idyllisch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten, dann war unser Zeitvertreib, daß wir einige schöne Stellen aus jenen illustern Alten wiederholten, wovon mir mein nicht ganz untreues Gedächtniß manche wieder angab. Da ergözten wir uns denn das, und kehrten oft spät zu Herrn Schulmei- ster zurück, um bey einem Glase Wein den Kom- mentar über diesen und jenen Vers zu beendigen. Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge- zankt haben, über folgende Verse des Virgilius:
Populus Alcidae gratissima, vitis laccho, Formosae Myrtus Veneri, sua laurea Phoebo; Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit, Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.
Der Zwist betraf die Frage: ob im zweyten Verse das gratissima zu wiederholen sey? Ich ver- neinte es, und konstruirte Veneri sua (i. e. propria) myrtus est &c. Hr. Maier wollte das Ge- gentheil.
Ich muß hier etwas erzählen, das freilich zu Darmstadt nicht gefallen wird: allein die Wahrheit muß heraus! Vielleicht schämen sich die Herren, die sie betrift, und nehmen die Publicität ihres Verfahrens zum Beweggrund, sich vor ähn- lichen Streichen in der Zukunft fein hübsch zu hü- ten. --
idylliſch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten, dann war unſer Zeitvertreib, daß wir einige ſchoͤne Stellen aus jenen illuſtern Alten wiederholten, wovon mir mein nicht ganz untreues Gedaͤchtniß manche wieder angab. Da ergoͤzten wir uns denn das, und kehrten oft ſpaͤt zu Herrn Schulmei- ſter zuruͤck, um bey einem Glaſe Wein den Kom- mentar uͤber dieſen und jenen Vers zu beendigen. Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge- zankt haben, uͤber folgende Verſe des Virgilius:
Populus Alcidae gratiſſima, vitis laccho, Formoſae Myrtus Veneri, ſua laurea Phoebo; Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit, Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.
Der Zwiſt betraf die Frage: ob im zweyten Verſe das gratiſſima zu wiederholen ſey? Ich ver- neinte es, und konſtruirte Veneri ſua (i. e. propria) myrtus eſt &c. Hr. Maier wollte das Ge- gentheil.
Ich muß hier etwas erzaͤhlen, das freilich zu Darmſtadt nicht gefallen wird: allein die Wahrheit muß heraus! Vielleicht ſchaͤmen ſich die Herren, die ſie betrift, und nehmen die Publicitaͤt ihres Verfahrens zum Beweggrund, ſich vor aͤhn- lichen Streichen in der Zukunft fein huͤbſch zu huͤ- ten. —
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idylliſch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten,
dann war unſer Zeitvertreib, daß wir einige ſchoͤne
Stellen aus jenen illuſtern Alten wiederholten,
wovon mir mein nicht ganz untreues Gedaͤchtniß
manche wieder angab. Da ergoͤzten wir uns denn
das, und kehrten oft ſpaͤt zu Herrn Schulmei-
ſter zuruͤck, um bey einem Glaſe Wein den Kom-
mentar uͤber dieſen und jenen Vers zu beendigen.
Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge-
zankt haben, uͤber folgende Verſe des Virgilius:
Populus Alcidae gratiſſima, vitis laccho,
Formoſae Myrtus Veneri, ſua laurea Phoebo;
Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit,
Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.
Der Zwiſt betraf die Frage: ob im zweyten
Verſe das gratiſſima zu wiederholen ſey? Ich ver-
neinte es, und konſtruirte Veneri ſua (i. e. propria)
myrtus eſt &c. Hr. Maier wollte das Ge-
gentheil.
Ich muß hier etwas erzaͤhlen, das freilich zu
Darmſtadt nicht gefallen wird: allein die
Wahrheit muß heraus! Vielleicht ſchaͤmen ſich die
Herren, die ſie betrift, und nehmen die Publicitaͤt
ihres Verfahrens zum Beweggrund, ſich vor aͤhn-
lichen Streichen in der Zukunft fein huͤbſch zu huͤ-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/220>, abgerufen am 22.11.2024.
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