Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Einwohner der dortigen Gegend sind fürch-
terlich streng katholisch: alle Kirchen hängen voll
Ex-Voto's, oder gemahlter Bilder und anderer
Zierrathen, die jemand in einer Noth, Krankheit,
Schwangerschaft oder wohl auch bey Gelegenheit
eines zu begehenden Schuftstreichs dem lieben
Gott, dessen Mutter oder einem Heiligen zu opfern
versprochen hat. Die heilige Agatha steht im
Breisgau in sehr hohem Ansehn: alle Thüren, so-
gar die Thüren an den Schweinställen, Abtritten,
u. s. w. sind mit Agatha's-Zetteln beklebt *)


logie, und vollauf Polemik. Man stelle einen Versuch mit
ihnen an, und man wird finden, was ich sage; aber blutwe-
nig von Philosophie, Geschichte und andern liberalen Fächern.
Nun ihren regen Katholicismus, für dessen Mä[r]tyrer sie sich
halten, dem sie, als Kinder der theologischen Finsterniß, alles
aufopfern: -- sollten sie den, als den einzigseligma-
chenden Glauben unter protestantischen Jünglingen, nach
jesuitischer Einschmeichelungs-Manier, nicht glimpflich einzu-
flößen suchen? Wer orthodoxe Menschen kennt, zumal erzka-
tholische Priester, der wird dies bedenklich fi[n]den; und im Fall
der Noth diene ich mit zwey Fällen, als Belegen, von Halle
aus, die ganz das bestätigen, wovon ich jezt schreibe. Ich
gönne zwar jedem seinen Glauben, Gott weiß, auch jedem
sein Brod; aber man gebe es, daß es gedeihe, auch zum Be-
sten und ohne Gefahr Anderer; nicht zum Scheinbeweis von
Toleranz und Menschenliebe, der am Ende zur Verbreitung
der Intoleranz und des Despotismus der Gewissen verleitet,
ja, verleiten muß. Zu einer andern Zeit mehr davon.
*) Hier ist so ein Agatha's-Zettel: Mentem sanctam +
spontaneam + honorem Deo + et patriae liberatio-
nem: sancto Agatha ora pro nobis.
+ + +. Die
Kreuze darin dienen wider den Bösen und dessen Anhang.

Die Einwohner der dortigen Gegend ſind fuͤrch-
terlich ſtreng katholiſch: alle Kirchen haͤngen voll
Ex-Voto's, oder gemahlter Bilder und anderer
Zierrathen, die jemand in einer Noth, Krankheit,
Schwangerſchaft oder wohl auch bey Gelegenheit
eines zu begehenden Schuftſtreichs dem lieben
Gott, deſſen Mutter oder einem Heiligen zu opfern
verſprochen hat. Die heilige Agatha ſteht im
Breisgau in ſehr hohem Anſehn: alle Thuͤren, ſo-
gar die Thuͤren an den Schweinſtaͤllen, Abtritten,
u. ſ. w. ſind mit Agatha's-Zetteln beklebt *)


logie, und vollauf Polemik. Man ſtelle einen Verſuch mit
ihnen an, und man wird finden, was ich ſage; aber blutwe-
nig von Philoſophie, Geſchichte und andern liberalen Fächern.
Nun ihren regen Katholicismus, für deſſen Mä[r]tyrer ſie ſich
halten, dem ſie, als Kinder der theologiſchen Finſterniß, alles
aufopfern: — ſollten ſie den, als den einzigſeligma-
chenden Glauben unter proteſtantiſchen Jünglingen, nach
jeſuitiſcher Einſchmeichelungs-Manier, nicht glimpflich einzu-
floͤßen ſuchen? Wer orthodoxe Menſchen kennt, zumal erzka-
tholiſche Prieſter, der wird dies bedenklich fi[n]den; und im Fall
der Noth diene ich mit zwey Fällen, als Belegen, von Halle
aus, die ganz das beſtätigen, wovon ich jezt ſchreibe. Ich
goͤnne zwar jedem ſeinen Glauben, Gott weiß, auch jedem
ſein Brod; aber man gebe es, daß es gedeihe, auch zum Be-
ſten und ohne Gefahr Anderer; nicht zum Scheinbeweis von
Toleranz und Menſchenliebe, der am Ende zur Verbreitung
der Intoleranz und des Deſpotismus der Gewiſſen verleitet,
ja, verleiten muß. Zu einer andern Zeit mehr davon.
*) Hier iſt ſo ein Agatha's-Zettel: Mentem ſanctam †
ſpontaneam † honorem Deo † et patriae liberatio-
nem: ſancto Agatha ora pro nobis.
† † †. Die
Kreuze darin dienen wider den Boͤſen und deſſen Anhang.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0193" n="189"/>
        <p>Die Einwohner der dortigen Gegend &#x017F;ind fu&#x0364;rch-<lb/>
terlich &#x017F;treng katholi&#x017F;ch: alle Kirchen ha&#x0364;ngen voll<lb/><hi rendition="#g">Ex</hi>-<hi rendition="#g">Voto</hi>'s, oder gemahlter Bilder und anderer<lb/>
Zierrathen, die jemand in einer Noth, Krankheit,<lb/>
Schwanger&#x017F;chaft oder wohl auch bey Gelegenheit<lb/>
eines zu begehenden Schuft&#x017F;treichs dem lieben<lb/>
Gott, de&#x017F;&#x017F;en Mutter oder einem Heiligen zu opfern<lb/>
ver&#x017F;prochen hat. Die heilige <hi rendition="#g">Agatha</hi> &#x017F;teht im<lb/>
Breisgau in &#x017F;ehr hohem An&#x017F;ehn: alle Thu&#x0364;ren, &#x017F;o-<lb/>
gar die Thu&#x0364;ren an den Schwein&#x017F;ta&#x0364;llen, Abtritten,<lb/>
u. &#x017F;. w. &#x017F;ind mit Agatha's-Zetteln beklebt <note xml:id="note-0193a" next="#note-0194" place="foot" n="*)">Hier i&#x017F;t &#x017F;o ein Agatha's-Zettel: <hi rendition="#aq">Mentem &#x017F;anctam &#x2020;<lb/>
&#x017F;pontaneam &#x2020; honorem Deo &#x2020; et patriae liberatio-<lb/>
nem: &#x017F;ancto Agatha ora pro nobis.</hi> &#x2020; &#x2020; &#x2020;. Die<lb/>
Kreuze darin dienen wider den Bo&#x0364;&#x017F;en und de&#x017F;&#x017F;en Anhang.</note></p><lb/>
        <note xml:id="note-0193" prev="#note-0192" place="foot" n="*)">logie, und vollauf Polemik. Man &#x017F;telle einen Ver&#x017F;uch mit<lb/>
ihnen an, und man wird finden, was ich &#x017F;age; aber blutwe-<lb/>
nig von Philo&#x017F;ophie, Ge&#x017F;chichte und andern liberalen Fächern.<lb/>
Nun ihren <hi rendition="#g">regen</hi> Katholicismus, für de&#x017F;&#x017F;en Mä<supplied>r</supplied>tyrer &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
halten, dem &#x017F;ie, als Kinder der theologi&#x017F;chen Fin&#x017F;terniß, alles<lb/>
aufopfern: &#x2014; &#x017F;ollten &#x017F;ie den, als den <hi rendition="#g">einzig&#x017F;eligma</hi>-<lb/><hi rendition="#g">chenden</hi> Glauben unter prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Jünglingen, nach<lb/>
je&#x017F;uiti&#x017F;cher Ein&#x017F;chmeichelungs-Manier, nicht glimpflich einzu-<lb/>
flo&#x0364;ßen &#x017F;uchen? Wer orthodoxe Men&#x017F;chen kennt, zumal erzka-<lb/>
tholi&#x017F;che Prie&#x017F;ter, der wird dies bedenklich fi<supplied>n</supplied>den; und im Fall<lb/>
der Noth diene ich mit zwey Fällen, als Belegen, von Halle<lb/>
aus, die ganz das be&#x017F;tätigen, wovon ich jezt &#x017F;chreibe. Ich<lb/>
go&#x0364;nne zwar jedem &#x017F;einen Glauben, Gott weiß, auch jedem<lb/>
&#x017F;ein Brod; aber man gebe es, daß es gedeihe, auch zum Be-<lb/>
&#x017F;ten und ohne Gefahr Anderer; nicht zum Scheinbeweis von<lb/>
Toleranz und Men&#x017F;chenliebe, der am Ende zur Verbreitung<lb/>
der Intoleranz und des De&#x017F;potismus der Gewi&#x017F;&#x017F;en verleitet,<lb/>
ja, verleiten <hi rendition="#g">muß</hi>. Zu einer andern Zeit mehr davon.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0193] Die Einwohner der dortigen Gegend ſind fuͤrch- terlich ſtreng katholiſch: alle Kirchen haͤngen voll Ex-Voto's, oder gemahlter Bilder und anderer Zierrathen, die jemand in einer Noth, Krankheit, Schwangerſchaft oder wohl auch bey Gelegenheit eines zu begehenden Schuftſtreichs dem lieben Gott, deſſen Mutter oder einem Heiligen zu opfern verſprochen hat. Die heilige Agatha ſteht im Breisgau in ſehr hohem Anſehn: alle Thuͤren, ſo- gar die Thuͤren an den Schweinſtaͤllen, Abtritten, u. ſ. w. ſind mit Agatha's-Zetteln beklebt *) *) *) Hier iſt ſo ein Agatha's-Zettel: Mentem ſanctam † ſpontaneam † honorem Deo † et patriae liberatio- nem: ſancto Agatha ora pro nobis. † † †. Die Kreuze darin dienen wider den Boͤſen und deſſen Anhang. *) logie, und vollauf Polemik. Man ſtelle einen Verſuch mit ihnen an, und man wird finden, was ich ſage; aber blutwe- nig von Philoſophie, Geſchichte und andern liberalen Fächern. Nun ihren regen Katholicismus, für deſſen Märtyrer ſie ſich halten, dem ſie, als Kinder der theologiſchen Finſterniß, alles aufopfern: — ſollten ſie den, als den einzigſeligma- chenden Glauben unter proteſtantiſchen Jünglingen, nach jeſuitiſcher Einſchmeichelungs-Manier, nicht glimpflich einzu- floͤßen ſuchen? Wer orthodoxe Menſchen kennt, zumal erzka- tholiſche Prieſter, der wird dies bedenklich finden; und im Fall der Noth diene ich mit zwey Fällen, als Belegen, von Halle aus, die ganz das beſtätigen, wovon ich jezt ſchreibe. Ich goͤnne zwar jedem ſeinen Glauben, Gott weiß, auch jedem ſein Brod; aber man gebe es, daß es gedeihe, auch zum Be- ſten und ohne Gefahr Anderer; nicht zum Scheinbeweis von Toleranz und Menſchenliebe, der am Ende zur Verbreitung der Intoleranz und des Deſpotismus der Gewiſſen verleitet, ja, verleiten muß. Zu einer andern Zeit mehr davon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/193
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/193>, abgerufen am 25.11.2024.