Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

wunderte, daß der Mensch noch so thörig seyn,
und den Verlust eines einzelnen Menschen für et-
was großes, und der Bemerkung würdiges finden
könnte. Die grausame Unwälzung in Frankreich hat
deutlich genug gelehrt:
-- -- -- humanis quae sit fiducia rebus!

Ich brachte zwey Tage zu, um nach Macon
zu kommen. Den ersten Tag gings frisch weg:
es war das herrlichste Wetter. Aber am andern
Tage hatte ich große Mühe, mich nach dem alten
Macon hinzuschleppen. Meine Wunde schmerzte
mich sehr, und bey jedem Schritte fühlte ich die
schrecklichsten Stiche. Ich kehrte oft in die Dör-
fer ein, wo mich die Leute beklagten, und mir im-
mer Wein geben wollten; aber ich dankte.

In Macon meldete ich mich bey dem Kommis-
sär, der mir zwar auf einen Tag Quartier gab, mich
aber in kein Spital bringen konnte, weil in Ma-
con damals keins war. Uebermorgen sollst du,
sagte er, nach Challons gefahren werden: es sind
noch mehr Kranke hier, die dahin sollen. Ich blieb
also in Macon, genoß aber die ganze Zeit nichts,
als einige Gläser Wein, die ich gerade nicht hätte
trinken sollen. Mein Wirth kaufte mir mein Brod
und Fleisch ab, weil ich es nicht brauchen [ko]nnte.

Ich hatte von Macon nach Challons noch drey
Soldaten zu Begleitern, welche auch unterwegs

wunderte, daß der Menſch noch ſo thoͤrig ſeyn,
und den Verluſt eines einzelnen Menſchen fuͤr et-
was großes, und der Bemerkung wuͤrdiges finden
koͤnnte. Die grauſame Unwaͤlzung in Frankreich hat
deutlich genug gelehrt:
— — — humanis quae ſit fiducia rebus!

Ich brachte zwey Tage zu, um nach Mâcon
zu kommen. Den erſten Tag gings friſch weg:
es war das herrlichſte Wetter. Aber am andern
Tage hatte ich große Muͤhe, mich nach dem alten
Mâcon hinzuſchleppen. Meine Wunde ſchmerzte
mich ſehr, und bey jedem Schritte fuͤhlte ich die
ſchrecklichſten Stiche. Ich kehrte oft in die Doͤr-
fer ein, wo mich die Leute beklagten, und mir im-
mer Wein geben wollten; aber ich dankte.

In Mâcon meldete ich mich bey dem Kommiſ-
ſaͤr, der mir zwar auf einen Tag Quartier gab, mich
aber in kein Spital bringen konnte, weil in Mâ-
con damals keins war. Uebermorgen ſollſt du,
ſagte er, nach Challons gefahren werden: es ſind
noch mehr Kranke hier, die dahin ſollen. Ich blieb
alſo in Mâcon, genoß aber die ganze Zeit nichts,
als einige Glaͤſer Wein, die ich gerade nicht haͤtte
trinken ſollen. Mein Wirth kaufte mir mein Brod
und Fleiſch ab, weil ich es nicht brauchen [ko]nnte.

Ich hatte von Mâcon nach Challons noch drey
Soldaten zu Begleitern, welche auch unterwegs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0440" n="436"/>
wunderte, daß der Men&#x017F;ch noch &#x017F;o tho&#x0364;rig &#x017F;eyn,<lb/>
und den Verlu&#x017F;t eines einzelnen Men&#x017F;chen fu&#x0364;r et-<lb/>
was großes, und der Bemerkung wu&#x0364;rdiges finden<lb/>
ko&#x0364;nnte. Die grau&#x017F;ame Unwa&#x0364;lzung in Frankreich hat<lb/>
deutlich genug gelehrt:<lb/><quote><hi rendition="#et">&#x2014; &#x2014; &#x2014; <hi rendition="#aq">humanis quae &#x017F;it fiducia rebus!</hi></hi></quote></p><lb/>
        <p>Ich brachte zwey Tage zu, um nach Mâcon<lb/>
zu kommen. Den er&#x017F;ten Tag gings fri&#x017F;ch weg:<lb/>
es war das herrlich&#x017F;te Wetter. Aber am andern<lb/>
Tage hatte ich große Mu&#x0364;he, mich nach dem alten<lb/>
Mâcon hinzu&#x017F;chleppen. Meine Wunde &#x017F;chmerzte<lb/>
mich &#x017F;ehr, und bey jedem Schritte fu&#x0364;hlte ich die<lb/>
&#x017F;chrecklich&#x017F;ten Stiche. Ich kehrte oft in die Do&#x0364;r-<lb/>
fer ein, wo mich die Leute beklagten, und mir im-<lb/>
mer Wein geben wollten; aber ich dankte.</p><lb/>
        <p>In Mâcon meldete ich mich bey dem Kommi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;r, der mir zwar auf einen Tag Quartier gab, mich<lb/>
aber in kein Spital bringen konnte, weil in Mâ-<lb/>
con damals keins war. Uebermorgen &#x017F;oll&#x017F;t du,<lb/>
&#x017F;agte er, nach Challons gefahren werden: es &#x017F;ind<lb/>
noch mehr Kranke hier, die dahin &#x017F;ollen. Ich blieb<lb/>
al&#x017F;o in Mâcon, genoß aber die ganze Zeit nichts,<lb/>
als einige Gla&#x0364;&#x017F;er Wein, die ich gerade nicht ha&#x0364;tte<lb/>
trinken &#x017F;ollen. Mein Wirth kaufte mir mein Brod<lb/>
und Flei&#x017F;ch ab, weil ich es nicht brauchen <supplied>ko</supplied>nnte.</p><lb/>
        <p>Ich hatte von Mâcon nach Challons noch drey<lb/>
Soldaten zu Begleitern, welche auch unterwegs<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0440] wunderte, daß der Menſch noch ſo thoͤrig ſeyn, und den Verluſt eines einzelnen Menſchen fuͤr et- was großes, und der Bemerkung wuͤrdiges finden koͤnnte. Die grauſame Unwaͤlzung in Frankreich hat deutlich genug gelehrt: — — — humanis quae ſit fiducia rebus! Ich brachte zwey Tage zu, um nach Mâcon zu kommen. Den erſten Tag gings friſch weg: es war das herrlichſte Wetter. Aber am andern Tage hatte ich große Muͤhe, mich nach dem alten Mâcon hinzuſchleppen. Meine Wunde ſchmerzte mich ſehr, und bey jedem Schritte fuͤhlte ich die ſchrecklichſten Stiche. Ich kehrte oft in die Doͤr- fer ein, wo mich die Leute beklagten, und mir im- mer Wein geben wollten; aber ich dankte. In Mâcon meldete ich mich bey dem Kommiſ- ſaͤr, der mir zwar auf einen Tag Quartier gab, mich aber in kein Spital bringen konnte, weil in Mâ- con damals keins war. Uebermorgen ſollſt du, ſagte er, nach Challons gefahren werden: es ſind noch mehr Kranke hier, die dahin ſollen. Ich blieb alſo in Mâcon, genoß aber die ganze Zeit nichts, als einige Glaͤſer Wein, die ich gerade nicht haͤtte trinken ſollen. Mein Wirth kaufte mir mein Brod und Fleiſch ab, weil ich es nicht brauchen konnte. Ich hatte von Mâcon nach Challons noch drey Soldaten zu Begleitern, welche auch unterwegs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/440
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/440>, abgerufen am 22.11.2024.