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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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Schuster herbeygerufen, der mir ein Paar Schuhe
anprobiren mußte: sie paßten, und die Dame be-
zahlte sie. Dann gab sie mir ein Paar Strümpfe
und ein noch recht gutes Hemdde von ihrem Manne.
Ihr Bedienter mußte mich nachher in den Gasthof,
die wilden Männer, bringen, wo ich auf ihre Ko-
sten gespeißt und beherbergt wurde. Hier erfuhr
ich, daß diese Dame und ihr Mann sich schon eini-
ge Zeit in Basel aufhielten, und da mit Pferden
handelten, welche sie in Deutschland, ja sogar
von den östreichischen Offizieren und Kommissarien
[selb]st aufkauften, und ihren Franzosen mit schwe-
rem Profit wieder abliessen. Man versicherte, daß
diese Leute mehr als eine halbe Million Livres
durch den Pferdehandel gewonnen hätten. Ich
gönnte der edlen Frau ihren Gewinn, ob ich gl[ei]ch
die Untreue jener Oestreicher verabscheuen mußte,
welche ihren Kaiser so schändlich betrogen *).

Nachmittags ging ich in Basel herum, und
hätte gern einiges besehen, vorzüglich das Grab
des großen Erasmus von Rotterdam, der
hier im Jahre 1537 gestorben ist: auch hätte ich
gern den Saal sehen mögen, worin das berühmte
Concilium Basileense gehalten ist. Aber da ich kein

*) Doch der Egoismus vieler Großen weckt und deckt den
Egoismus vieler Kleinen!

Schuſter herbeygerufen, der mir ein Paar Schuhe
anprobiren mußte: ſie paßten, und die Dame be-
zahlte ſie. Dann gab ſie mir ein Paar Struͤmpfe
und ein noch recht gutes Hemdde von ihrem Manne.
Ihr Bedienter mußte mich nachher in den Gaſthof,
die wilden Maͤnner, bringen, wo ich auf ihre Ko-
ſten geſpeißt und beherbergt wurde. Hier erfuhr
ich, daß dieſe Dame und ihr Mann ſich ſchon eini-
ge Zeit in Baſel aufhielten, und da mit Pferden
handelten, welche ſie in Deutſchland, ja ſogar
von den oͤſtreichiſchen Offizieren und Kommiſſarien
[ſelb]ſt aufkauften, und ihren Franzoſen mit ſchwe-
rem Profit wieder ablieſſen. Man verſicherte, daß
dieſe Leute mehr als eine halbe Million Livres
durch den Pferdehandel gewonnen haͤtten. Ich
goͤnnte der edlen Frau ihren Gewinn, ob ich gl[ei]ch
die Untreue jener Oeſtreicher verabſcheuen mußte,
welche ihren Kaiſer ſo ſchaͤndlich betrogen *).

Nachmittags ging ich in Baſel herum, und
haͤtte gern einiges beſehen, vorzuͤglich das Grab
des großen Erasmus von Rotterdam, der
hier im Jahre 1537 geſtorben iſt: auch haͤtte ich
gern den Saal ſehen moͤgen, worin das beruͤhmte
Concilium Baſileenſe gehalten iſt. Aber da ich kein

*) Doch der Egoismus vieler Großen weckt und deckt den
Egoismus vieler Kleinen!
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[168/0172] Schuſter herbeygerufen, der mir ein Paar Schuhe anprobiren mußte: ſie paßten, und die Dame be- zahlte ſie. Dann gab ſie mir ein Paar Struͤmpfe und ein noch recht gutes Hemdde von ihrem Manne. Ihr Bedienter mußte mich nachher in den Gaſthof, die wilden Maͤnner, bringen, wo ich auf ihre Ko- ſten geſpeißt und beherbergt wurde. Hier erfuhr ich, daß dieſe Dame und ihr Mann ſich ſchon eini- ge Zeit in Baſel aufhielten, und da mit Pferden handelten, welche ſie in Deutſchland, ja ſogar von den oͤſtreichiſchen Offizieren und Kommiſſarien ſelbſt aufkauften, und ihren Franzoſen mit ſchwe- rem Profit wieder ablieſſen. Man verſicherte, daß dieſe Leute mehr als eine halbe Million Livres durch den Pferdehandel gewonnen haͤtten. Ich goͤnnte der edlen Frau ihren Gewinn, ob ich gleich die Untreue jener Oeſtreicher verabſcheuen mußte, welche ihren Kaiſer ſo ſchaͤndlich betrogen *). Nachmittags ging ich in Baſel herum, und haͤtte gern einiges beſehen, vorzuͤglich das Grab des großen Erasmus von Rotterdam, der hier im Jahre 1537 geſtorben iſt: auch haͤtte ich gern den Saal ſehen moͤgen, worin das beruͤhmte Concilium Baſileenſe gehalten iſt. Aber da ich kein *) Doch der Egoismus vieler Großen weckt und deckt den Egoismus vieler Kleinen!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/172>, abgerufen am 24.11.2024.