpfhaͤndler wurde bey Offen- burg getoͤdtet, und ſein Geld ihm genommen. Eben ein ſolches trauriges Schickſal hatte ein Fuhrmann, der ſich mit ſeinem Karren und Pferde naͤherte, vor den Thoren von Durlach. Freilich machten die Ortsobrigkeiten Vorſtellungen bey den kaiſerlichen Oberoffizieren, freylich ſchrie man laut uͤber Be- druͤckung und Ungerechtigkeit, aber vergebens: es hieß auch hier, es waͤre Krieg: man kenne ja den Thaͤter nicht: wenn man dieſen brin[ge]n wuͤrde, ſo ſollte er beſtraft werden. Weiter wurde keine In- quiſition angeſtellt. Es mag aber eine ſchoͤne Kriegszucht ſeyn, wo man ſelbſt nicht inquirirt, um ſelbſt nichts zu finden! —
Ueber einfache Diebſtaͤhle durfte vollends nie- mand klagen: die Leute wollen leben, die Pferde wollen freſſen — das war das Thema zur Ant- wort.
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Wuͤſteney gemacht. Schon vorher hatten die hin
und wieder ſtehenden Truppen die Felder und Gaͤr-
ten ausgeleert, auch manchen Diebſtahl in den
Haͤuſern ſelbſt begangen: aber da nun die ganze
Armee ankam, da nahm das Unweſen dermaßen
uͤberhand, daß niemand ſeines Eigenthums, ja
nicht einmal ſeines Lebens ſicher war.
Bey Lichtenau, ohnweit Raſtatt, fand man
zwey Menſchen auf der Straße erſchlagen und be-
raubt; und ein Strumpfhaͤndler wurde bey Offen-
burg getoͤdtet, und ſein Geld ihm genommen. Eben
ein ſolches trauriges Schickſal hatte ein Fuhrmann,
der ſich mit ſeinem Karren und Pferde naͤherte,
vor den Thoren von Durlach. Freilich machten die
Ortsobrigkeiten Vorſtellungen bey den kaiſerlichen
Oberoffizieren, freylich ſchrie man laut uͤber Be-
druͤckung und Ungerechtigkeit, aber vergebens: es
hieß auch hier, es waͤre Krieg: man kenne ja den
Thaͤter nicht: wenn man dieſen bringen wuͤrde, ſo
ſollte er beſtraft werden. Weiter wurde keine In-
quiſition angeſtellt. Es mag aber eine ſchoͤne
Kriegszucht ſeyn, wo man ſelbſt nicht inquirirt,
um ſelbſt nichts zu finden! —
Ueber einfache Diebſtaͤhle durfte vollends nie-
mand klagen: die Leute wollen leben, die Pferde
wollen freſſen — das war das Thema zur Ant-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/246>, abgerufen am 22.11.2024.
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