Auf dem Departement wurden meine Briefe vor- gelesen; und als einer von den Beysitzern die Be- denklichkeit äußerte, daß das kein ordentlicher Tauf- schein sey, indem er von keinem Geistlichen unter- zeichnet wäre, so sagte der Präsident: "Ist etwan das Zeugniß aus dem Briefe eines ehrlichen Layen nicht eben so gut, als das Attestat von einem Prie- ster? Wir Franzosen haben wohl noch Ursache, auf Priester zu bauen! Genug, das Zeugniß ist gut, und Citoyen mag nach Hause gehen. Man fertige ihm seinen Paß!" Ich erhielt also von dem De- partement eine Ausfertigung, nach welcher Nar- dot, der Kriegskommissär, mir einen Paß nach Basel geben sollte. Dieser lachte, als er schreiben mußte, ich sey aus Altona. Denn ich hatte ihm von meinen Begebenheiten einiges vorerzählt, und so wußte er recht gut, woher ich war. Aber auch er war mir gut und froh, daß ich auf diese Weise aller Gefahr entgehen konnte, und schrieb mir den Paß.
Hier mag vielleicht mancher aristokratische Le- ser die Nase rümpfen, und sagen: der Verfasser lobt den Civismus oder die Anhänglichkeit der Franzosen ans Gesetz: nach seinem eignen Geständ- niß wußten Belin und Nardot, daß es mit seinem Geburtsorte, Altona, nicht richtig war, und doch waren Belin und Nardot, wie er zu
Auf dem Departement wurden meine Briefe vor- geleſen; und als einer von den Beyſitzern die Be- denklichkeit aͤußerte, daß das kein ordentlicher Tauf- ſchein ſey, indem er von keinem Geiſtlichen unter- zeichnet waͤre, ſo ſagte der Praͤſident: „Iſt etwan das Zeugniß aus dem Briefe eines ehrlichen Layen nicht eben ſo gut, als das Atteſtat von einem Prie- ſter? Wir Franzoſen haben wohl noch Urſache, auf Prieſter zu bauen! Genug, das Zeugniß iſt gut, und Citoyen mag nach Hauſe gehen. Man fertige ihm ſeinen Paß!“ Ich erhielt alſo von dem De- partement eine Ausfertigung, nach welcher Nar- dot, der Kriegskommiſſaͤr, mir einen Paß nach Baſel geben ſollte. Dieſer lachte, als er ſchreiben mußte, ich ſey aus Altona. Denn ich hatte ihm von meinen Begebenheiten einiges vorerzaͤhlt, und ſo wußte er recht gut, woher ich war. Aber auch er war mir gut und froh, daß ich auf dieſe Weiſe aller Gefahr entgehen konnte, und ſchrieb mir den Paß.
Hier mag vielleicht mancher ariſtokratiſche Le- ſer die Naſe ruͤmpfen, und ſagen: der Verfaſſer lobt den Civismus oder die Anhaͤnglichkeit der Franzoſen ans Geſetz: nach ſeinem eignen Geſtaͤnd- niß wußten Belin und Nardot, daß es mit ſeinem Geburtsorte, Altona, nicht richtig war, und doch waren Belin und Nardot, wie er zu
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Auf dem Departement wurden meine Briefe vor-
geleſen; und als einer von den Beyſitzern die Be-
denklichkeit aͤußerte, daß das kein ordentlicher Tauf-
ſchein ſey, indem er von keinem Geiſtlichen unter-
zeichnet waͤre, ſo ſagte der Praͤſident: „Iſt etwan
das Zeugniß aus dem Briefe eines ehrlichen Layen
nicht eben ſo gut, als das Atteſtat von einem Prie-
ſter? Wir Franzoſen haben wohl noch Urſache, auf
Prieſter zu bauen! Genug, das Zeugniß iſt gut,
und Citoyen mag nach Hauſe gehen. Man fertige
ihm ſeinen Paß!“ Ich erhielt alſo von dem De-
partement eine Ausfertigung, nach welcher Nar-
dot, der Kriegskommiſſaͤr, mir einen Paß nach
Baſel geben ſollte. Dieſer lachte, als er ſchreiben
mußte, ich ſey aus Altona. Denn ich hatte ihm
von meinen Begebenheiten einiges vorerzaͤhlt, und
ſo wußte er recht gut, woher ich war. Aber auch
er war mir gut und froh, daß ich auf dieſe Weiſe
aller Gefahr entgehen konnte, und ſchrieb mir den
Paß.
Hier mag vielleicht mancher ariſtokratiſche Le-
ſer die Naſe ruͤmpfen, und ſagen: der Verfaſſer
lobt den Civismus oder die Anhaͤnglichkeit der
Franzoſen ans Geſetz: nach ſeinem eignen Geſtaͤnd-
niß wußten Belin und Nardot, daß es mit
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und doch waren Belin und Nardot, wie er zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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