hatte an nichts Mangel, und einen Posten, wobey ich wenigstens ein nützliches Glied der Gesellschaft war, denn ich diente meinen Mitmenschen wirklich und vielleicht mehr, als mancher Professor der Theo- logie. Aber ich weiß es nicht zu sagen, es fehlte mir immer was, und ich war in einsamen Stunden oft unzufrieden, ohne daß ich wußte, warum. Bisher war ich immer in gewaltsamen Veränderungen ge- wesen, und meine ganze Seele war schartig ge- worden, sie konnte sich daher nicht so recht in die ruhige stille Lebensart eines Krankenwärters fin- den.
Ich hatte mit einigen Offizieren von den ge- fangnen Preußen, Oestreichern und Hannoveranern Bekanntschaft gemacht, und besuchte sie oft in den zwey Klöstern, wo sie einquartiert waren, und genoß manchen Beweis ihrer Freundschaft. Als ich eines Tages auf dem Zimmer des Hn. Hauptmann von Euler, der bey einem östreichischen Freykorps ge- standen hatte, etwas über das Unangenehme mei- ner Lage merken ließ, so erklärten sich mehrere ge- genwärtige Offiziere, daß sie, wenn ich das Spi- tal verlassen wollte, gleich Unterricht im Französi- schen bey mir nehmen würden, wobey ich wenig- stens monatlich 90 Livres verdienen könnte. Auch dürfte ich die unschickliche Arbeit auf dem Spital
hatte an nichts Mangel, und einen Poſten, wobey ich wenigſtens ein nuͤtzliches Glied der Geſellſchaft war, denn ich diente meinen Mitmenſchen wirklich und vielleicht mehr, als mancher Profeſſor der Theo- logie. Aber ich weiß es nicht zu ſagen, es fehlte mir immer was, und ich war in einſamen Stunden oft unzufrieden, ohne daß ich wußte, warum. Bisher war ich immer in gewaltſamen Veraͤnderungen ge- weſen, und meine ganze Seele war ſchartig ge- worden, ſie konnte ſich daher nicht ſo recht in die ruhige ſtille Lebensart eines Krankenwaͤrters fin- den.
Ich hatte mit einigen Offizieren von den ge- fangnen Preußen, Oeſtreichern und Hannoveranern Bekanntſchaft gemacht, und beſuchte ſie oft in den zwey Kloͤſtern, wo ſie einquartiert waren, und genoß manchen Beweis ihrer Freundſchaft. Als ich eines Tages auf dem Zimmer des Hn. Hauptmann von Euler, der bey einem oͤſtreichiſchen Freykorps ge- ſtanden hatte, etwas uͤber das Unangenehme mei- ner Lage merken ließ, ſo erklaͤrten ſich mehrere ge- genwaͤrtige Offiziere, daß ſie, wenn ich das Spi- tal verlaſſen wollte, gleich Unterricht im Franzoͤſi- ſchen bey mir nehmen wuͤrden, wobey ich wenig- ſtens monatlich 90 Livres verdienen koͤnnte. Auch duͤrfte ich die unſchickliche Arbeit auf dem Spital
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hatte an nichts Mangel, und einen Poſten, wobey
ich wenigſtens ein nuͤtzliches Glied der Geſellſchaft
war, denn ich diente meinen Mitmenſchen wirklich
und vielleicht mehr, als mancher Profeſſor der Theo-
logie. Aber ich weiß es nicht zu ſagen, es fehlte
mir immer was, und ich war in einſamen Stunden
oft unzufrieden, ohne daß ich wußte, warum. Bisher
war ich immer in gewaltſamen Veraͤnderungen ge-
weſen, und meine ganze Seele war ſchartig ge-
worden, ſie konnte ſich daher nicht ſo recht in die
ruhige ſtille Lebensart eines Krankenwaͤrters fin-
den.
Ich hatte mit einigen Offizieren von den ge-
fangnen Preußen, Oeſtreichern und Hannoveranern
Bekanntſchaft gemacht, und beſuchte ſie oft in den
zwey Kloͤſtern, wo ſie einquartiert waren, und genoß
manchen Beweis ihrer Freundſchaft. Als ich eines
Tages auf dem Zimmer des Hn. Hauptmann von
Euler, der bey einem oͤſtreichiſchen Freykorps ge-
ſtanden hatte, etwas uͤber das Unangenehme mei-
ner Lage merken ließ, ſo erklaͤrten ſich mehrere ge-
genwaͤrtige Offiziere, daß ſie, wenn ich das Spi-
tal verlaſſen wollte, gleich Unterricht im Franzoͤſi-
ſchen bey mir nehmen wuͤrden, wobey ich wenig-
ſtens monatlich 90 Livres verdienen koͤnnte. Auch
duͤrfte ich die unſchickliche Arbeit auf dem Spital
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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