Gesell gab mir recht, fürchtete aber, der Kom- mendant zu Dijon mögte uns in Arrest setzen las- sen, wenn wir dahin zurück kämen; schlug mir also vor, auf einen andern Distrikt zu gehen, wie schon mehrere gethan hätten, und uns da für Frisch-angekommene auszugeben. Ich hatte da- zu keine Lust, und Gesell ließ sichs gefallen, nach Dijon mit zurück zu gehen. Wir gelangten wieder dahin, und niemand schien uns vermißt zu haben; doch erfuhr ich hernach aus dem Munde des Kommendanten selbst, daß er um alles wußte, und nur schwieg, weil man uns nicht aufgefangen hatte. -- Es war allemal ein tolles Unternehmen, aus einem Lande entwischen zu wollen, wo man die Landstraße nicht halten durfte, dabey der Ge- genden unkundig war, und noch des Nachts gehen mußte, um nicht jeden Augenblick von Auflaurern angehalten zu werden.
Im Sommer dieses Jahres war ein wahrer Ju- bel in Dijon, wie in ganz Frankreich, als die Volksrepräsentanten in den Departementern und Distrikten die scheusliche Mordmaschiene, die Guil- lotine, aus den Augen des Publikums wegschaffen ließen. Diese Schreck-Bühne stand sonst immer mitten auf den größten und freysten Plätzen, das Messer immer hoch, und drohte jedem Verbrecher den Tod. Aber jezt, da die junge Republik der
Geſell gab mir recht, fuͤrchtete aber, der Kom- mendant zu Dijon moͤgte uns in Arreſt ſetzen laſ- ſen, wenn wir dahin zuruͤck kaͤmen; ſchlug mir alſo vor, auf einen andern Diſtrikt zu gehen, wie ſchon mehrere gethan haͤtten, und uns da fuͤr Friſch-angekommene auszugeben. Ich hatte da- zu keine Luſt, und Geſell ließ ſichs gefallen, nach Dijon mit zuruͤck zu gehen. Wir gelangten wieder dahin, und niemand ſchien uns vermißt zu haben; doch erfuhr ich hernach aus dem Munde des Kommendanten ſelbſt, daß er um alles wußte, und nur ſchwieg, weil man uns nicht aufgefangen hatte. — Es war allemal ein tolles Unternehmen, aus einem Lande entwiſchen zu wollen, wo man die Landſtraße nicht halten durfte, dabey der Ge- genden unkundig war, und noch des Nachts gehen mußte, um nicht jeden Augenblick von Auflaurern angehalten zu werden.
Im Sommer dieſes Jahres war ein wahrer Ju- bel in Dijon, wie in ganz Frankreich, als die Volksrepraͤſentanten in den Departementern und Diſtrikten die ſcheusliche Mordmaſchiene, die Guil- lotine, aus den Augen des Publikums wegſchaffen ließen. Dieſe Schreck-Buͤhne ſtand ſonſt immer mitten auf den groͤßten und freyſten Plaͤtzen, das Meſſer immer hoch, und drohte jedem Verbrecher den Tod. Aber jezt, da die junge Republik der
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Geſell gab mir recht, fuͤrchtete aber, der Kom-
mendant zu Dijon moͤgte uns in Arreſt ſetzen laſ-
ſen, wenn wir dahin zuruͤck kaͤmen; ſchlug mir
alſo vor, auf einen andern Diſtrikt zu gehen,
wie ſchon mehrere gethan haͤtten, und uns da fuͤr
Friſch-angekommene auszugeben. Ich hatte da-
zu keine Luſt, und Geſell ließ ſichs gefallen,
nach Dijon mit zuruͤck zu gehen. Wir gelangten
wieder dahin, und niemand ſchien uns vermißt zu
haben; doch erfuhr ich hernach aus dem Munde
des Kommendanten ſelbſt, daß er um alles wußte,
und nur ſchwieg, weil man uns nicht aufgefangen
hatte. — Es war allemal ein tolles Unternehmen,
aus einem Lande entwiſchen zu wollen, wo man
die Landſtraße nicht halten durfte, dabey der Ge-
genden unkundig war, und noch des Nachts gehen
mußte, um nicht jeden Augenblick von Auflaurern
angehalten zu werden.
Im Sommer dieſes Jahres war ein wahrer Ju-
bel in Dijon, wie in ganz Frankreich, als die
Volksrepraͤſentanten in den Departementern und
Diſtrikten die ſcheusliche Mordmaſchiene, die Guil-
lotine, aus den Augen des Publikums wegſchaffen
ließen. Dieſe Schreck-Buͤhne ſtand ſonſt immer
mitten auf den groͤßten und freyſten Plaͤtzen, das
Meſſer immer hoch, und drohte jedem Verbrecher
den Tod. Aber jezt, da die junge Republik der
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/496>, abgerufen am 22.11.2024.
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