Dieser Umstand ist in mancher Rücksicht wich- tig. Denn es giebt gewisse deutsche Politikaster, welche die Bereitwilligkeit der Franzosen, gegen den Feind zu dienen, dem Zwange und der Guil- lotine zuschreiben, und eben dieses Mordinstrument zur Quelle des Republikanismus in Frankreich an- geben. Aber abgerechnet, daß nur ein Schildai- scher oder Schirachisirender Politiker dafür hal- ten kann, daß ein feines, großes Volk sich aus Furcht vor der Guillotine, von einer kleinen, sehr kleinen Anzahl Bürger, deren Autorität sich ledig- lich auf den Begriff von Wahl und Freyheit stüzt, und nicht den geringsten herkömmlichen religiösen oder politischen Grund hat, bewegen lassen solle, seine Kinder den grausamsten, aufs äußerste erbit- terten Feinden entgegen zu stellen, und dieß ganz gegen seine Neigung: dieses unsinnige, politische Geschwäz abgerechnet, so ist ja gewiß, daß bey dem Aufgebote von 1793 noch nicht die allergeringste Spur von Gewalt sichtbar war, geschweige denn, daß man denen, die nicht mitziehen wollten, mit der Guillotine gedroht hätte. Die jungen Fran- zosen waren ihrem Gesetze gehorsam, welches be- fiehlt, daß jeder Franzose gehalten ist, die Waffen zu ergreifen, wenn sein Vaterland leidet und es ihn dazu auffodert. Die aufgebotene Klasse ging auch oh- ne Murren. Woher sonst ihre Tapferkeit, ihre Siege!
Dieſer Umſtand iſt in mancher Ruͤckſicht wich- tig. Denn es giebt gewiſſe deutſche Politikaſter, welche die Bereitwilligkeit der Franzoſen, gegen den Feind zu dienen, dem Zwange und der Guil- lotine zuſchreiben, und eben dieſes Mordinſtrument zur Quelle des Republikanismus in Frankreich an- geben. Aber abgerechnet, daß nur ein Schildai- ſcher oder Schirachiſirender Politiker dafuͤr hal- ten kann, daß ein feines, großes Volk ſich aus Furcht vor der Guillotine, von einer kleinen, ſehr kleinen Anzahl Buͤrger, deren Autoritaͤt ſich ledig- lich auf den Begriff von Wahl und Freyheit ſtuͤzt, und nicht den geringſten herkoͤmmlichen religioͤſen oder politiſchen Grund hat, bewegen laſſen ſolle, ſeine Kinder den grauſamſten, aufs aͤußerſte erbit- terten Feinden entgegen zu ſtellen, und dieß ganz gegen ſeine Neigung: dieſes unſinnige, politiſche Geſchwaͤz abgerechnet, ſo iſt ja gewiß, daß bey dem Aufgebote von 1793 noch nicht die allergeringſte Spur von Gewalt ſichtbar war, geſchweige denn, daß man denen, die nicht mitziehen wollten, mit der Guillotine gedroht haͤtte. Die jungen Fran- zoſen waren ihrem Geſetze gehorſam, welches be- fiehlt, daß jeder Franzoſe gehalten iſt, die Waffen zu ergreifen, wenn ſein Vaterland leidet und es ihn dazu auffodert. Die aufgebotene Klaſſe ging auch oh- ne Murren. Woher ſonſt ihre Tapferkeit, ihre Siege!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0073"n="69"/><p>Dieſer Umſtand iſt in mancher Ruͤckſicht wich-<lb/>
tig. Denn es giebt gewiſſe deutſche Politikaſter,<lb/>
welche die Bereitwilligkeit der Franzoſen, gegen<lb/>
den Feind zu dienen, dem Zwange und der Guil-<lb/>
lotine zuſchreiben, und eben dieſes Mordinſtrument<lb/>
zur Quelle des Republikanismus in Frankreich an-<lb/>
geben. Aber abgerechnet, daß nur ein Schildai-<lb/>ſcher oder Schirachiſirender Politiker dafuͤr hal-<lb/>
ten kann, daß ein feines, großes Volk ſich aus<lb/>
Furcht vor der Guillotine, von einer kleinen, ſehr<lb/>
kleinen Anzahl Buͤrger, deren Autoritaͤt ſich ledig-<lb/>
lich auf den Begriff von Wahl und Freyheit ſtuͤzt,<lb/>
und nicht den geringſten herkoͤmmlichen religioͤſen<lb/>
oder politiſchen Grund hat, bewegen laſſen ſolle,<lb/>ſeine Kinder den grauſamſten, aufs aͤußerſte erbit-<lb/>
terten Feinden entgegen zu ſtellen, und dieß ganz<lb/>
gegen ſeine Neigung: dieſes unſinnige, politiſche<lb/>
Geſchwaͤz abgerechnet, ſo iſt ja gewiß, daß bey<lb/>
dem Aufgebote von 1793 noch nicht die allergeringſte<lb/>
Spur von Gewalt ſichtbar war, geſchweige denn,<lb/>
daß man denen, die nicht mitziehen wollten, mit<lb/>
der Guillotine gedroht haͤtte. Die jungen Fran-<lb/>
zoſen waren ihrem Geſetze gehorſam, welches be-<lb/>
fiehlt, daß jeder Franzoſe gehalten iſt, die Waffen<lb/>
zu ergreifen, wenn ſein Vaterland leidet und es ihn<lb/>
dazu auffodert. Die aufgebotene Klaſſe ging auch oh-<lb/>
ne Murren. Woher ſonſt ihre Tapferkeit, ihre Siege!</p><lb/></div></body></text></TEI>
[69/0073]
Dieſer Umſtand iſt in mancher Ruͤckſicht wich-
tig. Denn es giebt gewiſſe deutſche Politikaſter,
welche die Bereitwilligkeit der Franzoſen, gegen
den Feind zu dienen, dem Zwange und der Guil-
lotine zuſchreiben, und eben dieſes Mordinſtrument
zur Quelle des Republikanismus in Frankreich an-
geben. Aber abgerechnet, daß nur ein Schildai-
ſcher oder Schirachiſirender Politiker dafuͤr hal-
ten kann, daß ein feines, großes Volk ſich aus
Furcht vor der Guillotine, von einer kleinen, ſehr
kleinen Anzahl Buͤrger, deren Autoritaͤt ſich ledig-
lich auf den Begriff von Wahl und Freyheit ſtuͤzt,
und nicht den geringſten herkoͤmmlichen religioͤſen
oder politiſchen Grund hat, bewegen laſſen ſolle,
ſeine Kinder den grauſamſten, aufs aͤußerſte erbit-
terten Feinden entgegen zu ſtellen, und dieß ganz
gegen ſeine Neigung: dieſes unſinnige, politiſche
Geſchwaͤz abgerechnet, ſo iſt ja gewiß, daß bey
dem Aufgebote von 1793 noch nicht die allergeringſte
Spur von Gewalt ſichtbar war, geſchweige denn,
daß man denen, die nicht mitziehen wollten, mit
der Guillotine gedroht haͤtte. Die jungen Fran-
zoſen waren ihrem Geſetze gehorſam, welches be-
fiehlt, daß jeder Franzoſe gehalten iſt, die Waffen
zu ergreifen, wenn ſein Vaterland leidet und es ihn
dazu auffodert. Die aufgebotene Klaſſe ging auch oh-
ne Murren. Woher ſonſt ihre Tapferkeit, ihre Siege!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/73>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.