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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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macht, welches den Stockschlägen einer ganzen
Stufenreihe von Vorgesezten gewidmet ist.

Ueberall fodert man, daß die Armeen agiren
sollen, aber überall ist der Soldat ein passives
Geschöpf, welches sich weder bewegen noch han-
deln kann. Im Schooße des Friedens und in
Besatzungen gewöhnt man ihn, sich unter den
Stock zu erniedrigen; und ist es Krieg, so ver-
langt man, daß er gegen das Schimpfliche einer
Niederlage empfindlich sey, deren Schande nie
auf ihn zurückfällt. Die Subordination lastet
unaufhörlich auf den Soldaten: man gönnt ihm
nicht einen Augenblick Erholung, nicht eine ein-
zige Minute, wo die Schnellkraft seiner Seele sich
wieder beleben könnte. *)


*) An Zeit dazu fehlt es den meisten deutschen Soldaten nicht[;]
aber zur Erholung gehört auch Geld. Der deutsche Soldat
habe indeß auch dieses, man behandle ihn auch schonend und
nach Ehre: wird darum die Sache seines Fürs[te]n zu sein[er]
eignen werden? Wird er patriotisch-enthusiastisch kämpfen
wie der National-Franzose? Zumal wenn er Auslander ist,
oder für militärisches [Eh]rgefühl zu roh oder zu s[t]umpf? Oder
wenn er gar den Krieg seines Herrn nicht für gerecht hält,
und ihn selbst für einen Usurpator oder Des[p]oten? -- Aber
auch hievon abgesehen, wird der, nach diesem Winke behan-
delte, Soldat, sobald er Ausländer oder von der Hefe des
Volks ist, nicht Weichling, nicht stolz und insultirend gegen
den Bürger und Landmann werden? -- Ueberhaupt der jetzige
Krieg hat, von Seiten der Franzosen, die bisherige militäri-
sche Organisation und Machinerie so verrückt, daß man sich
schon genöthigt sehen wird, andere Grundsätze für beyde, wie
überhaupt für jeden Krieg, in der Zukunft humaner oder
moralischer zu befolgen.

macht, welches den Stockſchlaͤgen einer ganzen
Stufenreihe von Vorgeſezten gewidmet iſt.

Ueberall fodert man, daß die Armeen agiren
ſollen, aber uͤberall iſt der Soldat ein paſſives
Geſchoͤpf, welches ſich weder bewegen noch han-
deln kann. Im Schooße des Friedens und in
Beſatzungen gewoͤhnt man ihn, ſich unter den
Stock zu erniedrigen; und iſt es Krieg, ſo ver-
langt man, daß er gegen das Schimpfliche einer
Niederlage empfindlich ſey, deren Schande nie
auf ihn zuruͤckfaͤllt. Die Subordination laſtet
unaufhoͤrlich auf den Soldaten: man goͤnnt ihm
nicht einen Augenblick Erholung, nicht eine ein-
zige Minute, wo die Schnellkraft ſeiner Seele ſich
wieder beleben koͤnnte. *)


*) An Zeit dazu fehlt es den meiſten deutſchen Soldaten nicht[;]
aber zur Erholung gehört auch Geld. Der deutſche Soldat
habe indeß auch dieſes, man behandle ihn auch ſchonend und
nach Ehre: wird darum die Sache ſeines Fürſ[te]n zu ſein[er]
eignen werden? Wird er patriotiſch-enthuſiaſtiſch kämpfen
wie der National-Franzoſe? Zumal wenn er Auslander iſt,
oder für militäriſches [Eh]rgefühl zu roh oder zu ſ[t]umpf? Oder
wenn er gar den Krieg ſeines Herrn nicht für gerecht hält,
und ihn ſelbſt für einen Uſurpator oder Des[p]oten? — Aber
auch hievon abgeſehen, wird der, nach dieſem Winke behan-
delte, Soldat, ſobald er Ausländer oder von der Hefe des
Volks iſt, nicht Weichling, nicht ſtolz und inſultirend gegen
den Bürger und Landmann werden? — Ueberhaupt der jetzige
Krieg hat, von Seiten der Franzoſen, die bisherige militäri-
ſche Organiſation und Machinerie ſo verrückt, daß man ſich
ſchon genöthigt ſehen wird, andere Grundſätze für beyde, wie
überhaupt für jeden Krieg, in der Zukunft humaner oder
moraliſcher zu befolgen.
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[89/0093] macht, welches den Stockſchlaͤgen einer ganzen Stufenreihe von Vorgeſezten gewidmet iſt. Ueberall fodert man, daß die Armeen agiren ſollen, aber uͤberall iſt der Soldat ein paſſives Geſchoͤpf, welches ſich weder bewegen noch han- deln kann. Im Schooße des Friedens und in Beſatzungen gewoͤhnt man ihn, ſich unter den Stock zu erniedrigen; und iſt es Krieg, ſo ver- langt man, daß er gegen das Schimpfliche einer Niederlage empfindlich ſey, deren Schande nie auf ihn zuruͤckfaͤllt. Die Subordination laſtet unaufhoͤrlich auf den Soldaten: man goͤnnt ihm nicht einen Augenblick Erholung, nicht eine ein- zige Minute, wo die Schnellkraft ſeiner Seele ſich wieder beleben koͤnnte. *) *) An Zeit dazu fehlt es den meiſten deutſchen Soldaten nicht; aber zur Erholung gehört auch Geld. Der deutſche Soldat habe indeß auch dieſes, man behandle ihn auch ſchonend und nach Ehre: wird darum die Sache ſeines Fürſten zu ſeiner eignen werden? Wird er patriotiſch-enthuſiaſtiſch kämpfen wie der National-Franzoſe? Zumal wenn er Auslander iſt, oder für militäriſches Ehrgefühl zu roh oder zu ſtumpf? Oder wenn er gar den Krieg ſeines Herrn nicht für gerecht hält, und ihn ſelbſt für einen Uſurpator oder Despoten? — Aber auch hievon abgeſehen, wird der, nach dieſem Winke behan- delte, Soldat, ſobald er Ausländer oder von der Hefe des Volks iſt, nicht Weichling, nicht ſtolz und inſultirend gegen den Bürger und Landmann werden? — Ueberhaupt der jetzige Krieg hat, von Seiten der Franzoſen, die bisherige militäri- ſche Organiſation und Machinerie ſo verrückt, daß man ſich ſchon genöthigt ſehen wird, andere Grundſätze für beyde, wie überhaupt für jeden Krieg, in der Zukunft humaner oder moraliſcher zu befolgen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/93>, abgerufen am 23.11.2024.