auch hier eine gewiße Celebrität zu genießen, die ich der Lesebibliothek des Herrn Geiger zu Lahr zu danken hatte. Dieser Herr Geiger besaß nämlich meine Lebensbeschreibung, und als er er- fuhr, daß ich bey dem Badischen Regimente mich aufhielte, so schickte er sie aller Orten herum, mit der Bemerkung: daß der seltsame Held und Ver- fasser der mitgeschickten Lebensgeschichte jezt unter dem Regiment von Baden in der Nähe sey. Da lasen denn die dortigen Herren und Damen, und kamen, um den seltsamen Mann selbst zu beantli- tzen, der nach so vielen Ebentheuern noch immer nicht ganz gewitzigt war. Mich freute das nicht wenig, und ich ließ mein Antlitz gern betrachten, um so lieber, da die Herren allemal recht guten Wein und andere sehr genießbare Sachen mitbrach- ten. Man nehme mir dieses Geständniß nicht übel: denn ich gehöre zu denen, Qui vultu morbum incessuque fatentur, und brenne mich nirgends weiß. Eben darum ge- stehe ich den Herren und Damen auch ohne Hehl: daß nicht so sehr die Begierde, ihnen zu Gefallen zu leben, als vielmehr der Lusten, an ihren Fla- schen und Speisekörben Theil zu nehmen, mich ge- gen sie gefällig und beredt gemacht hat. So aber geht es in der ganzen Welt! Manche denken, sie werden wegen ihrer Schönheit, Artigkeit, Gelehr-
auch hier eine gewiße Celebritaͤt zu genießen, die ich der Leſebibliothek des Herrn Geiger zu Lahr zu danken hatte. Dieſer Herr Geiger beſaß naͤmlich meine Lebensbeſchreibung, und als er er- fuhr, daß ich bey dem Badiſchen Regimente mich aufhielte, ſo ſchickte er ſie aller Orten herum, mit der Bemerkung: daß der ſeltſame Held und Ver- faſſer der mitgeſchickten Lebensgeſchichte jezt unter dem Regiment von Baden in der Naͤhe ſey. Da laſen denn die dortigen Herren und Damen, und kamen, um den ſeltſamen Mann ſelbſt zu beantli- tzen, der nach ſo vielen Ebentheuern noch immer nicht ganz gewitzigt war. Mich freute das nicht wenig, und ich ließ mein Antlitz gern betrachten, um ſo lieber, da die Herren allemal recht guten Wein und andere ſehr genießbare Sachen mitbrach- ten. Man nehme mir dieſes Geſtaͤndniß nicht uͤbel: denn ich gehoͤre zu denen, Qui vultu morbum inceſſuque fatentur, und brenne mich nirgends weiß. Eben darum ge- ſtehe ich den Herren und Damen auch ohne Hehl: daß nicht ſo ſehr die Begierde, ihnen zu Gefallen zu leben, als vielmehr der Luſten, an ihren Fla- ſchen und Speiſekoͤrben Theil zu nehmen, mich ge- gen ſie gefaͤllig und beredt gemacht hat. So aber geht es in der ganzen Welt! Manche denken, ſie werden wegen ihrer Schoͤnheit, Artigkeit, Gelehr-
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auch hier eine gewiße Celebritaͤt zu genießen,
die ich der Leſebibliothek des Herrn Geiger zu
Lahr zu danken hatte. Dieſer Herr Geiger beſaß
naͤmlich meine Lebensbeſchreibung, und als er er-
fuhr, daß ich bey dem Badiſchen Regimente mich
aufhielte, ſo ſchickte er ſie aller Orten herum, mit
der Bemerkung: daß der ſeltſame Held und Ver-
faſſer der mitgeſchickten Lebensgeſchichte jezt unter
dem Regiment von Baden in der Naͤhe ſey. Da
laſen denn die dortigen Herren und Damen, und
kamen, um den ſeltſamen Mann ſelbſt zu beantli-
tzen, der nach ſo vielen Ebentheuern noch immer
nicht ganz gewitzigt war. Mich freute das nicht
wenig, und ich ließ mein Antlitz gern betrachten,
um ſo lieber, da die Herren allemal recht guten
Wein und andere ſehr genießbare Sachen mitbrach-
ten. Man nehme mir dieſes Geſtaͤndniß nicht uͤbel:
denn ich gehoͤre zu denen,
Qui vultu morbum inceſſuque fatentur,
und brenne mich nirgends weiß. Eben darum ge-
ſtehe ich den Herren und Damen auch ohne Hehl:
daß nicht ſo ſehr die Begierde, ihnen zu Gefallen
zu leben, als vielmehr der Luſten, an ihren Fla-
ſchen und Speiſekoͤrben Theil zu nehmen, mich ge-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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