Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ren in den Löchern stecken blieben, und nicht mehr
vorwärts konnten.

Als ich durch die Grafschaft Mümpelgard
ging, sprach ich in einem Weinhause ein, wo ich
schon vor einem Jahre gewesen war. Da hörte ich,
daß man nun auch bey ihnen anfangen wolle, Re-
kruten für die Armeen auszuheben: denn sonst wa-
ren diese Leute, als ehemalige Unterthanen des
Herzogs von Würtemberg, von der Rekrutirung
frey gelassen. Ich fragte auch nach den lutheri-
schen Geistlichen dieses Ländchens, und hörte, daß
sie hübsch geblieben wären, und sich nun ganz or-
dentlich betrügen.

In Befort machte ich abermals Rasttag; und
in Altkirchen war es, wo ich wieder durchaus
deutsch sprechen hörte, freilich ein abscheuliches
deutsch, wie es im Ober-Elsaß Mode ist, aber
doch war mirs, als wäre ich schon völlig in Deutsch-
land. Ich lag bey einem Huthmacher, dessen
einziger Sohn in diesem Kriege umkommen war.
Mann und Frau weinten noch die heißesten Thrä-
nen, und verwünschten Krieg und Revolution,
weil diese sie ihr Kind gekostet hatte.

Das ist so der Gang der menschlichen Gesin-
nungen! Wenn man bey einem Vorfall etwas ein-
gebüßet hat, so schimpft man auf die ganze Sa-

ren in den Loͤchern ſtecken blieben, und nicht mehr
vorwaͤrts konnten.

Als ich durch die Grafſchaft Muͤmpelgard
ging, ſprach ich in einem Weinhauſe ein, wo ich
ſchon vor einem Jahre geweſen war. Da hoͤrte ich,
daß man nun auch bey ihnen anfangen wolle, Re-
kruten fuͤr die Armeen auszuheben: denn ſonſt wa-
ren dieſe Leute, als ehemalige Unterthanen des
Herzogs von Wuͤrtemberg, von der Rekrutirung
frey gelaſſen. Ich fragte auch nach den lutheri-
ſchen Geiſtlichen dieſes Laͤndchens, und hoͤrte, daß
ſie huͤbſch geblieben waͤren, und ſich nun ganz or-
dentlich betruͤgen.

In Befort machte ich abermals Raſttag; und
in Altkirchen war es, wo ich wieder durchaus
deutſch ſprechen hoͤrte, freilich ein abſcheuliches
deutſch, wie es im Ober-Elſaß Mode iſt, aber
doch war mirs, als waͤre ich ſchon voͤllig in Deutſch-
land. Ich lag bey einem Huthmacher, deſſen
einziger Sohn in dieſem Kriege umkommen war.
Mann und Frau weinten noch die heißeſten Thraͤ-
nen, und verwuͤnſchten Krieg und Revolution,
weil dieſe ſie ihr Kind gekoſtet hatte.

Das iſt ſo der Gang der menſchlichen Geſin-
nungen! Wenn man bey einem Vorfall etwas ein-
gebuͤßet hat, ſo ſchimpft man auf die ganze Sa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="153"/>
ren in den Lo&#x0364;chern &#x017F;tecken blieben, und nicht mehr<lb/>
vorwa&#x0364;rts konnten.</p><lb/>
        <p>Als ich durch die Graf&#x017F;chaft <hi rendition="#g">Mu&#x0364;mpelgard</hi><lb/>
ging, &#x017F;prach ich in einem Weinhau&#x017F;e ein, wo ich<lb/>
&#x017F;chon vor einem Jahre gewe&#x017F;en war. Da ho&#x0364;rte ich,<lb/>
daß man nun auch bey ihnen anfangen wolle, Re-<lb/>
kruten fu&#x0364;r die Armeen auszuheben: denn &#x017F;on&#x017F;t wa-<lb/>
ren die&#x017F;e Leute, als ehemalige Unterthanen des<lb/>
Herzogs von Wu&#x0364;rtemberg, von der Rekrutirung<lb/>
frey gela&#x017F;&#x017F;en. Ich fragte auch nach den lutheri-<lb/>
&#x017F;chen Gei&#x017F;tlichen die&#x017F;es La&#x0364;ndchens, und ho&#x0364;rte, daß<lb/>
&#x017F;ie hu&#x0364;b&#x017F;ch geblieben wa&#x0364;ren, und &#x017F;ich nun ganz or-<lb/>
dentlich betru&#x0364;gen.</p><lb/>
        <p>In <hi rendition="#g">Befort</hi> machte ich abermals Ra&#x017F;ttag; und<lb/>
in <hi rendition="#g">Altkirchen</hi> war es, wo ich wieder durchaus<lb/>
deut&#x017F;ch &#x017F;prechen ho&#x0364;rte, freilich ein ab&#x017F;cheuliches<lb/>
deut&#x017F;ch, wie es im Ober-El&#x017F;aß Mode i&#x017F;t, aber<lb/>
doch war mirs, als wa&#x0364;re ich &#x017F;chon vo&#x0364;llig in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land. Ich lag bey einem Huthmacher, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
einziger Sohn in die&#x017F;em Kriege umkommen war.<lb/>
Mann und Frau weinten noch die heiße&#x017F;ten Thra&#x0364;-<lb/>
nen, und verwu&#x0364;n&#x017F;chten Krieg und Revolution,<lb/>
weil die&#x017F;e &#x017F;ie ihr Kind geko&#x017F;tet hatte.</p><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t &#x017F;o der Gang der men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen! Wenn man bey einem Vorfall etwas ein-<lb/>
gebu&#x0364;ßet hat, &#x017F;o &#x017F;chimpft man auf die ganze Sa-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0157] ren in den Loͤchern ſtecken blieben, und nicht mehr vorwaͤrts konnten. Als ich durch die Grafſchaft Muͤmpelgard ging, ſprach ich in einem Weinhauſe ein, wo ich ſchon vor einem Jahre geweſen war. Da hoͤrte ich, daß man nun auch bey ihnen anfangen wolle, Re- kruten fuͤr die Armeen auszuheben: denn ſonſt wa- ren dieſe Leute, als ehemalige Unterthanen des Herzogs von Wuͤrtemberg, von der Rekrutirung frey gelaſſen. Ich fragte auch nach den lutheri- ſchen Geiſtlichen dieſes Laͤndchens, und hoͤrte, daß ſie huͤbſch geblieben waͤren, und ſich nun ganz or- dentlich betruͤgen. In Befort machte ich abermals Raſttag; und in Altkirchen war es, wo ich wieder durchaus deutſch ſprechen hoͤrte, freilich ein abſcheuliches deutſch, wie es im Ober-Elſaß Mode iſt, aber doch war mirs, als waͤre ich ſchon voͤllig in Deutſch- land. Ich lag bey einem Huthmacher, deſſen einziger Sohn in dieſem Kriege umkommen war. Mann und Frau weinten noch die heißeſten Thraͤ- nen, und verwuͤnſchten Krieg und Revolution, weil dieſe ſie ihr Kind gekoſtet hatte. Das iſt ſo der Gang der menſchlichen Geſin- nungen! Wenn man bey einem Vorfall etwas ein- gebuͤßet hat, ſo ſchimpft man auf die ganze Sa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/157
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/157>, abgerufen am 23.11.2024.